Ein grösseres ­Problem

Ramon Egger | 25.01.2024

Egger & Kanten

Egger Ramon RGB

Ramon Egger ist Autor und ehemaliger Chefredaktor der AUTOMOBIL REVUE.

Luxemburg hat ein Verkehrsproblem, schreibt die NZZ. Es hat viele Autofahrer und damit viele Staus. Die NZZ wirft dazu eine spannende Frage auf: «Das Grossherzogtum erfindet den öffentlichen Verkehr gerade neu, um die Pendlerströme zu bewältigen. Reicht das, oder braucht es auch Hindernisse für Autos?» Womit klar ist, Luxemburgs Problem liegt wohl auch beim Verkehr, vor allem aber bei der Politik und der Presse. Deren intuitiver Lösungsansatz gegen zu viel Stau ist, noch mehr Stau zu verursachen. Wobei – so viel Fairness muss sein – das erst der sekundäre Lösungsansatz ist. Der primäre Ansatz war, den öffentlichen Verkehr für die Benutzer gratis zu machen und über Steuern zu finanzieren. Also die Allgemeinheit für den Nutzen einer Minderheit bezahlen zu lassen. Denn wie in der Schweiz werden auch in Luxemburg rund 80 Prozent der Verkehrsleistung auf der Strasse abgewickelt.

Die NZZ ist natürlich nicht das einzige Schweizer Medium, das den Luxemburger Gratis-ÖV als Vorbild feiert, SRF produzierte bereits bei der Einführung vor knapp vier Jahren ein Lehrstück von ausgewogenem Journalismus. Also: wie ausgewogener Journalismus eben nicht aussieht. Durchwegs positive Reaktionen präsentierte man den Zuschauern – nachdem man am Bahnhof Zugpendler befragt hatte, was sie denn davon hielten, jetzt gratis fahren zu dürfen. Der steuerfinanzierte, staatliche Verkehr – ein Erfolgsmodell, das das steuerfinanzierte, staatliche Fernsehen natürlich am liebsten auch gleich in der Schweiz implementiert sähe.

Vier Jahre später ist das Erfolgsmodell doch nicht so erfolgreich, die Pendler fahren noch immer mit dem Auto. Und es zeigt sich, dass Luxemburg ein noch viel grösseres verkehrspolitisches Problem hat als seine Staus: die Ignoranz der Politik für das Bedürfnis der Bevölkerung. Dieses Bedürfnis ist offensichtlich nicht bloss, von A nach B zu gelangen. Noch nicht einmal, möglichst schnell oder möglichst billig von A nach B zu gelangen. Das Bedürfnis ist ganz offensichtlich, mit dem eigenen Auto von A nach B zu gelangen. Mit viel Goodwill kann man sagen, die Politik ignoriere dieses Bedürfnis. Realistischerweise aber negiert man es, weil es nicht in die politische Linie passt. Vielleicht ist das gar nicht so sehr ein verkehrspolitisches Problem als viel mehr ein allgemeinpolitisches. Und es ist offensichtlich eines, das sich auch nicht nur auf Luxemburg beschränkt. Sonst wäre es wohl weder der NZZ noch SRF einen Beitrag wert.

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