VW Golf GTI und Golf R – Vorgeschmack auf dem Eis

Ein Familientreffen nannte Thomas Schäfer das Ice Race in Zell am See (A) vom vergangenen Wochenende. Die Veranstaltung spielt sozusagen im Vorgarten des Stammsitzes der Familien Porsche und Piëch. Der Hof Schüttgut, eine Mischung aus Jagdschloss und übergrossem Chalet, dient seit dem Kauf durch Ferdinand Porsche im Jahre 1941 der Familie als Rückzugsort. Die Rennen auf Schnee und Eis haben eine lange Tradition im Pinzgau, früher diente der gefrorene See als Ort für wilde Ritte mit Autos, Motorrädern und – Skiern. Die Bilder der tollkühnen Männer im Schlepptau vorwiegend luftgekühlter Autos mit Heckmotor sind unter Autofans weltbekannt. Heute ist es der Flugplatz, der mangels genügend tiefer Temperaturen die Rolle des Sees übernommen hat. Hier startete die jüngste Epoche der Eisrennen 2019 nach einem Dornröschenschlaf von 45 Jahren. Das 1952 als Professor-Porsche-Gedenk-Eisrennen erstmals gestartete Spektakel fand 1974 sein vorläufiges Ende. Bis Ferdinand (Ferdi) Porsche jun. es zusammen mit Freunden wieder ins Leben rief.

Heuer durfte der Spross der Autodynastie, der der halbe Pinzgau inklusive des besagten Flugfelds gehört, den Golf als wichtigsten Gast am Ice ­Race begrüssen. Unter Berücksichtigung der reichen Historie des Ortes, die mit VW und Porsche verbunden ist (viele Testfahrten mit dem Ur-Käfer fanden auf den umliegenden Strassen und auf der nahen Grossglockner-Hochalpenstrasse während des Zweiten Weltkriegs statt), kann man den ersten Auftritt des VW Golf 8.5 in Fahrt in Zell am See sowohl als Gast- wie auch als Heimspiel betrachten.

Wieder mehr Aufmerksamkeit

Es scheint fast, als hätte man sich bei Volkswagen auch dank des Golf selbst wieder gefunden. Denn trotz zum Teil harscher Kritik bei der Neuauflage des Golf 8 im Herbst 2019 blieb er eine Konstante im sich transformierenden Konzern. Das Feedback zu den äusseren und inneren Neuerungen am Golf 8 habe man in Wolfsburg zudem sehr ernst genommen, bemerkte Volkswagen-CEO Thomas Schäfer zum Start der diesjährigen Golf-Jubiläumsveranstaltung. Interessant war in diesem Zusammenhang auch, dass er das sich abkühlende Interesse an der E-Mobilität erwähnte und durchblicken liess, VW wolle dem Golf nochmals zu richtigem Schwung verhelfen, um ihn wie in der Vergangenheit als Technologieführer für alle weiteren Modelle zu positionieren. Daran, dass der nächste Golf aber ein reines E-Fahrzeug sein werde, liess Schäfer keinen Zweifel. Volkswagen rechnet mit einem E-Auto-Anteil von 55 Prozent im Jahr 2035, zehn Jahre später soll er bei über 90 Prozent des Verkaufsvolumens liegen. Besonders im Nutzfahrzeugbereich rechnet VW noch mit kleinen Nischen für den Verbrennungsmotor über dessen eigentliches Verbot in der EU hinaus.

Doch zurück zum Golf. Ob der BEV-Golf, wie verschiedene Medien im vergangenen Herbst bereits vermutet haben, der Anfang vom Ende der ID-Familie sein werde, liess der VW-CEO weiterhin offen. Jedenfalls soll der Golf in seinem 50. Produktionsjahr nochmals seine alten Werte hochhalten. Die Vorpremieren des stärksten Golf überhaupt, des Golf R, auf Schnee und Eis in Aktion und des Golf GTI statisch, liess daran keine Zweifel. Zu technischen Details wurde noch nichts Genaues verlautbart. Gewiss ist nur, dass beide Modelle über mehr Leistung verfügen sollen. Zu erkennen wird der neue Golf GTI an einem speziellen Kühlergitter mit Wabenstruktur sein. Und den Golf R wird es weiterhin nur mit Allradantrieb geben. Das vergangene Jahr war übrigens das bisher erfolgreichste seiner 20 Jahre anhaltenden Karriere, er wurde 2023 über 35 000-mal verkauft. Seit der ersten Generation des Golf R, die auf dem Golf 4 mit einem 3.2-Liter-VR6-Motor und 241 PS basierte, wurden vom R und seinen Varianten der folgenden Modellreihen rund 300 000 Exemplare gebaut.

Schwierige Verhältnisse

Das Ice Race war in diesem Jahr wegen des wenigen Schnees und des verkürzten Programms etwas weniger wild als auch schon – so musste etwa auf das Skijöring, also die Showfahrten von Autos mit Skifahrern im Schlepptau, verzichtet werden. Dem unermüdlichen Einsatz der lokalen Pistenpräparatoren war es zu verdanken, dass – umgeben von sich abzeichnendem Grün – der Anlass ­seinem Namen überhaupt noch gerecht werden konnte.

Für die Neuauflage des Golf – oder je nach Lesart für die zweite Chance des Golf 8 – aber war es wohl die richtige Mischung aus Gaudi und Spass ohne grosse Übertreibungen. Ganz Golf-like und damit volkstümlich. Für Thomas Schäfer, selber höchst volksnah und zugänglich unterwegs, war dies auf alle Fälle ein wichtiger Grund, dass er ausgerechnet das Ice Race für den Start der Jubiläumsaktivitäten auswählte.