Mercedes musste etwas tun. Aus China weht ein rauer Wind, die bisherige Elektrostrategie kommt bei der Kundschaft nur mässig gut an, und die neuen Vierzylinder-Plug-in-Hybride von AMG halten Kunden eher ab als sie anzulocken. Die beim Jahresrückblick 2024 veröffentlichten Zahlen zeigten entsprechend nach unten. Im Rahmen eben dieses Rückblicks zeigte man denn auch gleich, wie man das Ruder herumzureissen gedenkt. Und das ist weit mehr, als nur die eingefleischte Fangemeinde der drei schnellen Buchstaben wieder mit acht Zylindern zu beglücken. Aufseiten des Massenmarktes wird die bisherige Strategie eingestampft und durch eine neue Ersetzt. Anstatt Verbrenner und Stromer zu separieren, werden sie künftig auf einer gemeinsamen Plattform aufbauen. Ihr Name: Mercedes Modular Architecture, kurz MMA.
792 Kilometer Reichweite im neuen Mercedes CLA
Moritz Doka | 13.03.2025
Für Mercedes hängt viel vom Erfolg der neuen MMA-Plattform ab, die sowohl Elektroantriebe als auch Verbrennungsmotoren beherbergen kann. Den Auftakt macht der CLA.
Bis zu 792 km Reichweite
Den Anfang macht der neue CLA, die Serienversion des Vision EQXX von 2022. Warum nicht ein SUV, wenn die sich doch heute so gut verkaufen? «SUVs sind ebenfalls in der Pipeline», erklärt uns Mercedes-Chefentwickler Markus Schäfer. «Für den Anfang haben wir uns für eine Limousine entschieden, um mit maximaler Effizienz und Reichweite zu starten.» Da verspricht Herr Schäfer nicht zu viel. Unglaubliche 792 Kilometer Reichweite sind maximal möglich. Den Strom dafür liefert ein Nickel-Mangan-Kobalt-Akku mit Anoden aus Siliziumoxid mit Grafit und 85.5 kWh nutzbarer Energie. Dank einer Energiedichte von 680 Wh/l ist der Speicher mit 496 Kilogramm vergleichsweise leicht.
Seine Fähigkeiten hat der CLA im April 2024 unter Beweis gestellt, als er in 24 Stunden 3717 Kilometer zurücklegte und 40 Ladestopps à zehn Minuten einlegte. Das zweite Highlight ist nämlich die Ladeleistung. Dank 800-V-Technik kann mit bis zu 320 kW bei Gleichstrom geladen werden, womit in zehn Minuten Strom für 300 Kilometer Reichweite in den Akku fliesst.
Zur Erinnerung, wir sprechen hier von einem Einstiegsmodell. Im bisherigen Luxus-Flaggschiff EQS mit 400 V schafft maximal 210 kW. Zum Aufladen braucht es natürlich Säulen mit der entsprechenden Leistung. Bis zum Ende des Jahrzehnts will Mercedes rund 10'000 davon in den USA, Europa, China und anderen Märkten bauen, zugänglich für alle Marken.
Extrem effizient
Für die angepeilten Reichweiten ein grosser Akku nicht genug. «Wir wollten nicht einfach Reichweite durch eine grosse Batterie erreichen, sondern das effizienteste Elektroauto am Markt entwickeln,» so Markus Schäfer. So verfügt der 200 kW (272 PS) starke, permanenterregte Synchronmotor auf der Hinterachse über ein Zweiganggetriebe, um gute Beschleunigungswerte mit hohen Anhängelasten und bestmöglicher Effizienz bei höheren Geschwindigkeiten zu verbinden. Die serienmässige Wärmepumpe nutzt die Wärme des Antriebs, der Batterie und der Umluft.
Rekuperiert werden kann mit bis zu 200 kW bis in den ABS-Regelbereich, womit die Reibbremse quasi nie zum Einsatz kommt. So beim CLA 250+ steht am Ende ein Verbrauch von sagenhaften 12.2 kWh/100 km auf dem Papier. Beim allradgetriebenen CLA 350 mit 260 kW (354 PS) sind es 12.5 kWh/100 km. Der zusätzliche 80-kW-Motor auf der Vorderachse läuft nicht mit und wird nur bei auftretendem Schlupf oder hohem Leistungsabruf zugeschaltet. Alle technischen Daten des neuen Mercedes CLA finden Sie am Ende des Artikels!
Evolutionäres Design
Die ganze Technik wird vom Design clever verborgen. Auf den ersten Blick könnte man den neuen CLA auch für ein Facelift halten. Das ist Absicht. Schliesslich soll das Auto möglichst viele Kunden ansprechen, was mit dem bisherigen EQ-Design definitiv nicht gelang. Der CLA hingegen sah immer sehr ansprechend aus, so auch der neue. Front und Heck werden von durchgehenden LED-Bändern und Tagfahrleuchten in Sternform dominiert. In der geschlossenen Frontmaske leuchten 142 einzeln ansteuerbare kleine Mercedes-Sterne.
Um die 29 Millimeter mehr Karosseriehöhe zu kaschieren, sind die Seitenfenster nun länger und besitzen ein zusätzliches Segment. Gleichzeitig wuchs der Radstand um 61 Millimeter, die Überhänge sind knapper. Mit einem Cw-Wert von 0.21 zeigt der CLA, dass ein aerodynamisches Auto nicht wie ein halb aufgebrauchtes Stück Seife aussehen muss. Bis auf einen durchströmten und von einem LED-Band umrandeten Kühlergrill sehen die Versionen mit Verbrennungsmotor übrigens exakt gleich aus. Alle Bilder vom neuen Mercedes CLA finden Sie am Ende des Artikels in der Bildergalerie!
Die Plattform des CLA wurde aber auf Elektroantriebe hin optimiert, was eine optimale Raumausnutzung bedeutet. Im Fond geniessen auch Personen über 1.80 Meter Körpergrösse viel Beinfreiheit. Am Scheitel wird die Luft dann dünn. Da werden dann der Shooting Brake und die SUV-Versionen GLA und GLB Abhilfe schaffen. Deren Kofferräume werden vermutlich auch noch etwas mehr Volumen bieten als die Limousine mit gut 400 Litern – beziehungsweise über 500 Liter, wenn man den grosszügig dimensionierten Frunk mit einberechnet.
Supercomputer als Infotainment
Bei den Bits und Bytes geht es dann mindestens so revolutionär zu wie in Sachen Antrieb. Entscheidend dabei ist die besonders tiefe Integration des Betriebssystems MB.OS in das Auto, welche ein besonders umfassendes Nutzererlebnis sicherstellen soll. So reagiert der neue, visuelle Sprachassistent mittels Anpassung der Ambientelichtfarben auf Gemütszustände und Eingaben. Bei der Präsentation im Studio wurden die meisten natürlich gesprochenen und komplexen Befehle verstanden und umgesetzt. Bei einigen Sprachbefehlen hakte noch, was sich durch ständiges Dazulernen aber mit der Zeit geben dürfte.
Die vierte Generation des Infotainmentsystems MBUX integriert künstliche Intelligenz von Google und Microsoft, die Grafik basiert auf der Unreal Engine aus dem Gaming-Bereich. Die Darstellung wurde etwas entschlackt, auf dem Homescreen werden nun die zuletzt genutzten Apps angezeigt. Die Karten basieren auf Google Maps und integriert Daten zu Topografie, Verkehr, Temperaturen und mehr, um die Navigation optimal auf die Elektromobilität zuzuschneiden.
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Darüber hinaus können nun auch die Fahrassistenten mittels Over-the-Air-Updates auf dem neuesten Stand gehalten und ergänzt werden. Die Assistenzsysteme werden von acht Kameras, fünf Radar- und zwölf Ultraschallsensoren gefüttert und von einem Nvidia-Hochleistungscomputer gesteuert; dieser ist zur verbesserten Effizienz wassergekühlt.
Serienmässig bietet der CLA unter anderem einen Abstandstempomaten, gegen Aufpreis Systeme zum Spurfolgen und mehr. In China wird zum Marktstart «Level 2++» möglich sein. Zwei zusätzliche Kameras erlauben dann erweitertes teilautonomes Fahren in der Stadt. In Europa erlaubt dies das Gesetz noch nicht, das Auto wäre dazu bereit.
Gamen im Auto
Ebenfalls auf China ausgelegt ist der optionale 14-Zoll-Bildschirm für den Beifahrer, der den gleich grossen Infotainment-Screen ergänzt. Man kann darauf Filme schauen und zum Gamen sogar einen X-Box-Controller verbinden. Sobald der Fahrer auf dieses Display schaut, wird die Wiedergabe unterbrochen, was sich in der Praxis störend gestalten dürfte. Andere Hersteller machen den dritten Bildschirm für den Fahrer gar nicht erst einsehbar.
Was alle Kunden freuen wird, ist die verbesserte Qualitätsanmutung. Die meisten Oberflächen fühlen sich merklich wertiger an als bisher, und manche Ausstattungsoptionen finden sich sonst nur in höheren Klassen. Kunststoff gibt es nach wie vor, was für ein Einstiegsmodell aber in Ordnung ist.
Auch mit Hybridmotoren
Zunächst ist der CLA mit Elektromotoren und der grossen Batterie bestellbar. Ende Jahr folgt dann ein Lithium-Eisen-Phosphat-Akku mit 58 kWh und rund 550 Kilometer Reichweite. Anfang 2026 schickt Mercedes dann die angesprochenen 48-V-Mildhybride ins Rennen. Sie kombinieren einen 1.5-Liter-Vierzylinder-Benziner mit einer 20 kW (27 PS) starken Elektroeinheit, die im Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe steckt. Dieser wird von einem 1.3-kWh-Akku gespiesen und erlaubt elektrisches Fahren bis 100 km/h. Fakt am Rande: Der Verbrenner wurde von Mercedes entwickelt – wird aber bei Geely in China gebaut.
Um in den Genuss davon zu kommen, wird man für die Elektroversion wohl zwischen 50'000 und 60'000 Franken einplanen müssen. Ein angemessener Preis für ein solches Technikmonster. Das Versprechen, der neue CLA sei «das intelligenteste Auto, das Mercedes je gebaut hat», klingt jedenfalls nicht übertrieben. Mercedes musste etwas tun – und hat geliefert.
Technische Daten Mercedes-Benz CLA 250+ mit EQ Technologie
Antrieb und Batterie
- Antrieb: Allrad
- Elektromotoren: Permanenterregte Synchronmotoren (hinten 2 Gänge)
- Maximale Leistung: 260 kW (354 PS)
- Maximales Drehmoment: 515 Nm
- Batterietyp: Lithium-Ionen
- AC-Ladeleistung: max. 11 kW
- AC-Ladezeit (11 kW): 9 h
- DC-Ladeleistung (max.): 320 kW
- DC-Ladezeit: 22 min
- Nachgeladene Reichweite (DC) nach 10 Minuten (WLTP): 275-315 km
Abmessungen und Gewicht
- Radstamd: 2790 mm
- Spurweite vorne/hinten: 1605/1574 mm
- Länge/Breite/Höhe: 4723/1855/1468 mm
- Wendekreis: 11.21 m
- Kofferraumvolumen (VDA): 405 l
- Frunk: 101 l
- Gewicht fahrbereit: 2135 kg
- Nutzlast: 440 kg
- Zulässiges Gesamtgewicht: 2575 kg
Fahrleistungen, Verbrauch, Emissionen
- 0-100 km/h: 4.9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
- Energieverbrauch kombiniert (WLTP): 14.7-12.5 kWh/100 km
- CO2-Emissionen kombiniert (WLTP): 0 g/km
- Reichweite (WLTP): 672-771 km
- Energieeffizienzklasse: A
Bildergalerie Mercedes CLA
Bilder: Mercedes-Benz
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