Porsche Panamera Turbo E-Hybrid – Keine falsche Bewegung
Ramon Egger | 07.12.2023
Aktiv In der dritten Generation erhält der Panamera noch einmal einen V8, mehr Elektrifizierung und vor allem ein neues Fahrwerk.
Noch leicht getarnt, aber technisch bereits im Serientrimm: der neue Porsche Panamera.
"Wir wollen noch einmal einen V8!» Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, die sich in dieser Aussage von Thomas Friemuth verbirgt. Friemuth ist Baureihenleiter des Porsche Panamera und kündigt mit diesen Worten die neue Motorisierung für die dritte Generation der erfolgreichen Limousine an. Dass Porsche für die Neuauflage noch einmal auf einen V8 setzt und sich nicht mit stark elektrifizierten sechs oder sogar vier Zylindern zufrieden gibt – eine Sitte, die bei der benachbarten Premiumkonkurrenz Einzug gehalten hat –, ist ein starkes Zeichen für den Verbrennungsmotor. Gleichzeitig lässt sich aber der abschliessende Unterton in der Aussage nicht überhören.
Es dürfte wohl das letzte Mal gewesen sein, dass Porsche diesen Achtzylinder nochmals weiterentwickelt hat. Auf den Taycan wird schon in Kürze der vollelektrische Macan folgen, bald darauf wird dann auch die Sportwagenbaureihe 718 mit Cayman und Boxster auf Elektroantrieb umgestellt. Dass in nicht so ferner Zukunft noch ein weiteres elektrisches SUV oberhalb des Cayenne hinzukommen soll, ist inzwischen auch klar. Die Weichen sind also gestellt in Richtung Elektrifizierung, auch beim Sportwagenbauer aus Zuffenhausen (D). Ganz ohne Strom geht es aber auch in der Limousine Panamera nicht mehr. Wie gewohnt wird bei den leistungsstärksten Varianten der V8 durch einen Elektroantrieb unterstützt.
Neben einer leicht überarbeiteten Optik fällt vor allem die Front mit dem zweigeteilten Kühlergrill auf.
Zum Marktstart stehen zwei Motorisierungen zur
Verfügung. Die Basisvariante bildet der 2.9-Liter-V6, der dank
Biturboaufladung auf 260 kW (353 PS) und 500 Nm kommt. Neues Topmodell
ist – vorerst – der Panamera Turbo E-Hybrid. Dieser kombiniert besagten
Biturbo-V8 mit vier Litern Hubraum mit einer Elektromaschine. Gemeinsam
leisten die beiden Herzen 500 kW (680 PS) und liefern ein Drehmoment von
930 Nm. Damit sprintet der Allradler in 3.2 Sekunden aus dem Stand auf
Tempo 100, also gleich schnell wie der bisherige Turbo S E-Hybrid,
dessen Antriebsstrang aber noch 20 PS mehr abdrückte.
Aktives Fahrwerk
Ein wichtiger Faktor für die bessere Beschleunigung ist
der erstarkte Elektromotor. Dieser alleine leistet nun bereits 140 kW
(190 PS). Sein Drehmoment von bis zu 450 Nm kann er direkt aus dem Stand
entfalten, was für einen starken Antritt sorgt. Die E-Maschine ist in
das Gehäuse des ebenfalls neu entwickelten
Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes integriert und sitzt zwischen
Kurbelwelle und Kupplungspaket. Dort ist sie direkt in den Ölkreislauf
des Getriebes eingebaut, was für bessere Kühlung und damit höhere
Dauerleistung sorgen soll, wie Baureihenleiter Friemuth erklärt. Die
Batterie des Plug-in-Hybrids sitzt weiterhin unter dem Kofferraum, wurde
aber auf eine Kapazität von 25.9 kWh vergrössert. Damit sollen
Reichweiten von bis zu 91 Kilometern nach WLTP-Stadtzyklus möglich sein –
eine deutliche Steigerung gegenüber den 53 Kilometern des
Vorgängermodells.
Das Interieur des Panamera orientiert sich an Taycan und Cayenne.
Während der V8-Biturbo mit einigen Neuerungen wie auf
350 bar erhöhtem Einspritzdruck und technischen Verbesserungen im
Ventiltrieb aufwartet, hat sich bei der Einstiegsmotorisierung wenig
geändert – ausser dass die Leistung noch einmal erhöht wurde. So leistet
der Biturbo-V6 jetzt nicht mehr 243 kW (330 PS), sondern 260 kW
(353 PS). Auch das Drehmoment hat um mehr als zehn Prozent auf neu
500 Nm zugelegt. Die Beschleunigung auf 100 km/h gelingt laut Werk in
4.8 Sekunden.
Nicht nur Detailverbesserung hat Porsche beim Fahrwerk
betrieben. Zusätzlich zur bekannten adaptiven Luftfederung bietet
Porsche den neu entwickelten Active Ride an. Dieser kann nicht nur die
Dämpferhärte verstellen, sondern auch aktiv Kraft auf die Dämpferstange
ausüben. Von der Wirkung erinnert das an das Fahrwerk, das Ferrari im
Purosangue einsetzt, die Funktionsweise aber ist eine andere. Während
bei Ferrari ein am Federbein montierter Elektromotor eine Kraft auf die
Dämpferstange ausübt, setzt Porsche auf ein komplett hydraulisches
System.
Überentwickelt?
Porsche sieht verschiedene Vorteile in der
hydraulischen Lösung. So sei diese reaktionsschneller und könne mehr
Kraft ausüben als ein rein elektrisches System – bis zu 10 000 Newton
pro Rad. Ein weiterer Vorteil sei ausserdem die ungefederte Masse: Da
der Dämpfer praktisch gleich aufgebaut ist wie bei einem herkömmlichen
Luftfederbein, wird dieses kaum schwerer als bei einer nicht aktiven
Aufhängung. Das Funktionsprinzip ist dem einer hydraulischen
Servolenkung ganz ähnlich. So sind an jedem Dämpfer zwei Ölleitungen
angeschlossen, die jeweils mit einer Pumpe verbunden sind. Diese kann
den Öldruck variieren und damit die Dämpferstange ein- oder ausfahren –
das Rad federt entweder ein oder aus.
Neu sind die Zentralmuttern
an den Rädern und die Farbe Turbonit, die bei den Turbomodellen das Gold ersetzt.
Das System soll so schnell ansprechen, dass auch
Störungen durch gröbere Fahrbahnunebenheiten ausgeglichen werden können.
Normalerweise dient es aber dazu, die Fahrdynamik zu verbessern, unter
anderem durch eine Verteilung der Radlast während Kurvenfahrten, sodass
mehr Seitenkräfte am Reifen übertragen werden können, oder durch eine
Absenkung des Fahrzeugschwerpunktes um bis zu 30 Millimeter. Dazu kommen
aktivierbare Komfortfunktionen wie das Anheben des Fahrzeugs beim Ein-
und Aussteigen um bis zu 55 Millimeter oder das Ausgleichen von
Karosseriebewegungen während der Fahrt. So werden Nick- und
Wankbewegungen aktiv kompensiert.
In einer ersten Probefahrt mit dem noch verhüllten
Panamera Turbo E-Hybrid macht sich denn dieses aktive Eingreifen des
Fahrwerks auch besonders bemerkbar. Bei Kurvenfahrten neigt sich die
Karosserie zur Kurveninnenseite, um unangenehme Fliehkräfte auf den
Fahrer auszugleichen. Noch beeindruckender ist das Verhalten während des
Beschleunigens: Werden 930 Newtonmeter unvermittelt auf den Asphalt
losgelassen, erwartet man üblicherweise ein Anheben der Front. Aber das
Gegenteil ist der Fall, die Vorderachse senkt sich ab, das Gefühl des
In-den-Sitz-gedrückt-werdens wird spürbar verringert.
Gewöhnungsbedürftig ist das Gegenstück dazu: Dass bei einer Vollbremsung
die Front nicht eintaucht, sondern sich anhebt, mag zwar theoretisch
aus Sicht der verschiedenen auf den Körper wirkenden Kräfte Sinn machen,
man könnte es aber auch als typisch deutsches Over-Engineering
bezeichnen. Gerade beim sportlichen Fahren benötigt es sehr viel
Eingewöhnung, das Bremspedal korrekt zu dosieren, wenn sich die
Karosserie entgegen der Intuition des Fahrers bewegt.
Das Fahrwerk kann die Karosseriebewegungen aktiv steuern. An jedem Rad bestimmt eine eigene Hydraulikpumpe den Druck im Dämpfer.
Die dritte Generation des Porsche Panamera ist ab sofort bestellbar. Neben einer leicht überarbeiteten Optik fallen vor allem die Front mit dem zweigeteilten Kühlergrill sowie die optionalen Zentralmuttern an den Rädern auf. Auch führt Porsche mit dem Panamera eine neue Farbgebung für alle Turbo-Modelle ein. Anstelle der goldenen Elemente, beispielsweise im Logo, dominiert nun ein seidenmatter Grauton namens Turbonit. Die Preise für den Panamera 4 beginnen bei 136 100 Franken, für den Turbo E-Hybrid bei deutlich mehr: 234 900 Franken.