Ford F-150 Lightning - Ein grosses Stück USA

Olivier Derard | 25.01.2024

Elektro-Pick-up Die Elektrifizierung hat durchaus 
ihre guten Seiten. Das meistverkaufte Fahrzeug in den USA, 
der Ford F-150, kommt dank ihr in die Schweiz.

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Die Schweizer Version des F-150 ist am kleinen Bullenfänger vor dem vorderen Stossfänger zu erkennen.

Seit mehr als 40 Jahren ist der Ford F-150 der US-amerikanische Auto-Bestseller. Der legendäre Pick-up steht für den American Way of Drive und dient als Arbeitstier und Freizeitfahrzeug. Seit Ende letzten Jahres findet man den F-150 auch in den Showrooms von Ford Schweiz. Das ist recht exklusiv für den europäischen Kontinent, denn ausserhalb der Eidgenossenschaft wird der F-150 nur auf dem norwegischen Markt angeboten. Natürlich wird nicht die Verbrennerversion des Pick-ups importiert. «Diese hätte mit ihren grossen Motoren den durchschnittlichen CO2-Ausstoss viel zu sehr verschlechtert», erklärt der Importeur. Die elektrische Variante mit der Bezeichnung Lightning hingegen senkt die Durchschnittsemissionen.

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Die Ladefläche verfügt über eine ausklappbare Treppenstufe, die in der Heckklappe verborgen ist. Lichtbänder an der Vorder- und Rückseite.

Die in der Schweiz verkauften Ford F-150 Lightning sind «Made in USA» und werden in Dear­born, dem Hauptquartier der Marke, montiert. Die für den europäischen Markt bestimmten Exemplare unterscheiden sich von ihren amerikanischen Kollegen durch eine ganze Reihe technischer Anpassungen. Diese Modifikationen werden nicht in den USA, sondern in Deutschland vorgenommen. Nach der Überquerung des Atlantiks werden die Pick-ups ins Electric Vehicle-Center von Ford in Köln geschickt, wo sie auf einer kleinen Produktionslinie einer regelrechten Operation unterzogen werden, wie Olivier Haeberlin, technischer Berater der Ford Motor Company, weiss. Der Schnellladeanschluss für die Hochspannungsbatterie wird entfernt. Da der Basis-F-150 logischerweise mit einem nordamerikanischen Stecker ausgestattet ist, baut Ford die europäische CCS-Buchse ein. Das AC-Ladegerät wird ebenfalls angepasst. In Amerika beträgt die Haushaltsspannung 110 Volt, während sie sich auf dem Alten Kontinent auf 230 Volt beläuft.

Bidirektionales Laden

Aus demselben Grund wurden auch alle Steckdosen geändert, die der F-150 auf der Ladefläche und im Fahrgastraum bietet – und das sind fast ein Dutzend. Der F-150 kann bidirektional laden, er versorgt also elektrische Geräte wie Computer, Baumaschinen oder sogar ein anderes Elektrofahrzeug mit einer Leistung von bis zu 2.3 Kilowatt. Das wird Unternehmern gefallen, die Zielgruppe für diese Art von Fahrzeugen sind. Auch die Blinker wurden überarbeitet. Nicht nur das Steuermodul und die Glühbirnen sind auf europäische Vorschriften ausgelegt, sondern auch die gesamte Verkabelung. «Das bedeutet, dass die Kabel bis in die Rückspiegel verlegt werden müssen», erklärt Haeberlin. Und ergänzt: «Das Radio wird für den Empfang von DAB angepasst, und das erfordert auch eine neue Antenne.» Ausserdem werden die europäischen Sprachdateien auf das Infotainmentsystem heruntergeladen.

Sichtbar sind all diese Änderungen nicht. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, die europäische Variante des F-150 zu erkennen: am kleinen Frontschutzbügel. «Dieses Element ist ein exklusives Zubehör des Schweizer Fahrzeugs und dient der Sicherheit von Fussgängern», betont Haeberlin. Ansonsten ist alles mit der in den USA vertriebenen Version mit Standard-Range-Batterie identisch. Das heisst, das Auto verfügt über zwei permanentmagnetische Elektromotoren, einen pro Achse. Sie sind quer eingebaut und bieten eine kombinierte Leistung von 337 kW (458 PS). Das ist ­viel, aber der beeindruckendste Wert ist wohl das Drehmoment von 1050 Newtonmetern. Damit lassen sich mühelos 3.5 Tonnen Anhängelast ziehen. Der Pick-up hat jedoch nur eine begrenzt nutzbare Pritsche. Da er leer bereits 2900 Kilogramm wiegt, kann er inklusive Fahrer nur 600 Kilogramm mitnehmen. In Europa ist das Gewicht von Personenwagen auf 3500 Kilogramm begrenzt. Technisch wäre das Fahrzeug in der Lage, 1000 Kilogramm Nutzlast zu transportieren, die in den USA zulässig sind.

Lange Ladezeiten für die Batterie

Das hohe Gewicht des F-150 ist unter anderem auf die grosse Lithium-Ionen-Batterie (Nickel-, Mangan- und Kobaltzellen) zurückzuführen, deren Bruttokapazität 98 kWh beträgt. Die Nutzkapazität liegt bei 91 kWh. Die in den USA erhältliche 131-kWh-Batterie wurde nicht in den Schweizer Katalog aufgenommen, da sie die Nutzlast noch einmal erheblich reduziert hätte. Die angebotene Batterie ermöglicht dem Pick-up dennoch eine Reichweite von bis zu 429 Kilometern im kombinierten WLTP-Zyklus. Da die maximale Ladeleistung der Akkus 150 kW beträgt, dauert es 39 Minuten, bis die Batterie von 15 auf 80 Prozent aufgeladen ist, was nicht richtig schnell ist.

Nach europäischen Massstäben ist der 6.29 Meter lange, 2.06 Meter breite und zwei Meter hohe Pick-up riesig. Und das ist vielleicht sein grösstes Problem: Der F-150, der für ein Land konzipiert wurde, in dem alles riesig ist, hat Schwierigkeiten, sich auf den kurvigen Strassen rund um den Vierwaldstättersee zu bewegen. Dort stand der F-150 für eine erste Ausfahrt auf Schweizer Strassen bereit. Dennoch ist er sehr angenehm zu fahren. Natürlich ist er sehr schwer, was sich in den Kurven bemerkbar macht, aber die aktive Federung sorgt dafür, dass das Übergewicht zumindest teilweise weggefedert wird. Die Leistung reicht völlig aus, zumal das Drehmoment, wie bereits erwähnt, astronomisch hoch ist. Bei Kurvenfahrten sollte der Fuss nicht zu stark auf dem rechten Pedal stehen. Wenn der Sport-Modus aktiviert ist – die anderen Profile sind Normal, Offroad und Traction – entwickelt das Heck unvermittelt und ohne Vorwarnung selbst bei eingeschaltetem ESP ein Eigenleben, das den Fahrer herausfordert. Daher ist Vorsicht geboten.

Hochwertige Materialien

So gut die Fahreigenschaften insgesamt auch sein mögen, sie können mit den Qualitäten des Innenraums nicht ganz mithalten. Vor allem dessen Geräumigkeit ist beeindruckend. Die Vordersitze sind breit, die Kopffreiheit ist mehr als ausreichend. Auf den Rücksitzen haben die Insassen ausreichend Kniefreiheit. Die Rücksitzbank kann hochgeklappt werden, um grosse Gegenstände einzuladen, ähnlich wie die Magic Seats von Honda. Das Ambiente erinnert eher an einen Personenwagen als an ein Nutzfahrzeug, auch wenn die verwendeten Materialien nicht aus der Premiumklasse stammen. Dennoch ist das Kunstleder geschäumt, die Hartkunststoffe sind von guter Qualität und die Verarbeitung ist ausgezeichnet.

Auch die praktischen Aspekte kommen mit einem doppelten Handschuhfach, Ablagen überall, vier grossen Griffen zum Festhalten und einem ausklappbaren Tablet unter der vorderen Armlehne nicht zu kurz. In Sachen Technologie hat der Pick-up ebenfalls einiges zu bieten: ein 15.5 Zoll grosses Infotainmentsystem mit Apple Carplay und Android Auto, eine 360-Grad-Kamera und ein B-&-O-Soundsystem mit acht Lautsprechern und einem Subwoofer. Ein grosser Vorteil des F-150 mit Elektroantrieb ist sein 400 Liter fassender Frunk unter der Motorhaube, in dem sich Ladegut trocken transportieren lässt. Die Pritsche verfügt über eine ausfahrbare Treppe, die in der Heckklappe versteckt ist. 127 000 Schweizer Franken stellt Ford für die Erfüllung des amerikanischen Traums in Rechnung, inklusive Mehrwertsteuer. Das ist sehr viel, denn die Lariat-Ausführung des Lightning, auf der die Launch-Edition für die Schweiz basiert, kostet in den USA 69 995 Dollar ohne Mehrwertsteuer, was nach aktuellem Wechselkurs 60 500 Franken entspricht. Bei uns ist er also gut doppelt so teuer. Allerdings muss man die Transportkosten und Zölle, die zahlreichen Umbauten in Köln und auch den eher kleinen Schweizer Markt berücksichtigen. All das bringt de facto eine geringere Rentabilität für Ford Schweiz mit sich. In den USA hat die Firma mit dem blauen Oval bereits über 200 000 Exemplare des Lightning verkauft. In der Schweiz dürften die Verkäufe marginal bleiben, da von der Launch-Edition nur etwa 100 Exemplare hergestellt werden, die alle in Antimatter Blue Metallic lackiert sind. 

Fotos: Ford

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