Die Sache mit der Reichweite

Simon Tottoli | 07.03.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Als Autojournalist hat man das grosse Privileg, in relativ kurzen Zeitabständen viele verschiedene Autos fahren zu dürfen. Ob im Rahmen von Tests, bei denen wir zusätzlich zu den Messungen auf der Teststrecke auch Eindrücke im ganz normalen Alltag sammeln, oder auch anlässlich von Modellpräsentationen, wo wir zumindest einige Stunden mit einem neuen Fahrzeug unterwegs sein können. Im Schnitt hat man mindestens einmal pro Woche ein anderes Lenkrad in der Hand.

Natürlich können sich die einzelnen Autos unterscheiden wie Tag und Nacht. Wer direkt von einem 500 PS starken Sportwagen in einen Stadtflitzer mit höchstens einem Fünftel dieser Leistung umsteigt (oder umgekehrt), muss sich schnell umgewöhnen. Das Gleiche gilt für die Dimensionen. Eben passte der knapp vier Meter lange Testwagen problemlos in jede Parklücke, kurz darauf gilt es, ein SUV-Dickschiff kratzerfrei durch das enge Parkhaus zu manövrieren.

Wie sagt man so schön? Übung macht den Meister. Dieses Sprichwort trifft auch in einem Punkt zu, den wir bis vor wenigen Jahren gar nicht auf der Rechnung hatten, nämlich dem realitätsgerechten Einschätzen der Restreichweite eines Elektrofahrzeugs. Denn die Zahl auf dem Infodisplay und die Zahl in der Realität haben bei Fahrtantritt nicht immer allzu viel miteinander zu tun. Ausser dass beide ziemlich schnell schrumpfen können.

Wer schon elektrisch gefahren ist oder sogar hauptsächlich elektrisch fährt, weiss, wovon ich hier schreibe. Allerdings kommt es wirklich sehr auf das Modell an. Wir haben immer wieder Autos, bei denen die Anzeige der Restreichweite nahe an den Tatsachen liegt und selbst ein zügiger Fahrstil oder auch Fahrten über die Autobahn den Wert nicht gleich purzeln lassen. Und dann gibt es jene, die jeden unbedachten Tritt aufs Fahrpedal mit einer rasant steigenden Wahrscheinlichkeit eines baldigen Ladestopps quittieren.

Für gewöhnlich sind das die Modelle, die eine kleine Batterie haben und damit eine geringe Grundreichweite bieten. Das ist genauso logisch, wie dass leistungsschwächere Stromer sehr schnell Reichweite einbüssen, wenn etwas mehr von ihnen abverlangt wird, zum Beispiel Autobahntempo. Es ist logisch, aber auch mühsam und ärgerlich, denn früher konnte man auch mit einem Kleinwagen problemlos von Genf oder Zürich nach Mailand fahren – ohne Stopp. Weil bei den günstigeren Stromern auch die Ladeleistung tiefer ist, dauert der Stopp länger. Deshalb kann man verstehen, dass die Begeisterung für die E-Mobilität nicht bei allen riesig ausfällt. Wie so oft sind es gerade jene mit den schlechteren finanziellen Möglichkeiten, die sich am meisten umstellen müssen.

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