Jörg Bergmeister: «Der Elfer bleibt – er lädt nur schneller nach»

Michael Schenk | 07.10.2025

Er kennt jeden Elfer bis zur letzten Schraube – doch der neue 911 Turbo S T-Hybrid überrascht selbst ihn. Jörg Bergmeister, Markenbotschafter und Entwicklungsfahrer, erklärt, warum der Hybrid kein Stilbruch ist, sondern die pure Essenz von Porsche.

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Porsche-Werksfahrer Jörg Bergmeister (links) und der Redaktor der AUTOMOBIL REVUE, Michael Schenk

Jörg Bergmeister ist einer, der es wissen muss. Seit 2002 war er Werksfahrer für Porsche, gewann Le Mans, Daytona, Sebring – praktisch alles, was auf vier Rädern Ruhm verspricht.

Heute ist er Markenbotschafter und Entwicklungsfahrer. Einer, der in Weissach nicht nur als Legende gilt, sondern auch als Sensor. Wenn Bergmeister in ein Auto steigt, geht es um Nuancen, um Zehntel – oder um 14 Sekunden. So viel schneller ist der neue 911 Carrera Turbo S T-Hybrid auf der Nordschleife als sein Vorgänger.

Wir haben mit ihm über Skepsis, Sauger-Gefühl, Mehrgewicht und den Unterschied zwischen GTS und Turbo S gesprochen.

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Jörg Bergmeister, Sie sitzen seit 30 Jahren im 911er-Porsche. Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Rennen?

(lacht) Ja, das war 1994 im 964 Cup, ich war 18 Jahre alt. Seitdem bin ich nie wirklich vom Elfer losgekommen. 2002 kam der Werksvertrag, 2019 war mein letztes Jahr als Vollprofi, und heute begleite ich die Entwicklung als Markenbotschafter. Für mich war es ein Glücksfall, Generation für Generation den Fortschritt hautnah mitzuerleben.

Der neue 911 GTS respektive Turbo S hat nun erstmals den T-Hybrid. Viele Hardcore-Fans fragen sich: Spült das den 911er nicht weich respektive macht ihn schwerfälliger?

Genau das Gegenteil ist der Fall. Natürlich bringt ein Hybrid immer ein paar Kilo mehr auf die Waage (Anm. Red. Plus 85 kg im Vergleich zum Vorgängermodell). Das lässt sich mit Leistung kompensieren. Zudem ist das System so clever integriert, dass du es im Fahrbetrieb nicht negativ spürst. Im Gegenteil: der E-Booster eliminiert das klassische Turboloch total. Der Motor spricht sofort an – fast wie ein Sauger. Und das verändert das ganze Fahrgefühl.

Wie genau?

Man kann den Elfer über den Gasfuss positionieren. Du gibst Last, das Auto rotiert, du kannst mit dem Heck spielen. Das ist die Art von Fahrbarkeit, die wir Rennfahrer lieben. Beim klassischen Turbo musstest du manchmal auf den Ladedruck warten, jetzt hast du sofort Reaktion. Dieses direkte Ansprechen macht die Rundenzeiten – und die Freude – viel besser.

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14 Sekunden schneller auf der Nordschleife als das Vorgängermodell (992.1 Turbo S) – das ist kein Pappenstil?

Nein, das ist ein massiver Schritt. Und er zeigt: Das Mehrgewicht ist nebensächlich, wenn die Gesamt-Performance passt. Die Rundenzeit lügt nicht.

Sie haben beide Varianten getestet: den GTS und den neuen Turbo S. Wo liegt der Unterschied?

Der GTS ist für mich die fahrerische Essenz: spontan, agil, spielerisch. Der Turbo S ist das Maximum an Gewalt und Souveränität. Mit dem Hybrid kommt da noch einmal eine Dimension dazu – noch mehr Punch, noch mehr konstante Performance, auch wenn es auf der Autobahn Kilometer frisst. Der Turbo S ist in allem ein Stück extremer: mehr Leistung, mehr Traktion, mehr Stabilität bei Highspeed. Aber beide profitieren vom Hybrid-Prinzip, weil das System in beiden Fällen das Ansprechverhalten veredelt.

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Das klingt, als ob Sie den Hybrid nicht mehr missen möchten?

Absolut. Ich war selbst skeptisch, bevor ich das System erlebt habe. Aber sobald du es fährst, merkst du: Hier ist nichts weichgespült, nichts auf Öko getrimmt. Das ist ein Performance-Hybrid. Die E-Lader sammeln bei Volllast Energie, beim Verzögern rekuperierst du – das ist Motorsport-Logik, clever umgesetzt für die Strasse.

Und der Alltag? Ist das System auch für die Autobahn entspannt?

Ja. Mit dem neuen PDCC, also der aktiven Wankstabilisierung, hast du auf der Autobahn Komfort, weil die Stabis weich gestellt sind. Fährst du in die Kurve, spannen sie hart an. Das fühlt sich an, als hättest du zwei Autos in einem: Reisekomfort und Rennstreckenpräzision.

Sie wirken begeistert. Gibt es für Sie als Fahrer auch kritische Punkte?

Natürlich achte ich immer auf die Einbindung. Für mich ist entscheidend: Kann ich mit meinem Gasfuss das Auto beeinflussen? Oder fahre ich nur noch eine Maschine? Beim T-Hybrid ist es gelungen: Ich bleibe der Dirigent, das System ist die Verstärkung. Das ist befriedigend und fahrerisch anspruchsvoll.

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Der neue Porsche 911 Turbo S T-Hybrid zeigt hier sein elektrifiziertes Herz: Zwei Abgasturbolader mit integrierten E-Motoren und ein kompakter, axialer Elektromotor im Achtgang-PDK bilden das erste Hybrid-System seiner Art in einem Elfer. Jeder E-Lader kann den Ladedruck blitzschnell aufbauen, noch bevor Abgase anliegen – das Turboloch war gestern.

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Der neue Porsche 911 Turbo S T-Hybrid zeigt hier sein elektrifiziertes Herz: Zwei Abgasturbolader mit integrierten E-Motoren und ein kompakter, axialer Elektromotor im Achtgang-PDK bilden das erste Hybrid-System seiner Art in einem Elfer. Jeder E-Lader kann den Ladedruck blitzschnell aufbauen, noch bevor Abgase anliegen – das Turboloch war gestern.

Wenn wir nach vorn schauen – ist Hybrid die Zukunft des 911er?

Davon bin ich überzeugt. Das Konzept passt perfekt: mehr Performance, weniger Verbrauch, und die Gesetzgebung zwingt uns ohnehin, neue Wege zu gehen. Wichtig ist nur: Der Elfer muss sich immer wie ein Elfer anfühlen. Und mit diesem Hybrid tut er das sogar noch stärker.

Fotos: Porsche/MS

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