Toyota GR Yaris - Wertungsprüfung

Olivier Derard | 11.07.2024

Rallyeauto Der GR Yaris ist wohl das Strassenauto, das ­einem Rallyewagen am nächsten kommt und sich auf den Verbindungsstrecken ebenso wohl fühlt wie auf den Wertungsprüfungen.

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Bei seiner Einführung im Jahr 2020 wurde der Toyota GR Yaris von den Kritikern hoch gelobt. In der Schweiz kauften sich zwischen Ende 2020 und Ende vergangenen Jahres 1782 Kunden einen der Sport-Yaris, in Europa waren es über 20 000, weltweit 48 000, und die Kundenzufriedenheit lag bei 99 Prozent. Nach diesem kommerziellen Erfolg hätten die Ingenieure der japanischen Firma es dabei belassen und sich auf ihren Lorbeeren ausruhen können. Und um ehrlich zu sein, hätten sie das auch mehr als verdient. Aber wer Toyota kennt, weiss: Das ist nicht ihr Stil. Der japanische Autobauer verfolgt eine Politik der ständigen Verbesserung und hat grosse Anstrengungen unternommen, um den GR Yaris noch besser zu machen. Um dies zu erreichen, hat Toyota seinen Kompaktsportwagen sogar in der japanische Rallye- und Ausdauermeisterschaft antreten lassen.

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Doch damit nicht genug, das Auto wurde auch vom Chef richtig hart rangenommen: Als der Toyota-Verwaltungsratspräsident Akio Toyoda und der neunmalige japanische Rallyemeister Norihiko Katsuta auf einer Teststrecke des neuen Toyota Technical Center Shimoyama fuhren, überschlug sich einer der GR-Yaris-Testwagen, nachdem er mit geringer Geschwindigkeit auf einen Kieselsteinhügel aufgeprallt war. Glücklicherweise kamen beide Herren unverletzt davon. Anstatt das beschädigte Auto zu verstecken oder es reparieren zu lassen, entschied sich Akio Toyoda dafür, es bei der Eröffnung des Zentrums öffentlich auszustellen. Damit wollte er beweisen, dass Toyota Autos bis zum Äussersten testet!

Optimierter Motor

Aus diesen verschiedenen Einsätzen und dem kleinen Missgeschick ist der GR Yaris stärker hervorgegangen. Die Auslassventile wurden durch die Verwendung eines neuen Materials robuster, und der Einspritzdruck des Kraftstoffs wurde erhöht. Ausserdem wurden neue, leichtere Kolben und verschleissfestere Kolbenringe verbaut. Das Ergebnis: Als der GR Yaris vor vier Jahren auf den Markt kam, hatte er einen der stärksten Dreizylindermotoren der Welt. Jetzt hat er noch einmal mehr zu bieten. Die Leistung steigt um 14 kW auf 206 kW (280 PS), und das Drehmoment wird um 30 Nm auf 390 Nm erhöht. Der neue GR Yaris verfügt ausserdem über einen zusätzlichen Kühler hinter dem modifizierten vorderen Stossfänger und eine Wasseraufspritzung am Ladeluftkühler. Eine weitere Neuerung, die das Facelift mit sich bringt, ist natürlich das Achtgang-Automatikgetriebe, eine Option, die es zuvor noch nicht gab. Das von Aisin, einem der Zulieferer des Toyota-Konzerns, entwickelte Getriebe verfügt über eine spezielle Drehmomentsteuerung und eine kompakte lineare Magnetspule, die Toyota als «mit hohem Ansprechverhalten» beschreibt – dazu später mehr.

Das Sechsgang-Schaltgetriebe wurde ebenfalls optimiert, insbesondere die Kupplung mit einem neuen Zweimassenschwungrad. Auch das Fahrwerk wurde verbessert, indem die Steifigkeit durch zusätzliche Schweisspunkte laut Toyota um 13  Prozent und zusätzliche Strukturklebstoffe um 24  Prozent erhöht wurde. Äusserlich wurde die Karosserie, die nach wie vor nichts mit dem Standard-Yaris zu tun hat (nur Scheinwerfer, Spiegel und Dachantenne wurden beibehalten), einer Reihe von Optimierungen unterzogen. Dies gilt insbesondere für die Frontpartie, wo der untere Kühlergrill ein neues Stahlgitter erhält. Der seitliche Grill hat eine grössere Öffnung bekommen, und der untere Stossfänger besteht nun aus zwei Teilen, was seine Reparatur und seinen Austausch einfacher und kostengünstiger macht. Das ist aber noch nicht alles. Hinten sorgt eine Öffnung in der unteren Kante des Stossfängers dafür, dass die Luft leichter wegströmen kann. Ansonsten bleibt der Yaris unverändert, das Dach ­besteht immer noch teilweise aus Karbon, die Motorhaube und die Türen sind weiterhin aus Aluminium gefertigt. Das Fahrwerk – MacPherson-Federbeine vorne und Doppelquerlenker hinten – wurde ebenfalls beibehalten, aber Toyota hat zusätzliche Bolzen eingebaut, um die vorderen Stossdämpfer zu stabilisieren.

Ein echtes Armaturenbrett

Vom Basismodell des Yaris war schon in der ersten Version nicht mehr viel übrig. Diese zweite Variante geht noch einen Schritt weiter, das gesamte Armaturenbrett ist überarbeitet. Inspiriert von den einfachen Armaturenbrettern der Rallyeautos der 1980er-Jahre und auf Anregung verschiedener Rennfahrer haben die Designer ein neues Cockpit entworfen, das dem Fahrer klarere Bedienelemente und eine bessere Übersichtlichkeit und Handhabung bietet. So befinden sich häufig genutzte Zubehörteile nun in Reichweite des Fahrers, da das Armaturenbrett einen Bogen um ihn herum bildet. Ja, das ist ziemlich genial. Was allerdings weniger toll ist, das ist der Ersatz der analogen Uhren durch ein digitales 12.3-Zoll-Kombiinstrument. Echte Armaturen mit Zeigern passten viel besser zu einem kleinen Sportwagen. Schön ist, dass der Monitor in zwei Modi konfiguriert werden kann, Normal und Sport, wobei Letzterer ­eine leistungsorientierte Datenanzeige bietet.

Die Sitze wurden um 25 Millimeter abgesenkt, und das manuelle Getriebe ist genauso kurz abgestuft, wie das Kupplungspedal hart ist – der Autor dieser Zeilen hat zwei Mal den Motor abgewürgt. Auf diese Weise taucht man gleich zu Beginn in die Welt des Motorsports ein. Beim Herunterschalten bleibt das automatische Zwischengasgeben beim Herunterschalten (Rev Matching) bestehen, kann aber auch deaktiviert werden – das ist gut so. Die unveränderte Pedalerie macht die Spitze-Hacke-Technik jedoch nicht einfacher. Das Automatikgetriebe schaltet problemlos und schnell. Das gilt vor allem für das Hochschalten, hingegen zögert es beim Herunterschalten manchmal etwas, sofort vom dritten in den zweiten Gang zu wechseln. Dennoch sorgt diese Einheit mit ihren zwei zusätzlichen Gängen für eine deutlich angenehmere Geräuschkulisse auf der Autobahn, weil die Motordrehzahl gesenkt wird. Der GR Yaris kann in 5.2 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und dann auf maximal 230 km/h weiterrennen – und das auf sehr beeindruckende Art und Weise. Der Motor hat unter 3000 U/min noch eine leichte Flaute und dreht erst danach richtig auf, bis er bei 7200 U/min den Schalter umlegt. Die Traktion, die durch eine variable Drehmomentverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse von 100:0 (nur Frontantrieb) bis 0:100 (nur Hinterradantrieb) gewährleistet wird, ist hervorragend und wird durch zwei Torsen-Sperrdifferenziale unterstützt, welche die Verteilung zwischen dem linken und dem rechten Rad regeln. Und wenn die Kurve dann kommt, sind die Bremsen bissig und ausdauernd.

Echte Freude hinter dem Lenkrad

Doch so leistungsstark der kleine Japaner auch ist, das ist bei Weitem nicht seine grösste Stärke. Nein, sein grösster Pluspunkt ist das Fahrvergnügen, das er seinem Fahrer bereitet. Auf der Strasse ist der GR Yaris einfach ein wahrer Genuss. Klein und leicht (er wiegt nur 1280 Kilogramm) ist er ein Garant für echtes, unverfälschtes Fahrvergnügen. Dank des ausgezeichneten Lenkgefühls und des spielerischen Temperaments der Hinterachse verbreitet er Emotionen, die in der heutigen Automobilwelt, die mehr und mehr von schwerfälligen SUV in Beschlag genommen wird, immer seltener werden. Vor allem ist das Fahrwerk nicht zu hart abgestimmt, sodass es die kleinen Bergstrassen, wie sie für Rallyeprüfungen typisch sind, gut bewältigen kann. Und wenn sich das Tempo einmal verlangsamt, wie auf den Verbindungsstrecken dazwischen, geniesst man den Komfort umso mehr. Also, finales Urteil: Ist der neue GR Yaris noch besser geworden? Ja, ist er! Und das trotz seines Preises, der ganz schön nach oben geklettert ist. Der alte GR Yaris kostete immerhin bereits 40 900 Franken, der neue, der immer noch im japanischen Werk Motomachi zusammengebaut wird, kostet satte 47 300 Franken oder 49 900 Franken in der Automatikversion. 

Wasserstoff in Sicht?

Nach der Einführung des Wasserstoffverbrennungsmotors in Le Mans (F) im Jahr 2027 (s. Seite 18) könnte er auch unter der Motorhaube eines Serienfahrzeugs zum Einsatz kommen. Daran erinnerte Toyota bei der Vorstellung des neuen GR Yaris und brachte auch gleich einen Prototyp mit, der diese Technologie bereits nutzt. Das Showcar wurde von Toyota Gazoo Racing in Deutschland entwickelt, einem Unternehmen, das an der Langstrecken-Weltmeisterschaft teilnimmt. Das Fahrzeug, das bei der Testfahrt noch nicht dynamisch vorgeführt wurde, hat zwar grosse Wasserstofftanks anstelle der Rückbank, aber unter der Motorhaube hat sich kaum etwas geändert. Es bleibt abzuwarten, ob die nächste Generation des GR Yaris einen solchen Antrieb bieten wird. Die Hoffnung ist auf jeden Fall berechtigt.

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