Genesis G90 – Koreanische Botschaft

Martin Sigrist | 30.11.2023

Chauffeur-Limo Der Genesis G90 ist das Flaggschiff der Koreaner. Die Limousine packt viel Ausstattung, aber auch koreanische Kultur 
und ­Lebensweisheit unters Blech.

91174

Gastfreundschaft heisst auf Koreanisch Son-Nim. Und Son-Nim war das Leitthema rund um die ersten Präsentationen des Genesis-Flaggschiffs G90 in Europa. In grösserem Rahmen war der bis zu 5.45 Meter lange Wagen erstmals am Goodwood Festival of Speed zu sehen. Einen Genesis G90 gibt es in seinem Heimatland Korea allerdings seit 2015, er ist dort, kaum verwunderlich, ein Auto für Staatsmänner und Wirtschaftskapitäne. Ganz genau genommen ist er gar der Ursprung der Marke, denn mit dieser grossen Limousine startete Hyun­dai das Abenteuer Genesis damals. Nun will die Premiumdivision der Koreaner also nochmals nach einem Regalboden höher greifen und den wohl schwierigsten Markt für die Luxusklasse knacken – unseren! Europa ist gut versorgt mit alteingesessenen Marken, und selbst unter diesen gibt es Mitstreiter, die sich mehr als schwertun mit den aktuellen Umständen, bestes Beispiel dafür ist etwa Jaguar. Pikanterweise sind gerade die Briten genau da unterwegs, wo Genesis hinzielt: Premiumlimousinen und SUV ohne das in diesem Marktbereich sonst meistens zu findende Prädikat «Made in Germany».

Was beim Genesis G90 als Erstes aufhorchen lässt, ist sein Preis, der bei rund 129 300 Franken für die Normalversion startet. Für die Ausführung mit 19 Zentimetern mehr Radstand werden hierzulande 139 400 Franken in Rechnung gestellt. Das scheint sehr viel für ein Auto ohne grosse Vergangenheit oder, salopp ausgedrückt, für einen Koreaner. Für Europa haben es sich die Koreaner aber erspart, einen umfangreichen Katalog an Zusatzoptionen zusammenzustellen. Der Einfachheit halber gibt es einfach so ziemlich alles, was sich heute in ein Auto einbauen lässt. Liegesitze hinten, ein allerfeinstes Soundsystem von Bang & Olufsen, individuelle Bildschirme für die Passagiere, Lederbezüge, Holzapplikationen – nein, Moment, das vermeintliche Holz ist rezykliertes, man halte sich fest, Zeitungspapier! Dieses ist eingefärbt, strukturiert und nachbearbeitet. Aber statt schäbig zu wirken, sieht das aus wie aus Holz und ist perfekt verarbeitet. Für Genesis repräsentiert das ungewöhnliche Material das Verständnis für Kreislauf und Nachhaltigkeit.

91175

Übereinanderliegende Doppelscheinwerfer entsprechen dem Markengesicht. Der Grill ist unübersehbar, die Linienführung des riesigen Wagens wirkt aber gekonnt und elegant. Dank Luftfederung fährt der G90 wie auf Wolken.

91185

Übereinanderliegende Doppelscheinwerfer entsprechen dem Markengesicht. Der Grill ist unübersehbar, die Linienführung des riesigen Wagens wirkt aber gekonnt und elegant. Dank Luftfederung fährt der G90 wie auf Wolken.

91184

Übereinanderliegende Doppelscheinwerfer entsprechen dem Markengesicht. Der Grill ist unübersehbar, die Linienführung des riesigen Wagens wirkt aber gekonnt und elegant. Dank Luftfederung fährt der G90 wie auf Wolken.

91177

Übereinanderliegende Doppelscheinwerfer entsprechen dem Markengesicht. Der Grill ist unübersehbar, die Linienführung des riesigen Wagens wirkt aber gekonnt und elegant. Dank Luftfederung fährt der G90 wie auf Wolken.

Überhaupt stecken in dem riesigen Auto mancherlei Gedanken, die weit über die Belange des kultivierten Autofahrens hinausreichen. Genesis spricht auch von der Ästhetik des weissen Raumes. Man will dem Betrachter etwas Luft lassen, sein Auge nicht überfordern. Das Äussere des Wagens kann diesen Anspruch durchaus erfüllen, die Karosserie verzichtet auf allzu viele Zierelemente, Kanten oder Sicken. Dafür liegt die Motorhaube aus einem Stück nahezu fugenlos auf den vorderen Kotflügeln auf. Die Front wirkt, bis auf den etwas überdimensionierten Grill, geschlossen und ruhig. Die doppelten, übereinanderliegenden LED-Scheinwerfer gelten als die aktuell schmalsten der Industrie und verhelfen dem G90 zu einem unverkennbaren Genesis-Markengesicht. Das Design des Hausgestalters Luc Donckerwolke zeigt denn auch kaum bemühte Züge, die Koreaner scheinen sich ihrer unverfrorenen Unternehmung – als Parvenu im Luxussegment mitzuspielen – offenbar sehr sicher zu sein.

Dabei haben sie beim G90 nichts neu erfunden. Im Gegenteil, man meint, dem Auto schon einmal irgendwo begegnet zu sein, aber sie haben ihre Oberklasse dergestalt auf die Beine gestellt, als wären sie schon seit Jahrzehnten in diesem Geschäft mit dabei. Aus diesem Grund kann man rund um den Wagen und auch in seinem Inneren lange suchen, man wird vermutlich nichts finden, das ­einen für Genesis etwas fremdschämen lässt, etwa mit Lichtschaltern aus einem Hyundai oder Kompromisslösungen, die entlarvt wurden. Es gibt sie nicht, zumindest nicht an Stellen, wo sie auffielen.

Lang und ultralang

Was einem aber sofort klar wird, ist, wo beim G90 die Musik spielt. Der Herr im Haus sitzt hinten! Für die Schweiz sind nur die Viersitzermodelle vorgesehen. Tatsächlich sind es vier richtige Einzelsitze, die der G90 zu bieten hat, jeder individuell verstell- und beheizbar und zusätzlich mit weiteren Annehmlichkeiten wie einer umfangreichen Massagefunktion selbst für die Rückgratverlängerung versehen. Da bleibt nur noch die Frage, ob auch ­eine Fussmassage zu haben ist und die Antwort lautet: natürlich! In dieser Konfiguration ist der Genesis G90 in seiner Preisklasse einzigartig, obwohl man sich fragen darf, ob es nicht zumindest für den Wagen in Normallänge auch eine herkömmliche hintere Sitzbank und damit eine Zulassung mit fünf Plätzen geben sollte. Auf einigen Märkten ist diese lieferbar.

91189

Auch in der Normalausführung misst der Genesis G90 fast 5.3 Meter. Doch die Allradlenkung sorgt für erstaunliche Handlichkeit auch bei engen Verhältnissen.

91192

Auch in der Normalausführung misst der Genesis G90 fast 5.3 Meter. Doch die Allradlenkung sorgt für erstaunliche Handlichkeit auch bei engen Verhältnissen.

Stets mit an Bord sind dafür die Allradlenkung und eine Luftfederung. Erstere nimmt selbst engen Zufahrten ihren Schrecken, die Handlichkeit des G90 mit einem Radstand weit jenseits der drei Meter ist überraschend gut. Die Federung ihrerseits versucht sich mit einem Vergleich zum fliegenden Teppich. Dabei filtert sie erfolgreich Bodenunebenheiten heraus und sorgt zusammen mit den Querstabilisatoren und der Dämpfung dafür, dass der schwere Kahn bei hohem Seegang respektive schneller Kurvenfahrt nicht allzu heftig um die Querachse stampft und um die Längsachse rollt. Draussen mag somit die See hochgehen, im Innern bleibt man davor weitgehend verschont. Man sitzt in einer mit Leder ausgeschlagenen Wohlfühlzone, hübsche Details wie die hochwertigen Schalter oder die sorgfältig abgesteppten Polsterbezüge erfreuen das Auge und die Hand. Wie für den Chauffeur gibt es auch hinten die Kombination aus Touchscreen und Dreh-Drück-Rad zur Bedienung des eigenen Infotainmentsystems. Und während man sich hinten einen Film zu Gemüte führt, flüstert das Navigationssystem seine Angaben vorne nur für den Chauffeur vernehmlich diesem buchstäblich ins Ohr – mit einem kleinen in der Kopfstütze integrierten Lautsprecher. Sämtlichen Insassen zugute kommt hingegen die aktive Geräuschunterdrückung.

Genug und adäquat

Wie bei einem britischen Luxushersteller in der Vergangenheit könnte auch Genesis zur Leistung des G90 schweigen – es gibt genügend davon. Das Datenblatt aber nennt 415 PS des Turbo-V6-Motors. Der Dreieinhalbliter wird dazu von einem elektrisch angeregten Turbolader unter Druck gesetzt. In der Praxis resultiert dies in einem dynamischen, doch kaum sportiven Fahrstil. Das passt bestens zum Charakter des G90. Nicht ganz so viel Freude wie der Antrieb bereitet die Lenkung. Sie ist weniger leichtgängig als erwartet, dafür bietet sie nicht ganz so viel Feedback wie Beispiele der Konkurrenz. Doch das Gefühl am Lenkrad darf einem im G90 egal sein. Exklusiv für die Schweiz geben die Koreaner beim Kauf einen Chauffeur kostenlos dazu – zumindest teilweise. Während der ersten fünf Jahre nach Kauf eines G90 steht einem während zehn Tagen pro Jahr ein Chauffeur nach Voranmeldung zur Verfügung. Denn es scheint doch reichlich unvernünftig, als Selbstfahrer die hintere Reihe des G90 längere Zeit leer durch die Gegend zu kutschieren, schliesslich ist der grosse Koreaner die mit Abstand günstigste Chauffeurlimousine auf dem Markt. Und eine lustvolle dazu. 

91178

Wer am Lenkrad sitzt, ist nur Chauffeur. Im Genesis G90 sitzt der Chef hinten, rechts gibt es für ihn sogar eine Fuss­massage. Leder, Aluminium und Holz – es gibt aber auch gepresstes Zeitungspapier! – sind hochwertig und sorgfältig verarbeitet.

91183

Wer am Lenkrad sitzt, ist nur Chauffeur. Im Genesis G90 sitzt der Chef hinten, rechts gibt es für ihn sogar eine Fuss­massage. Leder, Aluminium und Holz – es gibt aber auch gepresstes Zeitungspapier! – sind hochwertig und sorgfältig verarbeitet.

91181

Wer am Lenkrad sitzt, ist nur Chauffeur. Im Genesis G90 sitzt der Chef hinten, rechts gibt es für ihn sogar eine Fuss­massage. Leder, Aluminium und Holz – es gibt aber auch gepresstes Zeitungspapier! – sind hochwertig und sorgfältig verarbeitet.

91179

Wer am Lenkrad sitzt, ist nur Chauffeur. Im Genesis G90 sitzt der Chef hinten, rechts gibt es für ihn sogar eine Fuss­massage. Leder, Aluminium und Holz – es gibt aber auch gepresstes Zeitungspapier! – sind hochwertig und sorgfältig verarbeitet.

91193

Der 3.5-Liter-V6-Motor ist laufruhig und dank des elektrisch angeregten Turboladers zudem leistungs- und durchzugsstark.

Fotos: Genesis Europe

Kommentare

Keine Kommentare