Definition von Fahrspass

Peter Ruch | 01.02.2024

Luftfahrt Der Porsche 911 GT2 Clubsport von 1996 war der letzte ­luftgekühlte Elfer. Er ist nicht nur selten und extrem teuer, er riecht auch gut und macht diesen wunderbaren Lärm.

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Früher war alles besser. Zumindest bei mir. Da war ich zwar auch schon 1.90 Meter lang, aber halt auch 20 Kilo weniger adipös. Und ein Bauch ist nun wirklich nicht hilfreich, wenn ich in den Porsche 911 GT2 Clubsport klettern muss, auch das mit den Gurten ist ein blödes Gefummle. Und die Sitzschalen sind um die Hüften schon etwas gar eng, es wäre sicher bequemer, wenn ich in den vergangenen Jahren auf den einen oder anderen Sonntagsbraten verzichtet hätte. Doch was jammere ich, da muss ich jetzt durch, so oft werde ich nicht mehr einen GT2 Clubsport fahren. Es wurden ja nur 20 Stück produziert.

Reglementsänderungen als Ursprung

Dafür braucht es eine Erklärung. Im September 1992 übernahm Wendelin Wiedeking bei Porsche das Zepter und baute den kriselnden Sportwagenhersteller rigoros um. Schon 1993 kam der Porsche 911 als 993 auf den Markt – und noch niemand (ausserhalb der Entwicklungsabteilung von Porsche) konnte damals wissen, dass dies der letzte luftgekühlte Elfer sein würde. 1995 legten die Stuttgarter mit dem Turbo das Topmodell auf, das am grossen, feststehenden Heckflügel zu erkennen ist und erstmals mit zwei Turboladern die Konkurrenz verblüffte. 408 PS sowie Allradantrieb waren damals das Mass aller Dinge.

Doch Porsche hatte ein Problem. Schon 1993 war klar, dass die FIA die Motorsportreglemente ändern musste, denn die allradgetriebenen Porsche (961), Audi Quattro oder auch der Nissan Skyline fuhren ihre Gegner auf den Rennstrecken und den Rallyepisten in Grund und Boden. Es zeichnete sich bald ab, dass nur noch heckgetriebene Fahrzeuge in der GT-Klasse zugelassen sein würden. Es musste also ein neues Modell her, der GT2.

Schweizer Sieger

Die Absicht war klar: Man musste ein paar strassenzugelassene Fahrzeuge bauen, um die Homologation zu erreichen. Weil aber Wendelin Wiedeking an der Spitze des Unternehmens stand, musste das auch Geld abwerfen. Der 3.6-Liter-Twinturbo-Sechszylinder wurde mit einem höheren Ladedruck auf 316 kW (430 PS) und ein maximales Drehmoment von 540 Nm bei 5400 U/min aufgeblasen. Der GT2 hatte die gleichen Kotflügel wie der Carrera RS und verfügte zudem über abnehmbare und austauschbare Kotflügelverbreiterungen, um breitere Räder für den Renneinsatz montieren und Unfallschäden schneller beheben zu können. Der grosse Heckflügel sorgte für zusätzlichen Abtrieb, an den Seiten gab es Lufteinlässe für eine bessere Kühlung des Motors. Um Gewicht zu sparen, wurden die Motorhaube und die Türen aus Aluminium gefertigt, die Seiten- und Heckscheiben waren dünner. Ausserdem verfügten die dreiteiligen Speedline-Leichtmetallfelgen über verstärkte, stahlgraue Magnesiumsterne. Und um den Luftwiderstand zu verringern, wurde die Karosserie im Vergleich zum 911 Turbo um 20 Millimeter abgesenkt. Auch innen wurde das Fahrzeug in Sachen Komfortausstattung deutlich erleichtert.

Der Preis war absurd. Ein strassentauglicher GT2 kostete 1995 stolze 268 000 D-Mark (1997 gar 278 875 D-Mark). Und trotzdem konnten je nach Quelle 172 bis 194 Exemplare abgesetzt werden. Im Vergleich zur Rennversion, die auf 450 PS (später 485 PS) kam und von der wahrscheinlich 78 Exemplare verkauft wurden, waren sie Schnäppchen, 506 000 D-Mark verlangte Zuffenhausen für das Renngerät. Doch die lohnten sich. Die GT2 fuhren auf dem Rundkurs alles darnieder. Le Mans, Nürburgring, Spa – immer war ein GT2 in seiner Klasse vorn. Übrigens auch mit Schweizer Beteiligung: Bruno Eichmann gewann 1996 auf einem GT2 seine Klasse in Le Mans, 1997 wurde er Zweiter, selbstverständlich wieder auf einem GT2. Ach ja, für die Rennsaison 1998 wurde der 993er-GT2 nochmals aufgemotzt, da war der wassergekühlte 996er-Porsche schon längst auf dem Markt.

Eine weitere Steigerung

Wie so häufig bei Porsche gab es bei den Strassenversionen noch eine Steigerung: Clubsport. Da ist die Informationslage ziemlich dürftig, man darf aber davon ausgehen, dass 1996 noch 20 Exemplare in dieser Spezifikation gebaut wurden, vielleicht waren es auch 23. Diese Fahrzeuge hatten einen Käfig, die schon erwähnten Rennsitze mit den mühsamen Sechspunktgurten, ein Feuerlöschsystem, einen Notschalter – und 450 PS. Das Exemplar, das wir zeigen, ist unter diesen Raritäten ein Einzelstück, denn es wurde auf Wunsch des Käufers ab Werk in Ferrari-Gelb lackiert.

Um es einmal zurückhaltend auszudrücken: Er ist ziemlich laut, dieser Porsche. Er ist so laut, dass es beim besten Willen kein Radio braucht. Das hat er ja auch nicht, wie er auch sonst gar nichts hat, was in irgendeiner Form der Verweichlichung – andere nennen es Komfort – zuträglich wäre. Alles ist hart, die Lenkung geht streng, die Kupplung ist ein Vieh, die Gänge müssen mit ziemlich viel Überzeugung eingeworfen werden. Ich bin in einem dieser diffusen E-Autos zu dieser Ausfahrt angereist, in Sachen Fahrfreude herrschte tiefe Nacht – im Porsche geht jetzt die Sonne auf.

Fahren, nicht gefahren werden

Es ist halt eben einfach nur grossartig, das Kesseln des letzten luftgekühlten 911er-Motors ist die ganz grosse Oper. Der brachiale Schub ist auch heute noch ein Erlebnis, obwohl jedes zweite E-Gerät wahrscheinlich heftiger abgeht, doch im nur etwas über 1200 Kilogramm schweren Porsche nimmt man das ganz anders wahr, man sitzt quasi auf dem Boden, darum herum ist nichts ausser dünnes Blech, viel Lärm und Vibrationen. Es ist ein Fest der Sinne, denn es riecht auch noch nach Benzin und Gummi. Halt wie ein richtiges Automobil.

Vor allem bin ich mittendrin anstatt nur ein Passagier elektronischer Systeme. Das Fahrwerk ist bretthart, schlägt ins Kreuz, man bekommt jeden Kieselstein mit, den man überfährt. Aber dafür bewegt sich der Porsche stoisch genau dorthin, wohin man ihn haben will, die knochentrockene Lenkung ist ein Genuss. Allerdings muss man schon sehr genau wissen, was man tut, der Begriff Heckschleuder trifft auf den GT2 definitiv zu. Am Kurvenausgang zu früh aufs Fahrpedal – viel Vergnügen! Zu hart einbremsen vor der Biegung – viel Vergnügen! Aber ganz genau das will ich ja, ich will mich und das Gerät an unsere gemeinsamen Grenzen bringen – das ist wahrscheinlich das, was man als Fahrspass bezeichnet. Schnell geradeaus fahren kann jeder.

Epochal

Leider kostet so ein Porsche 911 GT2 Clubsport heute unglaublich viel Geld, wir sprechen von mehr als zwei Millionen Franken. Anscheinend existieren auch nur noch sieben Exemplare, alle anderen sind wohl auf Abwege gelangt. Doch das mindert die Faszination dieses Fahrzeugs beim besten Willen nicht, der Porsche ist ein Zeitzeuge einer Epoche, als Automobile noch fordernd sein durften (und waren). Und – bitte entschuldigen Sie den Ausdruck – geil.

Dieser Porsche 911 GT2 Clubsport steht bei der B. I. Collection in Gstaad BE zum Verkauf.

Fotos: Dario Fontana

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