Formel 1 – Der Alpine-Albtraum

Elmar Brümmer | 11.04.2024

Grand Prix von Japan Während Weltmeister Max Verstappen in seinem Red Bull-Honda souverän den Grand Prix von Japan gewann, verkümmerte das Alpine-Duo 
am Ende des Feldes. Nun tauchen Gerüchte um einen Verkauf des Teams auf.

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Im Niemandsland: Die Gegner von Alpine (v. Pierre Gasly) sind der­zeit Haas und Sauber.

Otmar Szafnauer dürfte zufrieden abgereist sein aus Suzuka. Der US-Amerikaner, der bis im vergangenen September Teamchef des Rennstalls Alpine in der Formel 1 war, ehe er am Wochenende des belgischen Grand Prix gefeuert wurde, dürfte sich bestätigt und befreit fühlen. Als er gehen musste, stand es schon nicht besonders gut um das französische Werksteam, aber die Spirale dreht sich seither unaufhörlich weiter nach unten. Ein Alpine-Albtraum. Esteban Ocon beendete den vierten WM-Lauf auf Platz 15, Landsmann Pierre Gasly auf dem 16. Rang. Dahinter rangierte von denen, die ins Ziel kamen, nur noch Logan Sargeant im Williams-Mercedes, allerdings auch nur, weil der US-Amerikaner in der 40. von 53 Runden und noch vor dem Alpine-Duo ins Kiesbett ratterte.

Komplettiert wird das neuerliche Desaster der Franzosen dadurch, dass die beiden Alpine-Piloten gleich nach dem Neustart des Grand Prix von Japan (wegen der Kollision von Daniel Ricciardo und Alex Albon nach dem ersten Start) kollidierten und einander gegenseitig die Autos ruinierten. Leiden konnten sich die beiden Franzosen ohnehin noch nie, Alpine erlebte wieder einmal sein blaues Wunder. Ähnlich wie Max Verstappen kaum noch einzuholen sein wird in diesem Jahr, ist bei Alpine keine Besserung in Sicht. Und wer weiss, ob es den Rennstall am Ende der Saison in dieser Form überhaupt noch geben wird.

Fehlende Harmonie

Die Geschichte wiederholt sich zum x-ten Mal: Konzernstrategen, in diesem Fall in Paris, die sich eine schöne Motorsportzukunft ausrechnen und glauben, dass sich ein Rennstall so führen lasse wie eine beliebige technische Abteilung. Im Fall der Sportwagenmarke von Renault kommt noch der Kulturkampf hinzu. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die britische Einsatzmannschaft in Enstone nicht mit den Machthabern in Frankreich harmoniert. Was dabei herauskommt, schildert Esteban Ocon in Suzuka so simpel wie demoralisiert: «Wir sind einfach nicht schnell genug im Vergleich zu den anderen im Mittelfeld.» Vergessen der Moment des Jubels, als er am Samstag die zweite Qualifikationsrunde erreicht hatte. Allein diese Tatsache muss allen zu denken geben: Verzückungsschreie, weil man nicht gleich auf Anhieb beim Zeitfahren ausgeschieden ist? Das kann nicht der Anspruch sein. Alpine bleibt das schlechteste aller Werksteams. Null Punkte wie sonst nur Sauber und Williams.

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Enttäuschte Piloten: Pierre Gasly (im Bild l.)… 


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…und Esteban Ocon sind keine Freunde, müssen aber nun zusammenspannen.

Bruno Famin, der vom Interims- zum Teamchef beförderte Konzernstatthalter, muss das hohe Geschwindigkeitsdefizit gegenüber der Konkurrenz eingestehen. Das Auto müsse in allen Bereichen besser werden. Die Frage ist nur: Wie kann das innerhalb der Saison mit einer verunsicherten Truppe gelingen? Gleich zu Beginn des Rennjahres verabschiedeten sich Cheftechniker Matt Harman und Aerodynamikchef Dirk de Beer, Bob Bell liess man zu Aston Martin ziehen. Sie alle glaubten offenbar nicht an eine Perspektive. Damit ist Alpine innerhalb eines Dreivierteljahres seines Führungspersonals verlustig gegangen. An anderer Stelle ändert sich zu wenig. Zu Zeiten, als das Team noch Benetton hiess, mag die Rennfabrik bei Oxford als State of the Art gegolten haben, inzwischen aber ist vieles dort überholungsbedürftig, will man nicht weiter abgehängt werden.

Gerüchte um Verkauf

Die Gerüchte, dass der bereits von vielen Sportgrössen mitfinanzierte Rennstall komplett verkauft werden könnte, wollen daher nicht verstummen. Renault-Boss Luca de Meo, durchaus ein motorsportaffiner Manager, muss in jedem Fall richtungsweisende Entscheidungen treffen. Als sich der Italiener beim Grand Prix von Saudi-Arabien selbst ein Bild über die Lage machte, gab es einen einzigen technischen Ausfall, Gaslys Getriebe streikte gleich in der ersten Runde. Allein auf eine Verbesserung der Lage durch das neue Motorenreglement 2026 zu hoffen, würde eindreiviertel Jahre weitere Leidenszeit bedeuten. Zumal die Aggregate aus Viry-Chatillon zuletzt nicht eben für Leistungsexplosionen bekannt waren und Renault als einziger Motorenhersteller über keinen Leasingkunden im Formel-1-Feld verfügt.

Zunächst tat der Konzern, was Konzerne immer tun, wenn es nicht läuft: umstrukturieren. Jetzt sind gleich drei Mann für die Leitung der Technikabteilung verantwortlich. Verschlankung, Agilität, Nachwuchsförderung – die üblichen Argumente eben. Famin arbeitet nicht mehr in Viry, sondern in Enstone. Die Personalien aber ändern jedoch auch nichts daran, dass der Rennwagen A 524 als zu schwer gilt und der Motor mit einem PS-Defizit im zweistelligen Bereich als zu schwach. Die Folge ist eine mangelnde Traktion, das Auto generiert zu viel Luftwiderstand und zu wenig Abtrieb. Von einem regelrechten «Schock» sprach Famin nach dem Saisonstart. Zumal sich in einem so engen Feld wie in dieser Saison Nachteile noch einmal stärker auswirken. Bis zum Rennen in Miami (USA) soll ein Upgrade erfolgen, unter dem aktuellen Reglement sind Verbesserungen beim Motor nur durch ein verändertes Energiemanagement möglich. Bleibt als Massnahme also vor allem die Verbesserung der aerodynamischen Effizienz.

Gasly brachte die Misère auf den Punkt: «Letztes Jahr zur gleichen Zeit habe ich noch mit Carlos Sainz um Platz vier gekämpft. Dieses Jahr gewinnt er Rennen, und ich fahre jenseits der Top Ten.» 

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Luca de Meo (Mitte): Der Renault-Boss muss Entscheidungen treffen.

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Bruno Famin (r.): Der Teamchef muss sich mit sehr vielen Fragen herumschlagen.

Fotos: Alpine, Sauber, Red Bull

RESULTATE

Grand Prix von Japan

Suzuka, 4. von 24 Läufen: 1. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 53 Runden zu 5.807 km (=307.471 km), 1:54:23.566 Stunden (=161.271 km/h). 2. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 12.535 Sekunden zurück. 3. Carlos Sainz (E), Ferrari, 20.866. 4. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 26.522. 5. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 29.700. 6. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 44.272. 7. George Russell (GB), Mercedes, 45.951. 8. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 47.525. 9. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 48.626. 10. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1 Runde zurück. 11. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1 Rd. 12. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 13. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1 Rd. 14. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 15. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 16. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 17. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 1 Rd. – Ausfälle: Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari (12. Runde, Getriebe); Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda (1., Unfall); Alexander Albon (T), Williams-Mercedes (1., Unfall). – 20 Fahrer gestartet, 17 klassiert. – Schnellste Runde (+1 Punkt): Verstappen, 50. Runde, 1:33.706 Minuten (=223.093 km/h). – Poleposition: Verstappen, 1:28.197 Minuten (=237.028 km/h). – Bemerkung: Rennen nach Startunfall Ricciardo/Albon abgebrochen und neu gestartet.

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 77 Punkte (3 Saisonsiege). 2. Pérez 64. 3. Leclerc 59. 4. Sainz 55 (1). 5. Norris 37. 6. Piastri 32. 7. Russell 24. 8. Alonso 24. 9. Hamilton 10. 10. Stroll 9. 11. Tsunoda 7. 12. Oliver Bearman (GB), Ferrari, 6. 13. Hülkenberg 3. 14. Magnussen 1. – Konstrukteure: 1. Red Bull-Honda 141 (3). 2. Ferrari 120 (1). 3. McLaren-Mercedes 69. 4. Mercedes 34. 5. Aston Martin-Mercedes 33. 6. Racing Bulls-Honda 7. Haas-Ferrari 4.

Nächster Lauf: Grand Prix von China, Shanghai, 19. April 2024, 9.00 Uhr (MEZ).

DIE SAUBER-STATISTIK

Valtteri Botta


14. Platz (saisonübergreifend neunter GP in Folge ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 11. Platz (5., 18.–22. Runde). – Qualifika­tion: 13. Platz.

Guanyu Zhou (Bild)

Ausfall (12. Runde, Getriebe; saisonübergreifend neunter GP in Folge ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 16. Platz (3.–7. Runde). – Qualifika­tion: 20. Platz (zum zweiten Mal bei bisher vier GP letzter Qualifikationsrang). – Besonderes: In allen drei Streckensektoren langsamster Pilot im GP.

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