Mythen über Elektroautos: Reparaturen sind erheblich teurer…

Klaus Justen | 04.09.2024

… oder stimmt diese Aussage in ihrer Einfachheit nicht? Die deutsche Expertenorganisation Dekra hat sich die Reparaturkosten von Elektroautos und Verbrennern einmal näher angeschaut.

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Wenn es nach den Autofahrern im Nachbarland geht, ist die Sache eindeutig: Elektroautos sind nicht nur in der Anschaffung teurer, sondern auch dann, wenn sie in die Garage müssen für Service oder Reparaturarbeiten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage unter insgesamt 1000 Autobesitzern in Deutschland.

56 Prozent der Befragten in der Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos schätzen Wartungs- und Reparaturarbeiten beim Elektrofahrzeug teurer oder wesentlich teurer ein als bei Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselantrieb. 30 Prozent gehen davon aus, dass die Kosten gleichbleiben, während nur 14 Prozent glauben, Elektrofahrzeuge seien in Sachen Wartung und Reparatur günstiger. Die Zahl der Autofahrer, die Elektroautos deutlich teurer bewerten, ist damit in den vergangenen zwei Jahren noch einmal gestiegen; 2022 lag sie bei 50 Prozent. Vermutlich würde man zu vergleichbaren Ergebnissen kommen, wenn man Schweizer Autofahrern die gleichen Fragen vorlegen würde.

Wie sieht es aber in der Realität aus – lassen sich die Vorurteile halten? Eine Auswertung realer Fahrzeugschäden durch die Sachverständigenorganisation Dekra ergibt, dass die simple Gleichung „Elektro = teurer“ nicht unbedingt gilt, sondern dass eine differenzierte Betrachtung nötig ist.

Bei jungen Autos treiben Assistenzsysteme und deren Sensorik die Kosten

Dafür hat die Dekra mehr als 200‘000 ihrer Schadensgutachten unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Reparaturkosten bei Elektrofahrzeugen liegen im Durchschnitt tatsächlich etwas höher als bei Verbrennerfahrzeugen. Allerdings ist der Unterschied bei genauerem Hinsehen nicht so gross, wie der erste Blick suggeriert. „Wenn alle reparierten Verbrennerfahrzeuge mit allen reparierten Elektrofahrzeugen verglichen werden, ist das der sprichwörtliche Vergleich von Äpfeln und Birnen“, sagt Bernd Grüninger, Bereichsleiter Gutachten und Mitglied der Geschäftsleitung der Dekra Automobil GmbH. „Tatsache ist, dass die Flotte der Elektrofahrzeuge deutlich jünger ist als der durchschnittliche Verbrenner. Ein geringeres Fahrzeugalter bedeutet – unter anderem schon allein wegen der mehr verbauten elektronischen Fahrerassistenzsysteme und ihrer Sensorik – höhere Reparaturkosten, ganz unabhängig von der Antriebsart.“

In einem zweiten Schritt hat die Dekra deshalb die Auswertung eingegrenzt: Berücksichtigt wurden jeweils nur ein bis drei Jahre alte Elektrofahrzeuge und Verbrenner. Ergebnis: die durchschnittlichen Reparaturkosten bei Elektrofahrzeugen liegen um gut zehn Prozent über denen bei Verbrennern. Grüninger. „Es geht also keineswegs um Unterschiede von 30 oder 40 Prozent, die auch immer wieder durch die Kfz-Branche geistern.“

In die höheren Reparaturaufwände spielen mehrere Faktoren hinein. Zum einen gibt es Betriebe, die für Elektrofahrzeuge höhere Stundensätze abrechnen – etwa aufgrund notwendiger zusätzlicher Qualifikationen ihrer Beschäftigten. Zum anderen sind bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in bestimmten Fällen zusätzliche Arbeiten nötig, weil etwa das Fahrzeug spannungsfrei geschaltet werden muss.

Deutlich teurer wird es bei Elektroautos nur dann, wenn tatsächlich Hochvoltkomponenten betroffen sind. „Wenn ein Stossfänger zu tauschen ist, spielt die Antriebsart nicht die entscheidende Rolle. Wenn aber am Elektrofahrzeug zum Beispiel die Antriebsbatterie beschädigt ist, hat das natürlich gravierende Auswirkungen auf den Reparaturaufwand“, betont der Dekra-Experte.

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