Werner J. Haller | 29.02.2024
Langstrecken-WM Der Genfer Edorado Mortara ist Werkspilot von Lamborghini. Und er ist 2024 einer von fünf Schweizern,
die in der Langstrecken-WM ein Hypercar pilotieren.
Die Liste wird länger und länger. In der Langstreckenweltmeisterschaft tummelten sich 2023 bereits 17 Hypercars von sieben Automobilherstellern. Dieses Jahr werden es mehr sein, für den Saisonstart am Wochenende mit den 1812 Kilometern von Katar sind 19 Hypercars gemeldet. Neben Toyota, Ferrari, Porsche, Peugeot und Cadillac stossen nun auch die Marken BMW (2023 in der Imsa-Meisterschaft), Isotta Fraschini, Alpine und Lamborghini dazu. Es wird spektakulär, zumal auch die GTE-Klasse abgeschafft und durch die GT3-Kategorie mit vielen tollen Rennwagen ergänzt wird (s. Seite 21). Die Langstrecken-WM ist «the Place to be», hier wollen die meisten hin, nicht nur die Hersteller, sondern auch die Piloten. Das sagt Edoardo Mortara, der sich einen Platz hinter dem Lenkrad des Lamborghini SC63 gesichert hat. «Ich bin total begeistert, dass ich in dieser aufregenden Zeit ein Hypercar fahren darf. Die Langstrecken-WM wächst, und sie wird immer spannender und attraktiver.»
Mit Langstrecken-Erfahrung
Der 37-jährige Genfer ist in seiner Karriere schon viele verschiedene Rennwagentypen gefahren. Nach Kartsport und kleineren Formelserien fuhr er ab 2011 Tourenwagen in der DTM, bevor er 2018 in der Formel E landete, wo er immer noch fährt. Bis 2017 gewann er in Formel- und GT-Autos auch insgesamt siebenmal den Strassenklassiker in Macau (China). Mortara ist ein Allrounder, denn er blickt vor seinem Debüt in der Langstrecken-WM auch auf viele Kilometer bei Klassikern wie den 24 Stunden von Spa-Francorchamps (B) oder am Nürburgring (D) zurück.
«Ich fahre zwar erstmals in meiner Karriere in der
Langstrecken-WM und in einem Prototyp, aber nervös bin ich deswegen
nicht. Ich habe 2013 bei den 24 Stunden von Daytona die GT-Klasse
gewonnen, 2017 war ich in Spa Dritter. Ich kenne demnach auch das
Prozedere mit den Fahrerwechseln im Langstreckenrennsport, und ich
weiss, dass ein Set-up eines Autos immer auch ein Kompromiss zwischen
den Fahrern ist, die sich das Auto teilen. Ich schätze diese
Zusammenarbeit, im Langstreckenrennsport ist der Teamgedanke
ausgeprägter als in Serien mit Sprintrennen.»
«Der Berg Arbeit schreckt uns nicht ab»
Trotzdem ist es illusorisch zu glauben, dass die Newcomer Edoardo Mortara und Lamborghini im umkämpften Feld der Hypercars gleich an der Spitze ein Wörtchen mitreden. «Die Gegner, allen voran Toyota, haben sehr viel mehr Erfahrung.» Schon andere grosse Hersteller mussten Lehrgeld bezahlen. «Wir freuen uns ungemein auf diese Herausforderung, der Berg Arbeit vor uns schreckt uns nicht ab. Aber es ist klar, dass dieses Jahr für uns ein Lehrjahr ist. Wir wissen auch, dass es alles andere als einfach wird für uns. Daher ist es mir derzeit unmöglich, eine Prognose abzugeben», sagt Edoardo Mortara.
Das Hypercar Lamborghini SC63, eingesetzt vom Team Iron
Lynx, hat schon zahlreiche Testkilometer hinter sich, in Europa auf
Rennstrecken wie Imola (I), Le Castellet (F), Almería, Jerez de la
Frontera und Barcelona (alle E), aber auch in Austin und Daytona in den
USA. Giorgio Sanna, Leiter von Lamborghini Motorsport, meinte zum
Jahreswechsel: «Es gibt noch viel Arbeit am Auto vor dem Debüt, aber wir
sind zufrieden mit dem technischen Fortschritt, der Arbeit von Iron
Lynx und unserer Werksfahrer.» Mortara sass mehrere Male auch schon
hinter dem Lenkrad des Prototyps, der von einem
3.8-Liter-Biturbo-V8-Motor mit einer Leistung von rund 680 PS
angetrieben wird: «Ein neues Auto, mit viel Aerodynamik und Leistung,
aber trotzdem erscheint es mir schon vertraut. Die DTM-Autos, die ich
einst fuhr, fühlten sich ähnlich an.»
«Ich war noch nie in Le Mans»
Die Begeisterung auf die bevorstehende Saison ist
Mortara im Gespräch anzuhören. Im Hinblick auf die Zukunft und den
Saisonhöhepunkt wird er sogar überschwänglich. An den 24 Stunden von Le
Mans (F) habe er als Fahrer noch nie teilgenommen, «obwohl es
Möglichkeiten gab, die ich aber aus unterschiedlichen Gründen nie
wahrnehmen konnte». Selbst als Zuschauer sei er nie beim
Langstreckenklassiker dabei gewesen, «dabei höre ich Leute oft sagen:
‹Wenn du Motorsport erleben willst, gehe nicht zur Formel 1 – gehe nach
Le Mans!›». Dort werden am 15. Juni übrigens je 23 Hypercars und
GT3-Autos am Start stehen.
Fotos: Imsa, Formel E, DTM, Audi