Hyundai Ioniq 5 N – Fast ganz normal

Martin Sigrist | 05.04.2024

Bekannte Signale Der elektrische Ioniq 5 N führt sich auf wie ein waschechter Verbrenner. Er schaltet, er röhrt, und er macht auch sonst fast alles wie ein echter Sportwagen. Das fasziniert.

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Anbremsen, ein Griff zum Schaltpaddle, der dritte Gang springt rein, es bollert aus dem Auspuff, und bei erneutem Gasgeben aus der Kurve heraus steigt die Nadel des Drehzahlmessers wieder bis in den roten Bereich, der Limiter gibt dem Fahrer zu erkennen, dass die nächste Schaltstufe fällig wird. Doch zu überdrehen droht hier nichts, es bewegen sich in diesem Auto keine Kolben jenseits der 20-m/s-Grenze, und es droht auch kein Ölfilm abzureissen oder ein Ventil sich selbständig zu machen. Hier arbeiten weder Kolben noch Pleuel noch irgendein Ventiltrieb.

Der Hyundai Ioniq 5 N ist ein reines Elektroauto und dazu eines, das aktuell ganz weit vorne in der Entwicklungsstufe dieser Art von Autos zu finden ist. Denn wie der normale Bruder baut auch die Sportversion N des Kompaktstromers auf ­einer 800-Volt-Architektur auf. Die möglichen Ladegeschwindigkeiten sind so haarsträubend schnell wie der Wagen selbst. Seine 84 kWh grosse Batterie lässt sich bei einer Ladeleistung von bis zu 350 kWh in 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent laden. Das ist auch nötig, könnte man hämisch denken, wenn man dieses Auto um eine Rennstrecke prügelt. Doch zunächst muss man sich bewusst werden, was man hier genau bewegt, vielleicht auch, warum und ob dies eigentlich Sinn macht.

Rauch nur von den Reifen

Kurz, der Ioniq 5 N ist vielleicht die künftige Ersatzdroge, das Methadon für unrettbare Petrolheads, bei denen es ordentlich «motoren» soll beim Fahren und die mit gezielten Griffen ihr Auto bändigen, den richtigen Gang zur richtigen Zeit einlegen wollen – aber mit einem Elektroauto. Da winkt eine schöne, neue Welt. Und es erinnert ein wenig daran, dass man Paris ja streng genommen gar nicht zu besuchen braucht, wenn es klischeegerecht in Beton und Plastik nachgebaut im Vergnügungspark zu finden ist. Umso mehr, als ein Ersatz-Venedig – ohne die im Sommer stinkenden Kanäle – auch noch gleich nebenan liegt. Das spart viel CO2 und ist meist so bemessen, dass man als Besucher bis zum Abend wieder mit der richtigen Dosis französischer und venezianischer Kultur oder dem, was einem ein Parkbetreiber als solches verkaufen will, versorgt ist. Das ist wie Fleischersatz oder dampfen – besser neudeutsch vapen – statt Zigarre zu rauchen: ein Ersatz, ein Substitut oder auch nur ein Look-alike. Erfinde weitere lustige Beispiele. Das wirklich Erschütternde am Hyundai Ioniq 5 N ist aber, dass jeder darauf hereinfällt, der sich ans Lenkrad des E-Sport-Koreaners setzt. Denn der Wagen trifft ziemlich genau da ins Schwarze, wo die wichtigsten Nervenstränge eines jeden zusammentreffen, der dem Autofahren etwas Spass abgewinnen kann, den eine flotte Runde, begleitet von den richtigen Geräuschen, begeistert.

Ernst gemeinter Spass

Doch zu weniger Grundsätzlichem und Handfesterem. Mehr Schweisspunkte an der Karosserie und einige Meter zusätzlichen Klebers sind die innersten Grundlagen für den sportlichen Ioniq 5. Damit verlieht die N-Truppe der Karosseriestruktur ihres Elektro-Fünfers nochmals mehr Verwindungssteifigkeit. Danach galt ihre Aufmerksamkeit den Aufhängungen. Nun sind der vordere und hintere Fahrschemel bis zu den ebenso verstärkten Hilfsrahmen quasi neu. Vorne gibt es neue Federbeine, die von den beiden unteren Lenkern je separat angelenkt sind, statt dass ein einzelner Dreieckslenker die Kräfte aufnimmt. Das ergibt eine interessante, variable Geometrie, wenn das Rad über zwei statt nur einen Drehpunkt einschwenkt. Grundsätzlich besitzt der N auch eine breitere Spur. Das Resultat, zusammen mit der gewaltigen Leistung und dem noch gewaltigeren Drehmoment, das kurzzeitig abgerufen werden kann, sind richtig schnelle Runden auf der Rennpiste.

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Als Ioniq 5 N erhielt der markante Elektro-Hyundai mehr Leistung, eine schärfere Optik und ein komplett überarbeitetes Fahrwerk. Dabei imitiert er alle Merkmale eines Verbrenners, zumindest auf der Rennstrecke. Auf der Strasse ist der Sportler hingegen so zivilisiert und kultiviert wie sein normaler Bruder.

Doch das Auto wird auch dem anderen Anspruch seiner Erbauer vollauf gerecht – es ist ein gelungener Reisewagen. Einzig sein massives Gewicht von 2.2 Tonnen kann der Brocken bei schnellen Richtungswechseln nicht verheimlichen. Beim Anbremsen aber spielt die Rekuperation dem Stromer als Pistenhobel voll in die Hände, der Frontmotor gibt dabei gewaltige Energiemengen dankend wieder zurück an die Batterie, die Bremsscheiben von stattlichen 40 Zentimetern Durchmesser bleiben derweil buchstäblich cool, das ist phänomenal und zunächst kaum zu glauben. Wer allerdings die Energiereserven lieber in Wärme verwandeln will, kann im Drift-Modus die Hinterreifen sich in Rauch auflösen lassen – was, zur Erinnerung, in der Schweiz durchs Band illegal und auf Rennstrecken oft nicht gern gesehen ist. Aber er kann das, der N. Einzig die Reichweite, die schon bei normalem Gebrauch mit etwas über 400 Kilometern bei besagter Batteriegrösse nicht berauschend ist, geht dann rapide in den Keller.

Der Hyundai Ioniq 5 N ist also ein verdammt guter Schauspieler, konzipiert und programmiert von Menschen, die genau wissen wie es sich anfühlt, mit einem signifikanten Volumenanteil Benzin im Blut durchs Leben zu gehen, pardon, zu fahren. Nicht umsonst haben sie als Ingenieure nirgendwo sonst als bei der Sportabteilung der Koreaner angeheuert. Dazu, dort zu arbeiten, wird gewiss niemand extra verdonnert. Die Frage stellt sich aber, ob sie mit dem Hyundai Ioniq 5 N nicht einen gewissen Verrat an der reinen (Verbrenner-)Autolehre begehen? An all jenen, die sich wie eine letzte Bastion gegen die kommende Flut der E-Autos stemmen oder die sich bereits jetzt in heroischer Pose mit wehenden Fahnen und vor brennenden Benzinfässern in einem elektrischen Blitzgewitter, quasi im Stromhagel, untergehen sehen? Tatsache ist, dass der Hyundai für überzeugte E-Auto-Gegner der böse Feind im eigenen Schlafzimmer ist. Während sie noch friedlich im Bett liegen und von Tourenzahlen, Schaltpunkten und Auspuffgeräuschen träumen, hat sich der Hyundai Ioniq 5 N wie der böse Wolf am Fussende in Position gebracht, um ihnen beim Aufwachen mit einem bösen Blick einen gehörigen Schrecken einzujagen. Pikant ist auch, dass er noch nicht mal mehr kostet als ein Verbrenner, der in 3.4 Sekunden von null auf hundert stürmen kann. Die Welt steht kopf. 

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Etwas Driften? Reibung, die Wärme erzeugt, gibts beim N hauptsächlich an den Reifen statt an den Bremsen, denn meistens rekuperiert er.

Fotos: Hyundai

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