Die Stücke kleiner schneiden

Ramon Egger | 21.12.2023

Egger & Kanten

Egger Ramon RGB

Ramon Egger ist Autor und ehemaliger Chefredaktor der AUTOMOBIL REVUE.

Die Schweizerische Energiestiftung, die wohl grösste Vereinigung der Atomkraftgegner der Schweiz, präsentierte einen Vorschlag, wie künftige Energieengpässe zu lösen wären. Weltweit ist man sich inzwischen ja einig, dass das nur mit mehr Atomkraft geht. Das scheint auch die Energiestiftung zu verstehen, auch wenn sie das nie und nimmer zugeben würde. In den neuesten Plänen heisst es deshalb: Wir lösen künftige Engpässe nicht, indem wir mehr Energie zur Verfügung stellen, sondern indem wir weniger verbrauchen. Das haben wir bereits getan, in den vergangenen 20 Jahren ist in der Schweiz der Stromverbrauch pro Person um 13 Prozent gesunken. Aber das reicht natürlich nicht aus. Suffizienz ist das neue linke Zauberwort – wir sollen nicht mehr benötigen als wir zur Verfügung haben. In anderen Worten: Wenn immer mehr Menschen ein Stück vom Kuchen wollen, sollen wir nicht mehr Kuchen backen, sondern die Stücke kleiner schneiden.

Wie die Stücke kleiner werden sollen, hat man sich auch bereits überlegt. Klar, dass auch der Verkehr betroffen ist, obwohl der Stromverbrauch da relativ gering ist. Aber man hat einen eleganten Weg gefunden, um Einschränkungen zu rechtfertigen. Man geht ganz einfach davon aus, dass auf den Strassen ausschliesslich Elektroautos unterwegs wären. Und rechnet dann vor, dass wir bis 2050 ganze 20.2 Terawattstunden an Strom weniger verbrauchen könnten, wenn wir nur genügend weniger fahren. Dass bis dahin jedes Auto auf der Strasse elektrisch angetrieben wird, wird zwar kaum der Fall sein – aber was solls, Hauptsache, das Resultat stimmt. Ziemlich viel Strom könnten wir natürlich auch einsparen, wenn wir nicht auf Elektroautos umstiegen. Aber dann liesse sich der Weg zum Resultat nicht mehr so einfach rechtfertigen. Und dieser ist so wenig überraschend wie neu: Automobilität muss mehr kosten, deutlich mehr. Verpackt in schöne Formulierungen wie «Mobilitätsnachfrage beeinflussen» und «Verkehrsinfrastruktur gleichmässiger auslasten», läuft es am Ende immer auf dasselbe hinaus: Wer es sich nicht leisten kann, soll halt nicht mehr Auto fahren. Und der Verkehr nimmt automatisch ab.

Im Abschnitt über Gebäude übrigens hat die Studie auch eine ganz praxisnahe Lösung parat: eine drastische Reduktion der Wohnfläche pro Kopf. Eigentlich schon fast erstaunlich, dass man nicht auch noch die 19-Grad-Regel wieder ausgräbt. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, warme Weihnachten und freie Fahrt ins neue Jahr.

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