Formel-1-Auftakt: Noch Fragen?

Elmar Brümmer | 07.03.2024

Formel 1 Weltmeister Max Verstappen und das Team Red Bull dominieren wieder, die Konkurrenz kurvt weiter hinterher. Der Saisonauftakt in Bahrain ist aber nur eine 
Momentaufnahme. Die AUTOMOBIL REVUE schätzt ein.

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Wo bleibt ihr denn? Max Verstappen (M.) blickt zu den Konkurrenten George Russell (l.) von Mercedes und Charles Leclerc von Ferrari.

Nur weil alle gewarnt waren, tut die Ohrfeige nicht weniger weh. Max Verstappen und Red Bull machen zum Saisonstart der Formel 1 genau da weiter, wo sie mit ihrer Gefrässigkeit im letzten Dezember aufhörten. Der Doppelerfolg des Championteams wurde zur neuerlichen Machtdemonstra­tion, den Gegnern bleibt als zarte Hoffnung nur, dass der Rundkurs in Bahrain nicht repräsentativ ist für die anstehenden 23 Rennen. Schon in Dschidda an diesem Wochenende trifft die Königsklasse auf einen ultraschnellen, schwer berechenbaren Kurs. Dennoch: Wer soll die Renn-Bullen aus dem Konzept bringen? Höchstens sie selbst, wenn die Machtkämpfe zwischen Teamchef Christian Horner, der Verstappen-Familie, der österreichischen Konzernzentrale und den thailändischen Mehrheitsbesitzern nicht aufhören. Längst ist aus dem Streit eine Affäre geworden, die die ganze Formel 1 betrifft. Nur der Weltmeister selbst schafft es, alle Ablenkungen im entscheidenden Moment auszublenden. Auch das zeugt von seiner Extraklasse.

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Saisonstart 2024: Red Bull fährt schon wieder vor der Konkurrenz.

Frédéric Vasseur, der im letzten Jahr nicht nur das Ferrari-Team umbaute, sondern es auch mit ­einem neuen roten Rennwagen auf die Jagd schickt, war unter diesen Umständen gar nicht so sehr enttäuscht über den dritten und vierten Platz von Carlos Sainz und Charles Leclerc: «Für uns war das tatsächlich ein Schritt vorwärts. Wir konnten den Rückstand auf Red Bull um die Hälfte reduzieren.» Jetzt gehe es darum, die richtige Balance zu finden und die Dinge zusammenzubekommen. Das klingt verdächtig nach den Durchhalteparolen von 2023, aber der Franzose hat einen Punkt darin, der paradox erscheint: Tatsächlich ist es im Verfolgerfeld enger denn je, das zeigten schon die Zeiten in der Qualifikation, als Leclerc einmal mehr eine Poleposition verschenkte. Im Rennen wurde dem Monegassen ein Bremsproblem zum Verhängnis. Vasseur erwartet weitere Fortschritte. Und dennoch scheint Verstappen unantastbar, wenn es ins Rennen geht: «Ich bin eins mit meinem Auto.» Doch auch Red Bulls Adrian Newey hat bereits das nächste Upgrade für seinen neuen Wunderwagen terminiert.

In einer eigenen Galaxie

Bei Mercedes sieht es ganz ähnlich aus. Wie in Maranello (I) wurden bei der Neukonstruktion des Silberpfeils viele Anleihen beim letztjährigen Rennwagen von Red Bull genommen, und tatsächlich kamen George Russell und Lewis Hamilton auf Anhieb viel besser zurecht – weshalb die Plätze fünf und sieben zunächst ein herber Rückschlag sind. Geschuldet wohl vor allem Kühlproblemen. «Extrem frustrierend» fand Teamchef Toto Wolff die Darbietung an diesem extrem kalten Wüstenabend: «Max fährt nicht in einer eigenen Liga, er fährt in seiner eigenen Galaxie.» Die Ernüchterung betraf auch die als Geheimfavoriten gehandelten Teams von McLaren und Aston Martin, der raue Asphalt, die Taktik und der Reifenverschleiss taten ein Übriges. In einem Rennen, in dem es keine Ausfälle, wenige Zwischenfälle und noch weniger Überholmanöver gab, machte sich die Enttäuschung quer durchs Feld breit. Das mag nicht untypisch sein für einen frühen Zeitpunkt in der Saison. Aber es braucht einen radikalen Umschwung, damit sich nicht bald schon Langeweile breitmacht.

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Saisonstart 2024: Carlos Sainz, der Fahrer, der Ferrari Ende Jahr verlassen muss, holt Platz drei.

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Saisonstart 2024: Mercedes ist hinter Red Bull und Ferrari die Nummer drei, hatte aber noch ein Kühlproblem.

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Saisonstart 2024: Das Werksteam Alpine enttäuscht masslos.

Einen Umschwung braucht auch Alpine. Dort ist die Zerrüttung zwischen Rennstall und Mutterkonzern in etwa so gross wie bei Red Bull, nur nicht so unappetitlich. Schon bei den Testfahrten fuhren die Franzosen hinterher, im Rennen manifestierte sich das Debakel. Die Plätze 17 und 18 zeigen, wohin die Zerrüttung in einem Rennstall führen kann. Bei Alpine geht das nun schon monatelang so, in Bahrain wurde bekannt, dass der technische Direktor Matt Harman und Aerodynamikchef Dirk de Beer ihre Kündigungen eingereicht haben sollen. Konzernstatthalter Bruno Famin muss jetzt nicht nur mehr Leistung für den Rennwagen finden, er muss auch das Personalkarussell stoppen.

Überraschend stärker als gedacht präsentierte sich der Haas-Rennstall, zumindest mit Nico Hülkenberg. Die Racing Bulls, vormals Alpha Tauri, scheiterten ebenso wie Sauber an der Punktehürde. Auch für das hintere Mittelfeld gilt, dass die Abstände geringer werden, was wiederum bedeutet, dass bereits Nuancen schnell etwas an der Hackordnung verändern können. Immerhin, so viel Hoffnung gegen die drohende Langeweile ist da. Der Doppelerfolg von Red Bull mag der Anfang gewesen sein, dass Ende ist er nicht. Das ist der Segen einer Mammutsaison: Sie lässt reichlich Raum für Verbesserung. Oder wie es Vasseur ausdrückt: «Wir dürfen nicht aufhören, weiter Druck zu machen.» 

Fotos: Red Bull, Alpine, Ferrari, Sauber, Mercedes

RESULTATE

Grand Prix von Bahrain

Sakhir, 1. von 24 Läufen: 1. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 57 Runden zu 5.412 km (=308.238 km), 1:31:44.742 Stunden (=201.581 km/h). 2. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 22.457 Sekunden zurück. 3. Carlos Sainz (E), Ferrari, 25.110. 4. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 39.669. 5. George Russell (GB), Mercedes, 46.788. 6. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 48.458. 7. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 50.324. 8. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 56.082. 9. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1:14.887 Minuten zurück. 10. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1:33.216. 11. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Runde zurück. 12. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1 Rd. 13. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 14. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 15. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 1 Rd. 16. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1 Rd. 17. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 18. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 19. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 20. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 2 Runden zurück. – 20 Fahrer gestartet und klassiert.

Schnellste Runde (+1 Punkt): Verstappen, 39. Runde, 1:32.608 Minuten (=210.383 km/h).

Poleposition: Verstappen, 1:29.179 Minuten (=218.472 km/h).

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 26 Punkte (1 Saisonsieg). 2. Pérez 18. 3. Sainz 15. 4. Leclerc 12. 5. Russell 10. 6. Norris 8. 7. Hamilton 6. 8. Piastri 4. 9. Alonso 2. 10. Stroll 1. – Konstrukteure: 1. Red Bull-Honda 44 (1 Saisonsieg). 2. Ferrari 27. 3. Mercedes 16. 4. McLaren-Mercedes 12. 5. Aston Martin-Mercedes 3.

Nächster Lauf: Grand Prix von Saudi-Arabien, Dschidda, 9. März 2024, 18 Uhr (MEZ).

Die Sauber-Statistik

Valtteri Bottas

19. Platz (erstmals in der Karriere zum Saisonstart ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 15. Platz (9., 10., 29. Runde). – Qualifika­tion: 16. Platz. – Besonderes: Vor Esteban Ocon (Alpine) zweitlangsamste Runde.

Guanyu Zhou (Bild)

11. Platz. – Beste Platzierung im GP: 9. Platz (16. Runde). – Qualifika­tion: 17. Platz (schlechtestes Ergebnis zu einem Saisonauftakt). – Besonderes: Bei zwei von vier Geschwindigkeitsmessungen jeweils in den Top Ten.

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