Ein Nebeneinander muss möglich sein!

Simon Tottoli | 01.02.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Elektromobilität ist omnipräsent – und auch in mehreren Beiträgen dieser AR ein Thema. Dabei geht es um neue Elektromodelle in Tests und Fahrberichten, aktuelle Elektrostrategien von Importeuren und Herstellern oder den Elektroantrieb selbst als Mitgrund für den Untergang des Handschalt­getriebes. Gleichzeitig feiern wir einen Porsche 911 GT2 der letzten luftgekühlten Baureihe 993. Und zwar voller Euphorie.

Ich würde mir ein so friedliches Nebeneinanders auch anderswo wünschen, zum Beispiel in der EU-Politik. Wenn diese ziemlich einseitig die Elektromobilität hochjubelt und den Verbrenner verteufelt, kann man den Herstellern und damit auch den Importeuren kaum zum Vorwurf machen, dass sie entsprechend planen. Ein bisschen mehr Gegenwehr würde bestimmt nicht schaden, aber immerhin lassen längst nicht alle den Verbrenner völlig ausser Acht. Da gibt es ja schliesslich auch das Hintertürchen namens Synfuels. Mit synthetischem Treibstoff können nicht nur Rennwagen und Klassiker angetrieben werden, sondern auch ganz normale Alltagsverbrenner. Und von diesen wird es noch eine ganze Weile ganz viele geben.

Derzeit sind weltweit rund 1.8 Milliarden Verbrennerfahrzeuge unterwegs, nur etwa 60 Millionen fahren elektrisch. Das Verhältnis wird sich in den nächsten Jahren sicher etwas ändern, aber niemals in dem Mass, wie es sich einige Träumer vorstellen. Und selbst wenn man es in Europa hinbekommen sollte, dass der Grossteil aller Personenwagen dereinst Strom lädt, statt Flüssigkeiten zu tanken, dürften in grossen Teilen der Welt auch in vielen Jahrzehnten eher Zapfhähne statt Stecker genutzt werden.

Davon ist zum Beispiel der saudische Erdölriese Aramco überzeugt. Der plant in der Wüste riesige Anlagen zur klimaneutralen Herstellung von Synfuels. Neben ausreichend Sonne und Wind ist dort auch die Infrastruktur für den Transport der Treibstoffe in die Zielländer zu grossen Teilen vorhanden – von Pipelines bis Häfen. Zumindest Sonne und Wind hätte es insbesondere im Süden Europas, etwa in Spanien und Portugal, auch. Aber dass bei den derzeitigen Rahmenbedingungen niemand gross Lust hat, dort richtig gross zu investieren, versteht sich von selbst.

Wie erwähnt lassen einige europäische Hersteller sich ein Hintertürchen für den Verbrenner offen. Wohl primär für die Märkte ausserhalb Europas, aber vielleicht auch für Europa selbst. Denn die Erkenntnis, dass ein friedliches Nebeneinander von Verbrenner- und Elektrofahrzeugen möglich ist, und zwar weit über 2035 hinaus, könnte nach dem aufständischen Deutschland auch im Rest der EU reifen.

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