Mercedes-AMG GT – Germany’s Next Topmodel

Tristano Gallace | 16.11.2023

Sportwagen Die Performanceschmiede AMG präsentiert mit der zweiten Generation des AMG GT die Spitze 
ihres Modellportfolios. Sie soll schlichtweg alles können.

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Die deutsche Sportwagenkrone trägt entweder zwei Buchstaben oder drei Ziffern und kommt aus der Region um Stuttgart. 20 Kilometer trennen Affalterbach von Zuffenhausen, auf der Nordschleife sind sie vier Sekunden voneinander entfernt. Nun möchte AMG seinen Kunden eine Fahrmaschine für Montag bis Sonntag geben. Der Hersteller bewirbt den hohen Nutzwert des AMG GT mit «Luxury Performance» – weniger Rennstrecke, mehr Alltagsgebrauch.

Stets gut aussehend

Der neue AMG GT 63 ist keine profane Evolution seines Vorgängers, sondern basiert, mit Ausnahme des Fahrwerks, auf derselben Plattform, die auch der neue Mercedes-Benz SL nutzt. Diese Plattform durften die Entwickler ohne schlechtes Gewissen kopieren, denn schliesslich wurde das Cabrio vom AMG-Team konzipiert und entwickelt. Äusserlich lässt sich dies am Profil der kürzeren Fronthaube und der leicht voluminöseren Fahrgastzelle feststellen. Die Front weist LED-Lampen mit neuer Lichtsignatur auf, unterhalb des Stossfängers versteckt sich der vordere Teil der aktiven Aerodynamikelemente. Das Heck wirkt insgesamt bulliger und setzt sich mit der geschwungenen Form im unteren Bereich deutlich von dem seines Vorgängers ab. Die schwarz umrandeten und miteinander verbundenen Rückleuchten verleihen dem Heck ein aggressives Auftreten.

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Das Interieur wurde vom Mercedes-Benz SL übernommen.

Im Inneren bediente sich AMG komplett beim SL. Vom Lenkrad über den Touchscreen im Hochformat bis hin zu den Schaltern wurde alles übernommen. Eine der grössten Neuerungen des neuen AMG GT verbirgt sich hinter den Vordersitzen, denn optional kann das Fahrzeug jetzt als 2+2-Sitzer konfiguriert werden. Die beiden Extrasitze wurden aber lediglich für Insassen mit einer Körpergrösse von bis zu 150 Zentimetern homologiert, was eher der kommenden Generation AMG-Kunden entspricht. Dennoch steigern sie den Alltagsnutzwert des AMG GT erheblich, da sich nur mit dieser Konfiguration die Rückbank umlegen lässt. Auf diese Weise wächst das Ladevolumen auf nahezu 700 Liter.

Dynamisch auf dem Laufsteg

Nach dem Drücken des Startknopfs betört der AMG GT mit V8-Bollern: 585 PS und 800 Nm sind nun wach. Im Modus Comfort und bei sanftem Gasfuss rollt das Fahrzeug komfortabel ab und geht bei Stadttempo in unaufgeregtes Gleiten über, selbst im fünften Gang bei 50 km/h zeigt es keine Spur von Anstrengung. Fahrbahnunebenheiten werden vom Fahrwerk nur gefiltert weitergegeben. Und die Passanten quittieren die Motorenkulisse mit erhobenen Daumen und anerkennendem Kopfnicken.

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Das Heck sieht nicht nur hübsch aus, es bietet sogar einen brauchbaren Kofferraum.

Mit der Stadt im Rückspiegel führt der Weg über die Autobahn. Der AMG GT verheimlicht seine DNA nicht. Die direkte Lenkung gefällt, das Fahrwerk informiert über den Fahrbahnuntergrund, und auch Spurwechsel erfolgen bei diesem hohen Tempo sehr stabil. Nach einigen Kilometern führt die Route ins spanische Hinterland, Warm-up im Modus Sport. Wir justieren den Sitz nach, und treiben den AMG GT mit mehr Beinarbeit und flüssigen Bewegungen am Volant voran. Kurve um Kurve schneidet die Lenkung rasiermesserscharf der Fahrbahnbegrenzung entlang. Der Berggipfel kommt immer näher, es wird Zeit für den Modus Sport Plus, der AMG GT macht Ernst. Jede noch so kleine Lenkradbewegung wird direkt an die Räder weitergegeben. Die Front klebt auf dem Asphalt, das Heck zeigt den Hüftschwung eines Topmodels. Der GT fordert seinen Piloten, ohne ihn ­jedoch zu überfordern. Das Fahrzeug scheint mühelos zu folgen, jede noch so wilde Fahrervorgabe übersetzt es in eine Kurvenlinie mit maximaler Traktion und Querbeschleunigung. Bremseinsätze bis tief in die Kurve hinein scheinen den AMG GT ebenso wenig zu beeindrucken wie rasche Linienkorrekturen, Lastwechselprovokationen oder Kurvenausgänge unter Volllast, er erledigt alles ohne merkliche Wankbewegung mit maximaler Traktion.

Bei dieser Form der Fortbewegung sind Pausen sehr zu empfehlen, hohe Tempi und Beschleunigungen erfordern einen wachen Piloten. Aber der AMG GT ist noch lange nicht am Limit. Ganz von der Leine gelassen wird der AMG GT über den Race-Modus, was auf öffentlichen Strassen aber eher weniger zu empfehlen ist. Wer hingegen schon auf abgesperrtem Gelände steht, kann mit dem Drift-Modus die gesamte Leistung an die Hinterräder senden und den Blick in Fahrtrichtung durch die Seitenscheibe geniessen.

Einen Blick hinter die Maske

Wie gelingt dem AMG GT dieser Spagat in der Fahrcharakteristik? Durch die Summe und das Zusammenspiel der eingesetzten Technik. Da wären die Fahrmodi, die noch präziser abgestimmt sind, oder auch die aktiven Aerodynamikelemente. Das neuentwickelte Airpanel fährt fahrmodus- und geschwindigkeitsabhängig nach unten und kanalisiert den Luftstrom, was einen Unterdruck erzeugt und die Front an den Asphalt heransaugt. Der verstellbare Heckflügel bildet zusammen mit dem Diffusor den hinteren Teil dieses Aerodynamiksystems.

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Für Vortrieb im Topmodell GT 63 sorgt ein 585 PS starker V8, der später folgende GT 55 hat rund 100 PS und 100 Nm weniger.

Darüber hinaus wurde dem Fahrzeug ein Allradantrieb spendiert. Zusammen mit dem neuen Hinterachs-Sperrdifferenzial und der vollvariablen Kraftverteilung an Vorder- und Hinterachse verfügt der AMG GT dadurch jederzeit über optimale Traktion. Zum Allradantrieb kommt neu noch die Allradlenkung dazu. Bis zu einem Tempo von 100 km/h wird gegengelenkt, ab 100 km/h hingegen mitgelenkt, was Agilität und bei hohen Geschwindigkeiten die Spurstabilität erhöht. Zum Zugewinn an Fahrdynamik trägt auch die AMG-Ride-Control mit hydraulischer Wankstabilisierung bei. Sie steuert die Dämpferkammern an allen vier Rädern an und sorgt dafür, dass Wankbewegungen auf ein Minimum reduziert werden. Dadurch mindern sich bei Kurvenfahrt Sturzverluste, was wiederum dem Einlenkverhalten zugutekommt.

Einen gravierenden Nachteil jedoch hat dieses Technikarsenal. Mit einem Leergewicht von 1970 Kilogramm ist der neue AMG GT satte 350 Kilogramm schwerer als sein Vorgänger und Mitbewerber. Hätten wir allerdings keinen Blick in die technischen Daten geworfen, wären wir nicht auf die Idee gekommen, dass dieser agile AMG GT zwei Tonnen wiegen könnte.

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Der elektronisch ausfahrbare Heckspoiler ist eines von vielen Technikgimmicks. Sie treiben allerdings das Leergewicht auf fast zwei Tonnen.

Fotos: Mercedes-Benz

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