Werner J. Haller | 05.04.2024
Automobil-SM Andreas Spring gehört bei Bergrennen und Slaloms zu den regelmässigsten Startern. Der 60-jährige Berner ist keiner, der die vordersten Ränge belegt. Sehr viel Leidenschaft für den Rennsport hat Andreas Spring trotzdem.
Tränen hat Andreas Spring in den Augen, als er sich an das Wochenende von 6./7. September 2008 erinnert. Damals fuhr er erstmals ein Bergrennen an einem Berg, an seinem Berg, dem Berner Gurnigel. «Als Bub war ich oft bei den Rennen dabei, und ich hatte mir zu jener Zeit geschworen, dass ich eines Tages auch am Gurnigelrennen starten würde», erzählt der seit 23. März 60-jährige Berner im Gespräch mit der AUTOMOBIL REVUE. Mit einem Renault 5 GT Turbo belegte er bei der Gurnigel-Ausgabe 2008 in der Rennklasse E1 bis 3000 Kubikzentimeter den achten von neun Plätzen. «Im zweiten von drei Durchgängen riss unglücklicherweise das Kupplungsseil. Das war ein Dämpfer, und ich wollte deshalb zuerst nicht weiterfahren. Aber dann wurde mir geholfen, und als ich später nach dem dritten Durchgang im Ziel einfuhr, freuten sich alle mit mir. Da war ein Joe Wyss, eine Ikone, der mir gratulierte, obwohl wir uns kaum gekannt haben.»
Ein Rennwagen in der «Tierwelt»
Andreas Spring war schon als Bub sehr nahe am Motorsport dran. Sein Vater arbeitete in der Garage einer anderen Ikone im nationalen Rennsport, Jürg Dürig. Die Familie lebte in der Wohnung über der Garage in Riggisberg am Fuss des Gurnigels. «Ich war eigentlich jeden Tag in der Garage unten.» Dort war eine Automarke omnipräsent: BMW. 1979 und 1981 war Dürig unter anderen Schweizer Meister mit einem 320i. Als Spring 19-jährig den Führerschein im Sack hatte, legte er sich ein erstes Auto zu, natürlich einen BMW, einen roten 2002. Das Foto dieses Autos hat Spring auch heute noch immer dabei. 1998 nahm Andreas Spring mit seinem BMW M3 E30 erstmals an einem Rennfahrerlizenzkurs des Automobil Clubs der Schweiz in Hockenheim (D) teil. 2005 und 2006 tat er das abermals, aber mit einem BMW M3 E36. «So hatte ich wenigstens ein bisschen das Gefühl, Rennfahrer zu sein, und ausserdem lernte ich auch viel über Fahrzeugkontrolle und vieles mehr.»
Doch trotz Nähe zum Rennsport und zu BMW zogen Jahre
ins Land, ehe Andreas Spring erstmals an einem Rennen teilnahm. Er wurde
übrigens auch nicht Mechaniker, er wurde Bäcker-Konditor. «Diese Arbeit
gab mir schliesslich den letzten Kick, dass ich mit 43 Jahren doch noch
im Rennsport debütierte», sagt Spring und lacht. Auf Umwegen sei er
schliesslich im fortgeschrittenen Alter bei der Bäckerei Steiner in
Riggisberg gelandet, welche natürlich wie andere regionale Unternehmen
auch nahe dran war am Bergrennen Gurnigel. «Eines Tages rief mich mein
Vater an und meinte, in der Zeitschrift ‹Tierwelt› sei ein Rennwagen
ausgeschrieben, der Renault 5 GT Turbo koste 3000 Franken.» Er habe
gezögert, «weil es mit dem Auto allein ja nicht gemacht ist, du brauchst
für den Transport auch einen Anhänger, und Helm und Overall waren auch
nicht vorhanden, nur um ein paar Dinge aufzuzählen, die nötig sind, um
Rennen zu fahren». Nach Gesprächen mit Szenekennern habe er den Renault 5
GT Turbo dann doch gekauft – und hatte sehr bald schon Angst, er müsste
ihn wieder abschreiben.
Das Grauen beim ersten Rennen
Am 1. Juli 2007 fuhr Andreas Spring sein erstes Rennen,
in Reitnau AG wurde damals noch ein Bergslalom gefahren. «Die eine
Rechtskurve war sehr schnell. Ein Rennfahrerkollege gab mir einen Tipp:
‹Wenn du das Gefühl hast, bremsen zu müssen, zähle erst noch auf drei
und bremse erst dann. So hast du die optimale Geschwindigkeit, um die
Kurve zu fahren.› Das habe ich getan, bin aber natürlich viel zu schnell
in diese Kurve hineingestochen. Das Auto schob unkontrollierbar über
alle vier Räder und landete in der Leitplanke. Ich konnte meine Fahrt
zwar fortsetzen, aber mir graute bei dem Gedanken, wie das Auto aussehen
würde.» Im Ziel wollte er deshalb lange nicht aussteigen, atmete aber
schliesslich erleichtert auf, als er sah, dass der Renault heil
geblieben war. Den Renault tauschte er nach zwei Saisons gegen einen BMW
318iS E36 – den er noch heute fährt.
Andreas Spring mag nicht zu jenen Piloten gehören, die
um Siege oder gar Titel kämpfen. «Natürlich fahre ich aus Leidenschaft,
aber ich habe auch Ehrgeiz. Meine Gegner sind eben nicht die Rennfahrer
ganz vorne, ich messe mich mit anderen, die weiter hinten in der
Rangliste stehen.» Aber wehe, Andreas Spring sieht eine Chance! «Zum
Beispiel wenn es regnet, schaut für mich die eine oder andere
Überraschung heraus.» So wie am 18. August 2013 beim schnellsten
Schweizer Bergrennen, jenem in Les Rangiers JU. «Ich habe meine Klasse
gewonnen! Natürlich half mir auch, dass ein Konkurrent wegen eines
Technikdefekts ausschied, aber das gehört eben auch zum Rennsport dazu.»
Bereit sein, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Zu seinen grössten Erfolgen zählt er den Sieg im Mai 2017 beim Slalom in Saanen BE. Auch an
diesem Tag regnete es.
Eindrückliche Zahlen
Andere Zahlen in der Rennfahrerkarriere von Andreas
Spring imponieren mehr als Resultate, die er in seiner Bilanz akribisch
führt: Jede Rennzeit und jeder Rang sind notiert. Aber auch, dass er mit
dem Renault 5 GT Turbo 18 Rennen am Berg oder bei Slaloms fuhr – und
dabei zwei Motorschäden beklagte. In den nunmehr 14 Jahren mit dem BMW
318is E36 bestritt er 150 Rennen und hatte dabei nur vier technische
Ausfälle! «Seit dem Gurnigelrennen 2009 ist derselbe Motor im BMW, ich
habe ihn noch nie revidiert.» Obwohl es ihn immer grause, wenn er in Les
Rangiers den Motor während jeweils mehrerer Sekunden auf über 6000
Touren jaulen höre. Fast hat Andreas Spring wieder Tränen in den Augen,
als er davon erzählt.
Fotos: Werner J. Haller, Archiv Andreas Spring