Wild, wilder, Formel 1

Elmar Brümmer | 14.03.2024

Formel 1 Fällt Red Bull auseinander? Was bedeutet Audis Bekenntnis zu Sauber? Ist Alpine noch zu retten? Und wofür baut der Andretti-Rennstall? Neben der Strecke ist mehr los in der Formel 1.

97114

Eingeschworene Red-Bull-Truppe – das war einmal: Helmut Marko, Max Verstappen, Christian Horner und Sergio Pérez (v. l.) sind derzeit trotz Siegen und Rekorden angespannt.

Schon nach dem zweiten Rennen der Saison scheint klar, das Titelrennen wird wieder einsam. Max Verstappen ist scheinbar erneut nicht zu schlagen. Weit aufregender sind aber die News aus dem Mannschaftssport Formel 1. Da hat sich viel getan, und es wird sich auch noch einiges tun. Wir schauen nach dem Grand Prix von Saudi-Arabien ins Quartett.

Machtkampf

Red Bull: Eine Saga? Ein Drama? Jedenfalls nimmt der Machtkampf im Titelverteidigerteam kein Ende, ständig gibt es neue Wendungen. Längst ist klar, dass es nicht nur um das vermeintlich unangemessene Verhalten von Teamchef Christian Horner gegenüber einer Angestellten geht. Offenbar ist die Affäre ein willkommener Anlass, um das Ringen zwischen den thailändischen Mehrheitseignern und der österreichischen Konzernzentrale fortzusetzen. So schien am Freitag in Dschidda Helmut Marko kurz vor der Suspendierung zu stehen, nur um am Samstag im Amt bestätigt zu werden. Wohl auch, weil Ausnahmerennfahrer Max Verstappen zu seinem Förderer steht und indirekt mit einem Wechsel drohte, den eine entsprechende Ausstiegsklausel wohl möglich machen könnte.

Immer noch sehen viele Rennfahrervater Jos Verstappen als einen der Drahtzieher im Bemühen, Horner absetzen zu lassen. Erneut haben alle Seiten einen Frieden geschlossen, um den Erfolg des Teams nicht zu gefährden. Aber dass Mercedes an Verstappen und an Designer Adrian Newey interessiert ist, ist längst kein Branchengeheimnis mehr. Red Bull würde sich damit in die Reihe der Rennställe einreihen, die irgendwann am eigenen Erfolg und zu grossen Egos zerbrochen sind.

Audi greift ein

Sauber-Audi: Die Gerüchte-WM innerhalb der Formel 1 ist um eine Spekulation ärmer: Audi wird vor dem für 2026 geplanten Einstieg seines Werksteams nicht etwa noch einen Rückzieher machen, sondern den Sauber-Rennstall sogar komplett übernehmen. Ursprünglich sollte der Sauber-Retter Finn Rausing eine Sperrminorität von 25 Prozent behalten, nun aber will und wird der deutsche Konzern das komplette Sagen haben. Statthalter Andreas Seidl wurde endlich offiziell zum Teamchef berufen, und der beim neuen Audi-CEO Gernot Döllner offenbar nicht besonders beliebte Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann übernimmt den Verwaltungsratsvorsitz bei Sauber. Seidl hat damit freie Hand, um auch im aktuellen Renngeschehen kräftig Gas zu geben – was nach dem Fehlstart in die Saison auch dringend notwendig scheint. Mehr Personal und bessere Werkzeuge sollen eine schnellere Reaktionsfähigkeit der technischen Abteilung sichern. Seidl leistete an anderer Stelle bereits wertvolle Vorarbeit – das Budget-Cap wird für das Team an den hohen Kurs des Schweizer Franken angepasst. Klar ist jetzt auch, dass Sauber bis zum Reglementswechsel und Audi-Einstieg weiterhin mit Leihmotoren von Ferrari fahren kann.

97110

Personen und Projekte: Bei Sauber hat nun Andreas Seidl als Teamchef das Sagen (u. M.), Matt Harman hat als Technikdirektor bei Alpine gekündigt (o.l.) und der Andretti-Rennstall baut in den USA einen neuen Campus, angeblich auch für die Formel 1.

Wie ein Bröselkuchen

Alpine: Vielleicht wäre es einfacher aufzuzählen, wer im Vergleich zum Saisonstart des vergangenen Jahres vom Führungspersonal des französischen Rennstalls noch übrig ist: kaum jemand. Ein einziger Bröselkuchen. Der Konzernbevollmächtigte Bruno Famin, der im letzten Spätsommer den über Nacht geschassten Teamchef Otmar Szafnauer ablöste, scheint jedenfalls glücklos zu sein mit dem Auftrag, die seit Jahren kriselnde Equipe wieder in ruhigeres und erfolgversprechenderes Fahrwasser zu führen. Auch für ihn ist der Fehlstart «ein Schock». Nach den Tests und dem Saisonstart in Bahrain, die zum Debakel gerieten, kündigten noch der technische Direktor Matt Harman und Aerodynamikchef Dirk de Beer. Vor dem Rennen in Dschidda tauchte dafür der legendäre Bob Bell wieder auf – beim Rivalen Aston Martin.

Das Problem im Rennstall von Alpine sollen vor allem die kulturellen Unterschiede zwischen den französischen Konzern-herren und dem englischen Einsatzteam in Enstone sein. Auch das ist nichts Neues. Nach dem Fehlstart in die Saison mit einem zu langsamen und zu schweren Auto steht jetzt die x-te Umstrukturierung an. Ob der neue Chief Operating Officer John Wood zu beneiden ist?

Bloss nicht aufgeben

Andretti: Da gibt einer nicht auf. Michael Andretti hatte sich für den geplanten Schnellstart in die Formel 1 mit dem umstrittenen Mohammed bin Sulayem, dem Präsidenten des Autoweltverbandes FIA, den falschen Partner ausgesucht, das Formula-One-Management und die Teams liessen den US-Racer trotz lauter Fanproteste eiskalt abblitzen.

Aber die nordamerikanische Rennfahrerdynastie gibt nicht auf. Zusammen mit Cadillac arbeitet das in Andretti Global umgetaufte Unternehmen weiter auf eine Zulassung hin. Die Pläne für das neue Hauptquartier im Nordosten von India­na­polis (USA) weisen Trumpsche Dimensionen auf. Wenn der stylische Campus 2025 fertiggestellt ist, soll etwa die Hälfte davon dem Formel-1-Projekt vorbehalten sein. Bereits bezogen ist die Team­basis in Silverstone (GB). Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Fotos: Red Bull, Sauber, Alpine, Andretti

Kommentare

Keine Kommentare