Caterham – Diversifizierung light

Olivier Derard | 07.12.2023

Elektrifizierung Caterham will innert zweier Jahre ein elektrisches Coupé mit einem Gewicht von weniger als 1200 Kilogramm herausbringen.

SECOND STOFF Project V ext7

Das Design ist eine Hommage an die Modelle der 1950er- und 1960er-Jahre. Das Armaturenbrett ist ebenfalls im Retrostil gehalten.

Caterham ist ein Synonym für den Seven. Logisch, denn das Auto ist das einzige Modell, das die Marke seit nunmehr über 60 Jahren anbietet (Gründung 1959). Für Puristen ist der Zweisitzer dank seiner Leichtigkeit und Reinheit der Inbegriff des Fahrvergnügens. Leider blieb dem englischen Unternehmen wie anderen Autoherstellern auch nichts anderes übrig, als technisch aufzurüsten, wenn es das nächste Jahrzehnt überleben will. Aus diesem Grund entstand das Project V, ein elektrisches Konzept für ein 2+1-sitziges Coupé.

Die Aufgabe, die dieses neue Auto zu erfüllen hat, ist nicht leicht. Die Anhänger der britischen Marke sollen die Elektromobilität akzeptieren, und es soll gleichzeitig neue Kunden gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, beauftragte Bob Laishley, der neue CEO von Caterham (s. Interview), den französischen Designer Anthony Janna­relly: «Das Auto hat einen Retro-Touch, es ist inspiriert von den Coupés der 1950er- und 1960er-Jahre, als die Autos einfach und fliessend waren. Meine Idee war es, ein zeitloses Fahrzeug zu entwerfen, das sich nicht aktuellen Trends anpasst. Obwohl es muskulös ist, ist es nicht aggressiv. Ausserdem weist es einige Anspielungen auf den Seven auf, insbesondere durch die ausgestellten Radkästen vorne und hinten.»

Leistung vor Reichweite

Bei der Reichweite strebt Caterham einen WLTP-Wert von rund 320 Kilometern an. «Die Reichweite ist wichtig, aber sie ist nicht unsere Priorität. Die Leistung ist es.» Um auf einer Rennstrecke konkurrenzfähig zu sein, ist es zudem am besten, leicht zu sein. Das vorgestellte Fahrzeug soll dank des Verbundrahmens aus Kohlefaser und Aluminium nicht mehr als 1190 Kilogramm auf die Waage bringen. Ob Zufall oder nicht, das ist fast aufs Kilogramm das Gewicht einer Alpine A110. Aber es ist natürlich viel mehr als bei einem Seven mit Verbrennungsmotor. Bob Laishley spricht von einer Leistung von 200 kW (272 PS). Der Antrieb erfolgt über eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 55 kWh, die mithilfe eines 150-kW-Schnellladers innerhalb von 15 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen werden kann. Caterham spricht von einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als 4.5 Sekunden.

SECOND STOFF Project V ext8

Das Design ist eine Hommage an die Modelle der 1950er- und 1960er-Jahre. Das Armaturenbrett ist ebenfalls im Retrostil gehalten.

Überall bei der Gestaltung des Autos verfolgen Bob Laishley und der Designer Anthony Janna­relly einen minimalistischen Ansatz. So haben sie beispielsweise nicht vor, ein Soundsystem einzubauen, das das Geräusch eines Verbrennungsmotors simulieren würde. Aus gutem Grund: «Ein solcher Lautsprecher würde Gewicht kosten», argumentiert Laishley. Kommt dazu, dass ein falscher Sound nicht gut zum Image von Caterham passen würde. Die beiden digitalen Kombiinstrumente sind rund, ebenso wie die drei Manometer in der Mitte des Armaturenbretts.

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Das Design ist eine Hommage an die Modelle der 1950er- und 1960er-Jahre. Das Armaturenbrett ist ebenfalls im Retrostil gehalten.

Von einem Zulieferer gebaut


Wie der Seven, dessen Motor von Ford, Getriebe von Mazda und Differenzial von BMW hergestellt wird, wird auch das Serienmodell des Project V Komponenten aus den Regalen anderer Hersteller verwenden. Während der Seven ansonsten ein britisches Produkt ist, das bei Caterham in England zusammengebaut wird, wird die Montage des zukünftigen Elektro-Sportwagens ausgelagert – wahrscheinlich ins Ausland, obwohl der Satz unter dem Logo «Made in Great Britain» lautet. Bob Laishley erklärt, dass es in Europa vier oder fünf Unternehmen gebe, die die 2000 bis 5000 Exemplare, die Caterham jedes Jahr bauen will, vertraglich zusichern könnten. Warum baut Caterham das Auto nicht in direkter Zusammenarbeit mit ­einem anderen Hersteller, indem man zwei verwandte Autos herstellt, wie es zum Beispiel BMW und Toyota mit dem Z4 und dem Supra tun? «Ich glaube, unsere DNA ist zu einzigartig. Aber es stimmt, dass Alpine zum Beispiel ein interessanter Partner wäre, mit dem man zusammenarbeiten könnte, um einen kompromisslosen Elektroantrieb zu entwickeln», erklärt Laishley. Die beiden Marken teilen eine vergleichbare Philosophie, und Laishleys Aussage lässt aufhorchen, da die Sporttochter von Renault soeben verkündet hat, dass sie die Gespräche mit Lotus über die künftige Vermarktung eines leichten Elektrosportwagens eingestellt habe. Dennoch gibt der Caterham-CEO an, er führe derzeit keine Gespräche mit den Franzosen.

Damit der Prototyp in eine zweite Entwicklungsphase eintreten kann, muss Caterham seinem Besitzer, aber auch externen Investoren beweisen, dass es eine Nachfrage nach einem solchen Fahrzeug gibt. Daher fordert der Hersteller die Kunden auf, ihr Interesse zu bekunden, indem sie sich auf der Website des Unternehmens registrieren. Bereits 1500 Personen haben diesen Schritt getan. Bob Laishley würde gerne einen Wert von 3000 erreichen. Der Preis für den Sportwagen soll bei rund 80 000 Franken liegen. 

PORTRAIT designer Anthony Jannarelly Profile Image

Der französische Designer Anthony Jannarelly entwarf das Project V.

«Die Autos der Zukunft werden elektrisch sein»

Bob Laishley (Bild u.) ist von Beruf Ingenieur und arbeitet seit zweieinhalb Jahren bei Caterham. Er begann als Strategic Officer. Seit eineinhalb Jahren ist er als Geschäftsführer für die Geschicke des kleinen Herstellers verantwortlich. Davor war er fast 25 Jahre lang für Nissan tätig, wo er als ­Chefingenieur die Entwicklung verschiedener ­Modelle (u. a. Qashqai) beaufsichtigte. «Ich war auch für die Entwicklung von Sportwagen wie dem GT-R, den Nismo-Modellen oder den Z-­Modellen verantwortlich», sagt er. Mit der AR spricht er darüber, wie er das Unternehmen langfristig sichern will.

AUTOMOBIL REVUE: Wie geht es Caterham?
Bob Laishley: Ziemlich gut. Die Verkäufe laufen gut. Wir planen, die Produktionslinie für den Seven zu verlegen, um die Produktionskapazität zu erhöhen. Statt 600 jährlich produzierter Exemplare werden wir in Zukunft in der Lage sein, 750 Fahrzeuge zu montieren, und das in einer Schicht. Man muss bedenken, dass wir mehr Bestellungen erhalten, als wir Fahrzeuge produzieren können. Am neuen Standort werden wir auch in der Lage sein, auf zwei Schichten pro Tag umzustellen, wenn wir dies wünschen.

Welche Märkte sind für Sie am wichtigsten?
Der wichtigste ist England, wo wir jedes Jahr etwas mehr als 200 Fahrzeuge verkaufen. Es ist der einzige Markt, wo das Auto als Bausatz gekauft und direkt vom Käufer zusammengebaut werden kann. 20 Prozent der in England verkauften Autos werden als Bausatz verkauft, also rund 40 Stück. Danach sind die beiden grössten Märkte Frankreich und Japan, wo wir etwa 120 Fahrzeuge pro Jahr verkaufen.

Wie viele Personen arbeiten für Caterham?
Etwa 130 Personen, von denen sich etwa 40 mit der Montage beschäftigen. Von diesen arbeiten etwa 20 an den Produktionslinien, fünf in der Karosserieabteilung und fünf oder sechs im Lager.

2021 wurde Caterham von seinem japanischen Importeur, VT Holdings, übernommen. Was hat sich dadurch für das Unternehmen geändert?
Der grösste Unterschied besteht in der Unterstützung, die wir erhalten, und den Investitionen, die wir tätigen konnten. So konnten wir unter anderem das IT-System und die Lieferkette verbessern.

Da Caterham weniger als 1000 Fahrzeuge pro Jahr herstellt, kann das Unternehmen auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verkaufen.
Für uns ist 2035, das eigentliche Ultimatum rund um das Ende der Verbrennungsmotoren, nicht so sehr mit der Gesetzgebung, sondern vielmehr mit der Verfügbarkeit von Teilen verbunden. Da wir keine eigenen Motoren herstellen, sind wir völlig abhängig von den Entscheidungen der grossen Hersteller. Um es vorwegzunehmen: Wir suchen derzeit nach einem Verbrennungsmotor, der den Ford Duratec ablösen kann, und das ist keine leichte Aufgabe. Glücklicherweise planen einige Hersteller, bis 2030 weiterhin Verbrennungsmotoren zu bauen. Und sie müssen für die darauf folgenden zehn Jahre, also bis etwa 2040, Ersatzteile bereitstellen. Diese Teile können wir verwenden, um weiterhin Motoren zu bauen. Derzeit sprechen wir mit verschiedenen Motorenherstellern, aber es wurde noch nichts unterschrieben.

Wird das geplante Project V den Seven irgendwann ersetzen?
Nein, es wird Platz für beide Modelle nebeneinander geben. Aber es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Autos der Zukunft über eine elektrische Maschine und eine Batterie verfügen werden.

Ist das wirklich so? Glauben Sie nicht, dass Caterham auf die Technologie des Wasserstoffverbrennungsmotors setzen könnte?
Ja, warum nicht. Aber das Problem ist immer noch das gleiche, denn dazu müssten die grossen Hersteller solche Systeme entwickeln, und sie müssten mit Leichtigkeit in den Seven eingefügt werden können. In diesem Fall würden wir sie mit Interesse übernehmen. Aber das ist nichts, worauf wir Einfluss nehmen können. Einfach ausgedrückt: Das liegt nicht in unserer Hand, sondern in der Hand der grossen Hersteller. Interview: Olivier Derard

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Fotos: Caterham

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