Der MC20 war für Maserati der Wiedereinstieg in die Welt der Mittelmotorsportwagen. Trotz guter Kritiken konnte er nicht die erhofften Verkaufszahlen erzielen. Mit dem überarbeiteten MCPura werden die Karten noch einmal neu gemischt – vor allem, weil Maserati beim Facelift auf die Hybridisierung verzichtet hat.
Es ist eine Zwickmühle, in der Maserati da steckt. Einerseits hat die kriselnde Traditionsmarke zurzeit kaum das Budget für teure Neuentwicklungen. Andererseits bräuchte man die aber, um den schwachen Absatz anzukurbeln und Geld hereinzuholen.
Doch die Italiener wussten sich zu helfen und bewiesen beim MCPura Erfindungsreichtum. Weil man von einer kosten- und zeitintensiven Hybridisierung nur träumen konnte, machte man aus der Not kurzerhand eine Tugend und vermarktet den Mittelmotorsportwagen jetzt als reine Fahrmaschine, pur und ohne Elektronikgedöns.
Ganz schön clever, und mit dem Namenswechsel von MC20 auf MCPura wird das Ganze auch noch medial um einiges wirksamer.
Bei Maserati sieht man das naturgemäss etwas anders. «Der MCPura ist die Evolution des MC20. Der GT2 Stradale ist für Kunden, die etwas Extremes wollen. Beim MC20 schätzen sie die Alltagstauglichkeit, vor allem beim Antrieb. Deshalb beliessen wir das Auto technisch genau so, wie es war», erklärt uns Marco Medegari, Produktmanager von Maseratis Sportwagensparte.
So kann man es natürlich auch sehen.
Nur beim neuen Namen hat man es dann aber doch nicht ganz belassen. In Zusammenarbeit mit dem Rennwagenbauer Dallara wurde die Karosserie überarbeitet. Front- und Heckschürze sind nun etwas aggressiver gezeichnet und erinnern an den GT2 Stradale, optional gibt es neu auch einen Heckspoiler im Programm. Frische Felgen und Farben runden die Neuerungen ab.
Maserati MCPura: Individualität ist Trumpf
Man muss die Details schon erklärt bekommen, um den Neuen vom Alten zu unterscheiden. Schlimm? Nein, denn was der MCPura unverändert verströmt, ist Supercar-Flair: breit, flach und mit kurzen Überhängen. Die nach oben schwingenden Türen geben den Blick frei auf viel nacktes Carbon und einen grosszügiger als bisher mit Alcantara ausgekleideten Innenraum. Das sei sportlicher, leichter und haltbarer.
Durch das hauseigene Fuoriserie-Individualisierungsprogramm lässt sich das Cockpit ganz den eigenen Wünschen anpassen. «Etwa 80 Prozent der MC20- und MCPura-Kunden entscheiden sich für eine Lackierung oder Bezüge aus dem Fuoriserie-Programm», sagt uns Davide Baldini, verantwortlich für Fuoriserie. «Wir bieten sogar texturierte Lackierungen an, die sich anfühlen wie eine Steinoberfläche. Aber das empfehlen wir nur Kunden, die ihr Auto bei schönem Wetter oder zu Showzwecken nutzen.»
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Neue Schürzen, Farben und Alcantara, das wars? Nicht ganz. Der Fahrer greift nun in ein Lenkrad mit dem abgeflachten Kranz des GT2 Stradale. Beim Coupé gibt es optional ein Lenkrad mit integrierten LED-Schaltblitzen.
Das Infotainmentsystem wurde zudem um die Performanceanzeigen des GT2 Stradale erweitert. Jetzt kann man sich berechtigterweise fragen, warum Maserati für kosmetische Änderungen zum Fahrtermin geladen hat. Die Antwort ist einfach: Um mediale Präsenz zu bekommen (hat ja funktioniert, wie Sie lesen), und weil Maseratis Mittelmotorsportwagen das auch sowas von verdient hat.
Maserati MCPura: Fahren ohne Filter
Auf den engen, gewundenen Bergstrassen über der Küste von Livorno fühlt sich der MCPura zuhause. Die Umbenennung mag ein Marketingschachzug sein, aber der Name passt zugegebenermassen ziemlich gut. Es ist kein kompromissloser Hardcorerenner, mehr ein ehrlicher, erstaunlich nahbarer Sportwagen.
Im offenen Cielo lässt sich der kehlige, raue Sound des Twinturbo-V6 noch besser geniessen. Es ist kein drehfreudiger Geselle, der da hinter einem sein Werk verrichtet, aber ein ungemein druckvoller. 470 kW (630 PS) und 720 Nm Drehmoment sind mehr als genug, um den MCPura mit Schmackes von Kurve zu Kurve zu boosten, immer begleitet von herrlichem Ansaugschlürfen und Turbozischen.
Kein Elektromotor dämpft das Feeling, keine Batterie treibt das Gewicht nach oben – ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das der MCPura jetzt gegenüber der Konkurrenz von Ferrari 296 GTB, McLaren Artura und Lamborghini Temerario besitzt. Sie wollen keinen Elektromotor zu ihrem Mittelmotorsportwagen serviert? Dann gibt es in dieser Klasse eigentlich nur eine Option.
Beim Schalten unter Volllast kickt es wohlig in den Rücken. Auf Schaltbefehle reagiert das Getriebe zügig. Leider gibt es keinen echten manuellen Modus, bei Kickdown in der manuellen Gasse schaltet die Doppelkupplung eigenmächtig zurück.
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Dabei definiert sich der MCPura nicht ausschliesslich über die Motor-Getriebeeinheit. Seine Vorderachse ist ein Gedicht. Es lässt sich enorm viel Grip aufbauen und man weiss immer genau, was passiert.
Die Lenkung gibt viel Feedback von der Strasse und ist schön direkt, aber nicht nervös. Sie dürfte für unseren Geschmack etwas mehr Widerstand bieten, ebenso das Brems- und Gaspedal, aber das wars mit der Kritik.
Innenraum mit Schwächen
Also eine echte Alternative zur genannten Konkurrenz? Was das Erlebnis und die Fahrdynamik anbelangt auf jeden Fall. In einem Punkt hinkt der MCPura aber hinterher, und zwar beim leidigen Thema Qualität.
Ja, es gibt viel Alcantara, Leder, Metall und Carbon, und das meiste ist auch gut verarbeitet. Aber dann finden sich eben auch ein Lenkrad vom Alfa Romeo Tonale, Türtaster vom Fiat 500 und ein ebenfalls aus dem Fiatregal stammendes Infotainment.
Hinzu kommen ein paar Plastikteile, die in so einem Auto nichts zu suchen haben und nicht zum Luxusanspruch von Maserati passen. Besser als früher, aber noch nicht wie es sein sollte.
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Vielleicht stört das die Kundschaft aber auch einfach nicht in einem Auto, das man nicht jeden Tag fährt. Was man aber durchaus könnte, denn im GT-Modus (Gran Turismo) ist die Bezeichnung Programm. Derart viel Komfort seitens des Fahrwerks würde man von einem solchen Auto nicht erwarten.
Dank seiner Vorkammerzündung ist der V6 bei niedrigen Drehzahlen leiser als die Konkurrenz, und selbst die Rundumsicht ist ganz passabel. Okay, es gibt im ganzen Cockpit keine Ablagen, was man in den hinteren Kofferraum legt, wird unweigerlich gekocht, und die Sitze dürften im unteren Rückenbereich besser stützen.
Alles keine Punkte, die den gelegentlichen Wochenendausflug verunmöglichen würden.
Ja, zum Facelift ist praktisch nichts passiert. Doch im Grunde geht es beim MCPura gar nicht so sehr um die Neuerungen. Sondern darum, dass Maserati trotz seiner aktuellen Lage noch einen Mittelmotorsportwagen baut und ihn nicht wegen zu geringer Absatzzahlen einstampft.
Dass sie das Geld nicht in ein paar PS mehr, sondern dort hineingesteckt haben, wo es dringender gebraucht wird, ist verständlich. Vermutlich wird das Facelift selbst nicht dazu beitragen, dass die Kunden den MCPura jetzt in Scharen kaufen. Aber vielleicht der Fakt, dass er eben einer der wenigen Sportwagen seiner Klasse ist, den man zuhause nicht einstecken muss.
Der MCPura ist ein Aushängeschild und deshalb so wichtig für die Marke: Bei weitem nicht perfekt, aber Maserati pur. Kauft ihn, Leute, es geht ums Überleben.