Der Planet Sébastien Loeb

Reiner Kuhn | 22.02.2024

50. Geburtstag Einer der erfolgreichsten Motorsportler wird am 26. Februar 50 Jahre alt. Grund, die Karriere von Sébastien Loeb genauer 
zu beleuchten und auf seinen ungewöhnlichen Lebensweg zu blicken.

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Sébastien Loeb: Der Rallye-Rekordweltmeister wird 50-jährig.

Die Fans hatten auf der Wertungsprüfung bei der Rallye Monte Carlo schon ihre Plätze bezogen, als ein Helikopter neben der Strecke landete, wenige Minuten bevor die Rallye-Asse mit ihren über 500 PS starken Hybridboliden über die vereiste Passstrasse drifteten. Und die Fans jubelten, als Sébastien Loeb dem Helikopter entstieg, sich in die Menge begab und das machte, was er schon als Jugendlicher liebte: Er schaute zu und war fasziniert von seinem geliebten Rallyesport – genauso wie seine engsten Freunde und eben auch Fans.

Kaum ein anderer Spitzenpilot hat so wenig Berührungsängste wie der bald 50-jährige Elsässer. Seine Bodenständigkeit ist wortwörtlich hausgemacht. Loeb wollte in die Fussstapfen seines Vaters treten. «Er war Turnlehrer im Verein und später regionaler Sportkoordinator, bevor er an einem Gymnasium unterrichtete. Das fand ich gar nicht so schlecht», erinnert sich der Sohn. Motorsport war zu dieser Zeit allenfalls zweitrangig, aber es gab den Wunsch, «ein klasse Auto zu haben». Ergo suchte er sich erst einen Ferienjob, verliess die Oberschule und machte eine Lehre als Elektriker. Den Lohn investiert er in einen gebrauchten Kleinwagen. In der Fahrschule und auf den folgenden Spritztouren wurde das Fahrtalent von Loeb erstmals offenbar.

Der Spätstarter

1995 zahlte der inzwischen 21-Jährige 100 Francs, damals rund 25 Franken, um zur Endausscheidung einer Nachwuchssichtung zugelassen zu werden. Loeb kurvte um Welten schneller als alle anderen Teilnehmer um den Kurs und stand schliesslich doch mit leeren Händen da. Zwei umgefallene Pylonen sorgten dafür, dass er ein Jahr später erneut beim Finale in Südfrankreich antrat – und gewann. Als Loeb seine erste regionale Rallye fuhr, war er bereits 23 Jahre alt, ein Alter, in dem seine Mitstreiter oft längst in der WM agierten. Loeb war gar 27, als er 2001 die Junioren-WM gewann und gleich beim ersten WM-Start im Werks-Citroën Gesamtrang zwei eroberte.

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Passion Rallye: Mit Citroën gewinnt Loeb alle neun WM-Titel, hier im Jahr 2012.

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Passion Rallye: Mit Citroën gewinnt Loeb alle neun WM-Titel, hier im Jahr 2007.

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Passion Rallye: 2022 wird er mit Ford erster Hybrid-Sieger in Monte Carlo.

Danach war das Vollgastier nicht mehr zu halten. Es gibt kaum eine Statistik, die der neunmalige Rallye-Weltmeister nicht anführt. 80 WM-Laufsiege bei 184 Starts, ergo eine Siegesquote von fast 50 Prozent, sind ebenso einsame Spitze wie 120 Podiumsplatzierungen (65.6 %), drei Finnland-Siege über die in ihrer Heimat als nahezu unschlagbar geltenden Finnen, der erste Sieg eines Nicht-Skandinaviers in Schweden. In der Saison 2005 schaffte Loeb auf Korsika das Kunststück, als bisher einziger Rallyepilot alle Wertungsprüfungen einer Rallye für sich zu entscheiden. Im gleichen Jahr gewann er zehn WM-Läufe, sechs davon in Folge, und toppte seinen eigenen Rekord drei Jahre später. Mit dem Debütsieg in der neuen Hybrid-Ära bei der Rallye Monte Carlo 2022 im Ford Puma schrieb er nochmals Geschichte.

Fast in der Formel 1

Aussergewöhnliches Fahrtalent zeigte der Präzisionsarbeiter auch ausserhalb des Rallyecockpits. 2006 fuhr er beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans (F) in einem offenen Sportwagen auf den zweiten Platz. Im Finale des Race of Champions besiegte Loeb ausgerechnet seinen Freund Michael Schumacher, mit dem er sich zu mehr oder weniger wilden Motorradausfahrten traf. «Als sich Michael erstmals aus der Formel 1 verabschiedete, kam er oft rüber und wollte mit mir eine flotte Runde drehen. Nur dumm, dass ich neben meiner Familie als Rallyeprofi einen wesentlich zeitaufwändigeren Job hatte als ein Unruheständler aus dem Grand-Prix-Zirkus», erinnert sich Loeb an die gemeinsame Zeit. Auch einige Testrunden in der Formel 1 absolvierte der Allrounder. Der Start am letzten Grand Prix 2009 scheiterte nur an der fehlenden Superlizenz. 2012 gewann er im Rallycross bei den X-Games in Los Angeles (USA). Ein Jahr später stürmte er in den Rocky Mountains mit Rekordzeit auf den 4301 Meter hohen Pikes Peak. In den Jahren 2014 und 2015 gewann Loeb sechs Rennen zur Tourenwagen-WM und stand 20-mal auf dem Podium, in der Rallycross-WM holte er zwei Siege und 17 Podestplätze.

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Nicht zu bremsen: Loeb fährt viele Autos und Rennen, 2013 in Rekordzeit beim Bergrennen Pikes Peak.

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Nicht zu bremsen: Loeb fährt viele Autos und Rennen, 2014/15 siegt er in der Tourenwagen-WM.

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Nicht zu bremsen: Loeb fährt viele Autos und Rennen, 2005/06 startet er zwei Mal in Le Mans

So sehr Loeb den Rennsport in all seinen Facetten mag, seine ganz grosse Liebe ist die Rallye. «In allen anderen Disziplinen fährst du immer wieder um die gleiche Ecke. Da muss ich mich viel mehr anstrengen und konzentrieren, um die letzte Präzision herauszuholen. Beim Rallyefahren arbeitest du mit den Streckennotizen, den Einstellungen am Auto und so weiter. Beim eigentlichen Fahren gibt es aber kaum Wiederholungen, es ist einfach weniger System und viel mehr Gefühl», erklärt Loeb.

Noch ein Sieg bei der Dakar

Was bringt die Zukunft, wenn er ab Montag 50-jährig ist? «Natürlich bin ich kein Youngster mehr, alt fühle ich mich aber nicht.» Nach acht Starts und einem dritten sowie drei zweiten Plätzen bei der Rallye Dakar will der Routinier noch einmal gewinnen. Mit 50 Jahren ist er dafür im besten Alter, wie sein ehemaliger Teamkollege Carlos Sainz dieses Jahr bewies. 

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Noch nicht alt genug: Die Rallye Dakar will Sébastien Loeb noch gewinnen.

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Noch nicht alt genug: Die Rallye Dakar will Sébastien Loeb noch gewinnen.

Fotos: Red Bull, Citroën

Sébastien Loeb: Seine grössten Erfolge

Rallye

Neunfacher Weltmeister (Rekord, 2004-2012, alle mit Citroën)

80-facher Sieger bei WM-Läufen (Rekord, mit Citroën, Hyundai und Ford)

Juniorenweltmeister (2001, 
mit Citroën)

Französischer Meister (2001, 
mit Citroën)

Rallye Dakar

Dreifacher Gesamtzweiter (2017, 2022, 2023, mit Peugeot und Prodrive)

Zweifacher Gesamtdritter (2019, 2024, mit Peugeot und Prodrive)

Sechs Siege bei Wertungs­prüfungen in Serie (Rekord, 2023, 
mit Prodrive)

Rallycross

Zweifacher Sieger bei WM-Läufen (2016, 2018, mit Peugeot)

Tourenwagen/GT-Sport

Zwei Mal WM-Gesamtdritter (2014/15, mit Citroën)

Sechsfacher Sieger bei WM-­Läufen (2014/15, mit Citroën)

Vierfacher Laufsieger FIA-GT-­Serie (2013, mit McLaren)

Langstreckenrennsport

Zweifacher Starter in Le Mans (2005/06, mit Pescarolo Sport)

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