Autofahren ist ein Luxus – immer!

Simon Tottoli | 07.12.2023

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Letzte Woche musste ich mit der S-Bahn fahren. Um 18 Uhr. An einem Werktag. So wie Hunderttausende andere in der Schweiz auch. Und ehrlich gesagt, haben die mir alle leidgetan. Denn für mich ist so eine Fahrt eine Ausnahme, für sie arbeitstägliche Routine. Wie machen die das bloss?, fragte ich mich. Ich stand keine Minute in diesem Zug (zum Sitzen hatte es weder in der zweiten noch in der ersten Klasse Platz) und wünschte mich in ein Auto. Dorthin, wo niemand einen anrempelt, einem in den Nacken atmet oder noch schlimmer, da bin ich ein bisschen heikel, in der Gegend herum­hustet, dauernd die Nase hochzieht oder sogar chronisch niest.

Bevor ich in diesen Zug stieg, hatte ich knapp zwei Stunden in einem Auto gesessen. Als Beifahrer meines Redaktionskollegen. Rund eine Stunde davon im stockenden, teilweise auch im stehenden Verkehr. Klar, für den Beifahrer sind solche Verhältnisse weniger unangenehm, aber bei dieser Zugfahrt wurde mir klar, dass ich in diesem Moment noch so gern am Steuer eines Autos gesessen hätte. Im Stau. Mit Handschaltung. Von mir aus auch allein, ohne Beifahrer, mit dem ich mich gut hätte unterhalten können. Hauptsache, ich wäre nicht in diesem Zug gewesen. Ich hätte ja ein Telefon­gespräch führen oder einem Hörbuch lauschen können. Klar, das geht beides auch im Zug, aber unter den obengenannten Bedingungen macht das keinen Spass. Im Stau schon eher.

Damit das nicht falsch rüberkommt: Natürlich wäre es mir am allerliebsten, der Verkehr würde immer fliessen. Aber das tut er aus ganz verschiedenen Gründen eben nicht. Wenn ein Unfall die Ursache ist, rufe ich mir gleich in Erinnerung, dass es immer noch besser ist, im Stau zu stehen, als in diesen Unfall verwickelt zu sein. So kommt Ärger erst gar nicht gross auf, selbst dann nicht, wenn man unter Zeitdruck steht. Ist die alltägliche Verkehrsüberlastung schuld, habe ich mich bislang gern aufgeregt. Über das bei Weitem nicht ausreichend ausgebaute Strassennetz, die zu vielen Autofahrer, das Wetter und und und. In Zukunft aber rufe ich mir einfach jenen Abend in der S-Bahn in Erinnerung. Dann ist selbst in einem Stau zu stehen, der einfach nur wegen der alltäglichen Verkehrsüberlastung entstanden ist, ein Luxus.

Diesen Luxus sollten wir uns nicht nehmen lassen. Da können gewisse Kreise, die an der Verkehrsproblematik nicht ganz unschuldig sind, noch so gegen Autos und uns Autofahrer wettern. Solange Zugfahren in den Stosszeiten eine derartige Quälerei ist und es kein ansatzweise zivilisiertes Alternativangebot gibt, ist das Auto für den Weg zur Arbeit mein Transportmittel erster Wahl. Immer.

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