Dave Schneider | 05.04.2024
Geländewagen Der Toyota Land Cruiser wird ein weiteres Mal komplett neu aufgelegt. Dabei wurden
insbesondere die Offroadfähigkeiten verbessert, doch auch auf der Strasse ist er so komfortabel wie nie zuvor.
Lange Zeit hatte Toyota für den europäischen Markt nur vernunftbetonte Baureihen mit dem sparsamen, aber langweiligen Hybridantrieb im Angebot. Die grossartigen Modelle, die diese Marke über viele Jahrzehnte hinweg gross gemacht haben, gerieten dabei immer mehr in den Hintergrund. 2000GT, Celica, Supra, MR 2 oder Corolla AE86 – Autos für die Ewigkeit, die dem grössten Autohersteller der Welt eine emotionale Komponente verliehen.
Doch allmählich ändert sich der Kurs, Toyota ist nun auch in Europa auf dem Weg zurück zur Emotionalität. Mit dem Sportcoupé GT86 kam bereits vor zwölf Jahren Leben in die Bude. 2020 folgte der fantastische GR Yaris, der die Fachwelt verblüffte und die Markenfans verzückte. Und nun flössen die Japaner einem ihrer Urmodelle, dem legendären Offroader Land Cruiser, frisches Leben ein – und setzen dabei wiederum auf Emotionen. Das seit 1951 in unterschiedlicher Form gebaute Modell (s. Seiten 16/17) ist mit 11.3 Millionen verkauften Einheiten in über 170 Ländern eine der tragenden Säulen des Unternehmens.
«Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Rückbesinnung auf unsere Wurzeln für die Zukunft der Marke Land Cruiser von zentraler Bedeutung sein wird», erklärt Chefingenieur Keita Moritsu während einer Testfahrt mit Vorserienmodellen in Schottland. Man habe die Sichtweise geändert und sei nun der Ansicht, dass das Modell wieder als zweckmässiger, erschwinglicher Geländewagen angeboten werden solle. Das Motto laute dabei «Zurück zu den Ursprüngen», und das ist der neuen Modellgeneration auch von aussen anzusehen. Ganz besonders in der limitierten First Edition, die statt der schmalen, rechteckigen Scheinwerfer mit runden LED-Leuchten die Urahnen der Baureihen 40 und 70 zitiert.
Bewährte Elemente in modernem Design
Das Prinzip «Form follows function» ist dem neuen Modell mit der Bezeichnung J250 anzusehen, gleichzeitig wirkt es frisch und zeitgemäss. Die Karosserieteile wurden so konstruiert, dass sie im Fall einer Beschädigung einfach ausgetauscht werden können. Funktionale Elemente wie Scheinwerfer, Grill oder Rückleuchten wurden hoch angeordnet, damit sie im Geländeeinsatz möglichst nicht beschädigt werden. Gleiches gilt für die Nebelscheinwerfer, die tief in die Stossfänger eingelassen wurden. «Die Elemente wurden in ein modernes Design übersetzt, in dem sich die Essenz des Land Cruiser findet», meint dazu Chefdesigner Yoshito Watanabe.
Technisch bedeutet dies: klassischer Aufbau mit Leiterrahmen, (elektronische) Differenzialsperren vorn und hinten, permanenter Allradantrieb mit Torsen-Differenzial und ein funktionales Design. Ergänzt wurde das mit modernen Elementen wie einer elektronischen Servolenkung, Einzelradaufhängung an der Vorderachse, einem entkoppelbaren Stabilisator vorne, um eine noch höhere Verschränkung der Räder zu ermöglichen, und einem automatischen Kriechmodus (Craw-Control), einer Art Tempomat für schweres Gelände. Damit wühlt sich der Japaner wie von selbst durch tiefen Matsch, kraxelt durch steiniges Geläuf und klettert über Felsen, findet dabei zuverlässig die nötige Traktion und hält auch in steilen Abfahrten auf losem Untergrund sicher das Tempo.
Diverse Geländemodi stehen zur Wahl
Wie inzwischen von echten Offroadern gewohnt, stehen auch im neuen Land Cruiser verschiedene Geländemodi zur Wahl, die das Set-up von Lenkung, Antrieb und hydraulischer Bremssteuerung entsprechend vornehmen. Das Multi-Terrain-Select (MTS) lässt sich einfach über die Drive-Mode-Taste sowie auch über den Mode-Select-Drehregler bedienen. Die Betriebsart des Allradsystems (H4 und L4) wird über einen Kippschalter neben dem Schalthebel eingestellt, daneben sind die Tasten für die Differenzialsperren und die Entkoppelung des vorderen Stabilisators bequem erreichbar. Im Gelände kommt ausserdem ein aufwendiges Kamerasystem zu Hilfe. Es bietet eine Rundumsicht sowie auch eine Unterflur-Ansicht, was das Manövrieren in schwerem Gelände wesentlich erleichtern kann.
Überraschend komfortabel
Dass der neue Land Cruiser souverän durchs schlammige Gelände in den schottischen Highlands pflügte, ist aber weniger erstaunlich als die Tatsache, dass er auf den teilweise rauen Strassen sehr gesittet abrollt, trotz starrer Hinterachse betont komfortabel federt und sich mit einem direkten Gefühl zur Fahrbahn präzise lenken lässt. Für einen kraftvollen Antritt sorgt dabei ein 2.8-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor, der 150 kW (204 PS) leistet. Das klingt zwar nicht nach viel, doch dank des hohen Drehmoments von 500 Nm, das zwischen 1600 und 2800 Umdrehungen bereitsteht, hat der Selbstzünder mehr als ausreichend Power, um den leer mindestens 2.3 Tonnen wiegenden Offroader behände zu bewegen. Dazu trägt auch das neue Achtgang-Automatikgetriebe bei, das stets die richtige Drehzahl bereitstellt und dezent im Hintergrund arbeitet. Der Vorgänger mit Sechsgang-Automatik genehmigt sich gemäss WLTP um die neun Liter auf 100 Kilometer, die Verbrauchswerte für den neuen Land Cruiser sind noch nicht homologiert. Die Anhängelast beträgt 3.5 Tonnen.
Auch im Innern ist der Mix aus Funktionalität und Komfort gelungen. Der 4.92 Meter lange, optional auch als Siebensitzer erhältliche Land Cruiser verwöhnt die Insassen mit Akustikverglasung, aktiver Geräuschunterdrückung und anderen Luxusfeatures wie einem grossen Panorama-Glasdach oder einem JBL-Premium-Audiosystem mit 14 Lautsprechern. Das volldigitale Cockpit verfügt über ein grosses Multifunktions-Display hinter dem Lenkrad und einen hoch angeordneten, zentralen Touchscreen für das voll vernetzbare Infotainmentsystem. Auf Wunsch ist ein Head-up-Display erhältlich, das die wichtigsten Fahrinformationen direkt auf die Windschutzscheibe projiziert.
Variabel und sehr geräumig
Die sehr bequemen Vordersitze sind auf Wunsch mit Sitzheizung und -belüftung erhältlich sowie elektrisch achtfach verstellbar. Sie sind je nach Gusto mit Leder, Kunstleder oder einem Stoff aus rezyklierten PET-Flaschen bezogen. Die Sitzbank in der zweiten Reihe ist im Verhältnis 60:40 teilbar, die siebensitzige Variante hat in der dritten Reihe zwei Einzelsitze, die manuell oder elektrisch abgeklappt werden können, sodass eine ebene Ladefläche entsteht. Das Ladevolumen gibt Toyota mit 1063 Litern an, was aber natürlich nicht das Maximum mit umgeklappter zweiter und dritter Sitzreihe sein kann – auch hier muss man auf die homologierten Werte warten, wenn das Modell im Herbst auf den Markt kommt. Die seitlich angeschlagene Hecktüre des Vorgängers wurde im neuen Modell durch eine deutlich praktischere, elektrisch betätigte Heckklappe ersetzt, deren Scheibe sich separat öffnen lässt.
Der Toyota Land Cruiser fährt also gut gerüstet in die Zukunft – moderner denn je und mit mehr Charme als in den Jahren zuvor. Bis die neue Generation bei den Händlern steht, wird es noch eine Weile dauern, im dritten Quartal soll es so weit sein. Preise sind noch nicht bekannt. Zunächst wird nur der 2.8-Liter-Diesel angeboten, 2025 folgt eine 48-Volt-Mildhybridversion. Und ein reines Elektromodell? Darauf angesprochen, kann sich Chefingenieur Keita Moritsu ein Lächeln nicht verkneifen. «Sie dürfen gespannt sein, was noch alles kommt», meint er vielsagend. Und dann verweist er auf die im Oktober vorgestellte Elektrostudie Land Cruiser Se Concept. Damit scheint die Frage beantwortet zu sein.