Keine falsche Bescheidenheit

Simon Tottoli | 14.12.2023

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

In letzter Zeit häufen sich in Fahr- und Testberichten Formulierungen wie «erfreuen wir uns daran, solange es noch geht», «lange wird es so etwas nicht mehr geben» oder sogar «jetzt ist wohl die letzte Chance». Klar: Es geht jeweils um ein Modell mit Verbrennungsmotor, mit viel Leistung und manchmal auch mit viel Hubraum und vielen Zylindern.

Eigentlich ist es für uns Autoliebhaber eine Tragödie, dass solche Aussagen überhaupt nötig sind. Denn die meisten hätten gerne noch ein bisschen länger die Wahl, mit welcher Antriebstechnologie sie von A nach B kommen wollen. Haben wir auch! Derzeit gibt es immer noch zahlreiche Fahrzeuge neu zu kaufen, die entgegen jeder EU-Träumerei flüssigen Treibstoff tanken. Es liegt aber an uns, das Angebot zu nutzen, wenn wir es wollen.

Sie werden das Geräusch eines Verbrenners nicht vermissen, fahren vielleicht schon lange elektrisch? Das ist genauso legitim, schliesslich hat so ein Stromer unbestreitbare Vorzüge, die auch unsere Redaktion regelmässig begeistern. Nur sollte es der freie Wille sein, der zur Wahl eines entsprechenden Fahrzeugs führt. Nicht die Meinung der Nachbarn, nicht das Gesetz und auch nicht das schlechte Gewissen.

Es mag egoistisch klingen – so kurz vor Weihnachten erst recht, schliesslich haben viele auf diesem Planeten ganz andere Probleme als die bedrohte Wahlfreiheit bei der Antriebstechnologie ihres nächsten Autos –, aber wir in der Schweiz neigen allgemein zu übertriebener Bescheidenheit. Wie oft hörte ich in meinem Umfeld schon Aussagen wie «wir kaufen das Cabrio dann, wenn die Kinder aus dem Haus sind», «ich könnte mir mein Traumauto zwar leisten, möchte aber nicht als Snob dastehen» oder ganz allgemein «es ist ja eigentlich gar nicht nötig»!

Diese oder ähnliche Argumente halten viele von uns davon ab, ein bestimmtes Modell, das uns sehr gut gefiele, zu kaufen. Vielleicht geraten sie jetzt, wo noch das Argument der endlichen Verfügbarkeit dazukommt, etwas in den Hintergrund? Ausserdem könnte man dieses «Solange es noch geht» auch viel radikaler auslegen. Es gab definitiv schon Zeiten, in denen uns und unserer Welt weniger Ungemach drohte als heute. Und an diesen Bedrohungen trägt keiner von uns in einem entscheidenden Ausmass Schuld. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir die schönen Dinge geniessen sollten und dürfen. Auch die emotionalen Autos, die es zum Glück immer noch zur Genüge gibt. Ohne schlechtes Gewissen.

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