Der Renault-Konzern ist immer wieder für eine Überraschung gut. Nachdem er mit seinem Renault 5 und dem Alpine A290 Kritiker und Kunden gleichermassen überzeugt hat, stellt der französische Mischkonzern nun den R5 Turbo 3E vor. Als moderne Neuinterpretation der Modelle Turbo und Turbo 2 aus den 1980er Jahren ist dieses Auto, wie die beiden Vorgängermodelle, absolut verrückt. Und das ist noch untertrieben. Das beginnt schon beim Design.
Renault Turbo 3E: 4800 Newtonmeter im Kleinwagen
Olivier Derard | 17.03.2025
Renault lässt den R5 Turbo von einst im Elektroformat wieder aufleben. Die Kühnheit des Kleinwagens betrifft sowohl das Design als auch die Technik: breit, 540 PS, Heckantrieb.
Renault Turbo 3E: Karosserie aus Carbon
Als würdiger Nachfolger ist der Turbo 3E ästhetisch genauso gewagt wie seine Vorfahren. Nur die Windschutzscheibe, die Rückleuchten, der Rückspiegel und die Türgriffe des Zweitürers wurden vom regulären R5 und der Alpine A290 übernommen. Die Karosserie besteht vollständig aus Carbon. An der Front behält das Design die Anmutung seiner Vorgänger bei: Quadratische Scheinwerfer überlagern zusätzliche LED-Tagfahrlichter, die ebenfalls quadratisch sind und an die Fernlichter von früher erinnern. Letztere befinden sich in einem markanten Schild, das mit zahlreichen Lufteinlässen durchbrochen ist.
Weitere vergrösserte Öffnungen befinden sich auch an der Motorhaube. Die Löcher in den Seitenwänden vor den verbreiterten hinteren Kotflügeln, die 20-Zoll-Räder aufnehmen, dienen zur Kühlung der Bremsen. Das linke verbirgt zusätzlich die Ladeklappe. Die durch diese Öffnungen geleitete Luft tritt unter den Rückleuchten wieder aus. Die Bereifung ist asymmetrisch: 275er hinten und 245er vorne.
Im Vergleich zum Renault 5 E-Tech electric (3.92 m Länge und 2.54 m Radstand) wurde die Windschutzscheibe nach hinten versetzt und der Radstand leicht vergrössert (auf 2.57 m). Die Länge hingegen nimmt um einige Zentimeter zu und erreicht 4.08 m. Aber es ist zweifellos die Breite, die den Kleinwagen am meisten auszeichnet, denn er misst 2.03 m. Renault-Ingenieure haben bei der Präsentation des Modells erklärt, dass es ihres Wissens nach kein anderes Auto mit solchen Proportionen gibt. Das Verhältnis von Länge zu Breite beträgt übrigens 2.01. Völlig verrückt. Und: Die maximale Breite der Karosserie wird nicht an den Rückspiegeln, sondern an den hinteren Kotflügeln gemessen.
Chassis aus Aluminium, zwei Motoren treiben die Hinterachse an
Wie die Karosserie ist auch das Fahrgestell speziell. Nach dem Rezept der ursprünglichen Turbo und Turbo 2 basiert die dritte elektrische Generation tatsächlich auf einer neuartigen Plattform, die eigens für sie entwickelt wurde.
Sie besteht vollständig aus Aluminium und verfügt über eine 70-kWh-Batterie im Boden zwischen den Achsen. Der Turbo führt eine neue Motortechnologie ein, die nicht unter der Fronthaube oder auf den Achsen, sondern in den Rädern installiert sind. Genau, im Inneren der Felgen, genau dort, wo normalerweise die Bremsscheiben und -sättel sitzen. Da der Turbo, wie seine Vorgänger, ein reiner Hecktriebler ist, verfügt er über zwei Elektromotoren, einen pro Hinterrad.
Zwar wurde diese Lösung bereits in zahlreichen Prototypen gezeigt, doch ist es eines der ersten Male, dass sie in einem (Klein-)Serienfahrzeug zum Einsatz kommt. Auf Nachfrage zu zum Thema ungefederte Massen und damit verbundene Dynamikprobleme wollten die Ingenieure keine weiteren Informationen geben. Sie würden bei einem Partner zusammengebaut und nicht in Cléon hergestellt.
Renault gibt den Namen dieses Zulieferers derzeit nicht bekannt, obwohl allgemein bekannt ist, dass das Unternehmen eine hervorragende Zusammenarbeit mit dem französischen Unternehmen Valeo aufgebaut hat. Von da bis zu der Aussage, dass dieser Zulieferer für das Engineering zuständig sein wird, ist es nur ein kleiner Schritt. Aber das muss noch bestätigt werden. Im Übrigen kann aber bereits bestätigt werden, dass der Turbo von einem Hinterachsgetriebe profitieren wird, das vollständig für Radnabenmotoren konzipiert ist, sowie von einer speziellen (passiven) Federung.
Die Leistungsdaten des Renault Turbo 3E: 540 PS und 4800 Nm Drehmoment
Bei den Fahrleistungen darf man einiges erwarten. 397 kW (540 PS) entwickeln die beiden Maschinen zusammen. Das Drehmoment ist monströs: 4800 Newtonmeter. So wird das Auto in der Lage sein, in 3.5 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen, bevor es bei 270 km/h abregelt.
Als regelrechtes Ideenlabor eröffnet der Turbo 3E dank seiner Radnabenmotor-Technologie neue Möglichkeiten. Dazu gehört die Möglichkeit, ein Torque Vectoring zu realisieren. Da eine solche Architektur nicht nur ohne Getriebe, sondern auch ohne Kardanwelle auskommt, wird sie ausserdem eine erhebliche Platz- und Gewichtsersparnis ermöglichen. Das Auto wird nicht mehr als 1450 kg wiegen und ein sportliches Leistungsgewicht von 2.7 kg/PS aufweisen.
Die Ladeleistung im Renault Turbo 3E: Aufladen bis 350 kW dank 800-Volt-Technik
Renault versichert, dass der Turbo 3E in der Lage sein wird, mehrere heisse Runden auf der Rennstrecke zu absolvieren, bevor er sich dank seiner 800-Volt-Architektur und seiner maximalen Gleichstromladeleistung von 350 kW (11 kW bei Wechselstrom) schnell wieder auflädt. So reichen etwa fünfzehn Minuten aus, um von 15 auf 80 Prozent zu kommen.
Zwei Vollschalensitze aus Carbon
Im Innenraum beschränkt sich der supersportliche Stadtflitzer auf zwei Vollschalensitze aus Carbon. Sie sind mit Sechs-Punkt-Gurten ausgestattet und können bis ins kleinste Detail individuell gestaltet werden. Sie stehen Elementen gegenüber, die von R5 und A290 übernommen wurden, wie den Bildschirmen mit 10.1 und 10.25 Zoll sowie dem Lenkrad. Letzteres ist jedoch mit Alcantara bezogen.
Auch das Armaturenbrett ist speziell und beherbergt unter anderem eine vertikale Handbremse im Rallye-Stil. Leider wird diese nicht hydraulisch, sondern elektrisch sein. Hinter den Sitzen befindet sich ein Bügel über einem grossen Fach (dank der in den Rädern untergebrachten Motoren), das für Gepäck oder sogar für Helme und Rennoveralls vorgesehen ist.
Die Lackierungen des Turbo sind vollständig anpassbar. Einige erinnern an historische Lackierungen der Vorgänger wie das Granatapfelrot oder an Rennlackierungen wie die Tour de Corse 1982-Lackierung in Gelb, Weiss und Schwarz. Es werden auch neue Lackierungen im Stil eines Gentleman Drivers oder entschieden modernere Designs erhältlich sein.
Renault Turbo 3E: Preise stehen noch nicht fest
Die Stückzahl des Turbo 3E wird auf 1980 Exemplare begrenzt sein, in Anlehnung an das Jahr der Einführung des Turbo 1. Hingegen schweigt sich Renault noch über den Montageort aus (in Dieppe bei Alpine? Bei einem auf Sportwagen spezialisierten Partner? In Douai auf einer kleinen Spezialstrasse?).
Der Preis wird hoch sein, wahrscheinlich über 150'000 Franken. Das entspricht in etwa dem aktuellen Preis einiger Turbo und Turbo 2, von denen zwischen 1980 und 1985 insgesamt 4857 Exemplare produziert wurden. Renault weiss noch nicht, wie viele davon für die Schweiz reserviert werden – ein Markt, auf dem diese kleinen Flitzer traditionell sehr erfolgreich sind. Das sollte auch für den Turbo 3E gelten.
Warum kein Alpine Turbo 3E?
Innerhalb des Renault-Konzerns sind die Rollen der einzelnen Marken klar verteilt: Dacia ist für preiswerte, aber coole Fahrzeuge zuständig, Renault kümmert sich mit seinem breiten Allround-Sortiment um den Grossteil des Marktes und Alpine besetzt mit seinen sportlichen Modellen das obere Marktsegment. Das war in groben Zügen die Organisation, die Luca de Meo bei seinem Amtsantritt im Jahr 2020 angestrebt hatte. Seitdem war der Konzern nicht von dieser Regel abgewichen.
Aber das wird sich bald ändern, denn der neue Turbo 3E wird nicht unter der Marke Alpine, sondern unter dem Label Renault vermarktet, da das Unternehmen vor allem die Geschichte des Modells respektieren möchte. Der Turbo 1 von 1980 und der Turbo 2 von 1983, die sowohl bei Rallyes als auch auf der Rennstrecke brillierten – wer könnte ihre Leistungen mit Jean Ragnotti am Steuer vergessen? – waren keine Alpine, sondern Renault. Unwahrscheinlich, dass sich ein Purist über das fehlende Alpine-Logo auf der Karosserie beschweren wird.
Fotos: Renault
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