Markenbilder sind fast nie für immer

Simon Tottoli | 18.01.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Es ist noch nicht allzu lange her, da konnten Automarken grösstenteils einer Schublade zugeordnet werden. Und damit auch die Fahrer. Wer Geld hatte, fuhr Mercedes. Draufgänger wählten Porsche. Und Spiessbürger einen Audi. Als Mitvierziger beruht meine persönliche, damals beein¬flusste Wahrnehmung vor allem auf den 1980er- und 1990-Jahren. Davor war die Zuteilung noch ausgeprägter. So jedenfalls wird es von Menschen mit mehr Lebenserfahrung erzählt, und so lässt es sich auch nachlesen.

Und heute? Ist vieles gleich, aber auch vieles ganz anders. Ein Leser schreibt uns über seine Erfahrungen in einer Mercedes-Werkstatt und stellt fest, dass die Marke alle Besitzer ihrer Fahrzeuge ganz offensichtlich nach wie vor für wohlhabend hält – selbst wenn es sich beim Werkstattgast um eine alte Occasion handelt. Gleichzeitig kratzt der heuer getestete Kia EV9 selbstbewusst an der 100 000-Franken-Marke. Noch vor zehn Jahren absolut unvorstellbar.

Während einige Marken ihren Nimbus hochzuhalten versuchen, erfinden sich andere komplett neu. Das geht manchmal so schnell, dass es viele gar nicht mitbekommen. Wenn ich einer nicht sehr autoaffinen Person von einem Kia für rund 90 000 Franken erzähle, folgen zwei Fragen. Erstens: Warum ist der so teuer? Und zweitens: Was ist Kia? Berichte ich über einen gleich teuren Mercedes, ernte ich höchstens Schulterzucken. So ein Benz hat halt seinen Preis. Dass es von Mercedes unter anderem auch halbwegs bezahlbare Minivans (mit ganz viel Renault-Technik unter dem Blech) gibt, haben sie nicht mitbekommen.

Oder sie blenden es aus. Denn wenn mir in Gesprächen mit Menschen, die sich nicht besonders für Autos interessieren, etwas auffällt, dann ist es der mangelnde Wille, von einem angeeigneten Markenbild abzurücken. Ein Benz ist edel, ein BMW sportlich, ein Alfa rostet. Und wer eine Corvette fährt, ist ein ... Sie wissen schon. Deshalb ist es durchaus beeindruckend, wenn eine Marke ihr Image derart stark wandeln kann. Wie Audi, das vom Bünzliautohersteller zum Star wurde. Und Kia, das vielleicht schon bald vom Anbieter von Billigheimern, die fast niemand kannte, zum weitherum anerkannten Premiumbrand wird.

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