Wer gelegentlich in Österreich unterwegs ist, kennt zum Beispiel im Inntal die zahlreichen Schilder mit Höchstgeschwindigkeit 100 und einem darunter stehenden kryptischen Buchstabenkürzel: IG-L. Das Kürzel steht für Imissionsschutzgesetz Luft und regelt klar, dass alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sich hier an Tempo 100 halten müssen.
Unter Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor fallen auch Plug-in-Hybride, auch wenn diese ja inzwischen vergleichsweise lange Strecken rein elektrisch zurücklegen können.
Nicht betroffen vom angeordneten Tempolimit 100 sind jedoch rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Das sind in der überwiegenden Zahl Autos mit Batterie (BEV), aber auch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle, die ihren Fahrstrom während der Fahrt aus Wasserstoff generieren. Für diese Vollelektriker gilt auf diesen Streckenabschnitten das allgemeine Autobahn-Tempolimit in Österreich, das bei 130 km/h liegt.
Während jedoch deutsche oder österreichische Fahrzeuge bei höherem Tempo zwar geblitzt werden, jedoch anhand des E-Kennzeichens keine Busse versendet wird, müssen Schweizer Autofahrer im Nachgang Widerspruch einlegen und belegen, dass sie mit einem Elektrofahrzeug unterwegs waren.
Aufpassen muss man als Elektromobilist aber, denn gelegentlich wechselt die Beschilderung und die Zusatzkennzeichnung IG-L entfällt. Dann gilt Tempo 100 uneingeschränkt für alle.
Im Nachbarland Deutschland gibt es in einzelnen Bundesländern vergleichbare Beschilderungen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist seit 2020 die Anordnung eines Tempolimits mit dem Zusatzzeichen Luftreinhaltung üblich.
Nun hat mit dem Oberlandesgericht Hamm ein Obergericht entschieden, ob auch Elektroauto-Fahrer durch ein solch beschildertes Tempolimit an die angeordnete Höchstgeschwindigkeit gebunden sind. Das Gericht musste sich mit der Beschwerde eines Autofahrers befassen, der schneller gefahren und gebüsst worden war.
Das Gericht entschied: Ein Tempolimit, das mit dem Zusatz Luftreinhaltung angeordnet wurde, gilt für alle. Begründung des Gerichts: Elektroautos stiessen zwar keine Abgase aus, allerdings verursachten sie Feinstaubemissionen durch Reifenabrieb (Aktenzeichen: III-3 ORbs 57/25 OLG Hamm).
Zu beachten ist: In Deutschland gelten Urteile von Oberlandesgerichten nur für das jeweilige Bundesland. In Bayern oder Baden-Württemberg könnten die zuständigen Oberlandesgerichte durchaus anders entscheiden – erst ein Urteil des Bundesgerichtshofs würde die Rechtslage bundeseinheitlich klären.
Allerdings hat auch schon in Baden-Württemberg das OLG Stuttgart vor einem Vierteljahrhundert klar gestellt, dass das Limit für alle gilt, auch wenn eine Zusatzkennzeichnung verwendet wird. Solche Zusatzschilder, etwa auch das Schild Lärmschutz, sind nach geltender Rechtsmeinung nur erklärende Hinweise, entfalten aber keine Rechtswirkung.
Faustregel für Deutschland also: Entscheidend sind die Zahlen im roten Kreis.
Irgendwie fehlt mir immer mehr der g.M.V. (gesunder Menschenverstand)
Beim Urteil OLG Stuttgart (vor einem Vierteljarhundert) war er offensichtlich noch vorhanden