Formel 1 – Gewinner und Verlierer

Elmar Brümmer | 11.07.2024

Halbzeitbilanz Zwölf Grand Prix, sechs Sieger. Die Formel 1 
ist zur Saisonhälfte spannend wie lange nicht mehr. Aber 
wo es Sieger gibt, da sind auch die Verlierer nicht weit.

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Rekordsieg: Mercedes' Lewis Hamilton gewinnt zum neunten Mal sein Heimrennen, den Grand Prix von Grossbritannien.

Halbzeit in der nicht nur längsten, sondern sportlich vielleicht auch interessantesten Formel-1-Saison seit Langem. Klingt eigenartig, nachdem Max Verstappen bequeme 84 WM-Punkte Vorsprung auf Lando Norris hat. Ist aber so. Allein der vom launischen mittelenglischen Landregen geprägte Grand Prix von Grossbritannien und der Triumph von Rekordweltmeister Lewis Hamilton nach sieglosen 945 Tagen ist Beleg genug dafür.

Aber nach zwölf WM-Läufen gibt es eine noch aussagekräftigere Bilanz, denn es gab ein halbes Dutzend unterschiedliche Sieger: Verstappen, na klar. Dann der erste Grand-Prix-Triumph von Carlos Sainz, das Siegdebüt von Lando Norris, der Heimerfolg von Charles Leclerc, der Abstauber von George Russell und schliesslich der Rekordsieg Hamiltons. Kompliment an die Regelhüter, die sich das Ground-Effect-Reglement ausgedacht haben. Fast schon schade, dass es nur noch anderthalb Jahre in Kraft bleibt – jetzt, wo es bei jedem Rennen drei bis vier Siegkandidaten gibt. Doch wo Gewinner sind, sind auch Verlierer, hier kommt ein doppeltes Quartett als kleine Halbzeitbilanz der AUTOMOBIL REVUE.

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Gewinner der ersten Saisonhälfte: Mc­Laren greift Weltmeister Red Bull an.

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Gewinner der ersten Saisonhälfte: Toto Wollf und Mercedes siegen wieder.

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Gewinner der ersten Saisonhälfte: Nico Hülkenberg zeigt bei Haas Kampfgeist.

GEWINNER

Mercedes

Zuletzt zwei Siege in Folge, das ist das wahr gewordene Märchen der Silberpfeile. Nach zweieinhalb schweren Jahren zahlt sich die Politik der kleinen Entwicklungsschritte des als Technikchef zurückgeholten James Al­lison aus. Teamchef Toto Wolff lobt, das alles wieder in 
Balance ist, Rekordweltmeister Hamilton inklusive. Entscheidende Stärke: die Widerstandsfähigkeit. «Mein Herz rast», gestand Hamilton nach seinem 104. Sieg, dem neunten bei seinem Heimrennen.

McLaren

Die Formel-1-Welt wäre schon längst ganz orange, würden Lando Norris und dem McLaren-Rennstall auf dem Weg nach oben nicht immer wieder (erwartbare) Fehler passieren. Vier Siege wurden durch strategische oder fahrerische Pannen schon verschenkt. Aber mit Oscar Piastri hat Teamchef Andrea Stella noch einen zweiten Trumpf in der Hinterhand.

Carlos Sainz

In Maranello (I) für nicht mehr tauglich befunden, hat sich der Spanier gemausert. Bei der Wahl des künftigen Arbeitsplatzes standen und stehen ihm so ziemlich alle Garagentore offen. Plötzlich ist der 29-Jährige synchron Kandidat bei Alpine und Mercedes. Auch Audi-Sauber hat ihm einen unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Einmal Königsfigur der Königsklasse sein, und sei es nur auf dem Transfermarkt ...

Nico Hülkenberg

Wenigstens etwas, auf das man sich in Hinwil ZH freuen kann. Der deutsche Routinier setzt erfolgreich um, was der – angenehm ruhige – neue Haas-Teamchef Ayao Koma­tsu sich ausdenkt. Der kleinste Rennstall der Formel 1 ist zuletzt immer besser in Form gekommen, «Hulk» überzeugt durch seinen ungebrochenen Kampfgeist.

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Verlierer der laufenden Saison: Bei Sauber braut sich etwas zusammen, seit 17 Grand Prix ist 
das Schweizer Team punktelos.

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Verlierer der laufenden Saison: Fernando Alonso mit Aston Martin liegt hinter den Erwartungen.

VERLIERER

Ferrari

Immer wieder blitzt auf, was Frédéric Vasseur bei der Scuderia als Teamchef seit der vergangenen Saison schon alles verändert hat, so kommt der zweite Rang in der laufenden Konstrukteurs-WM zustande. Aber die Form schwankt gewaltig, Strategiepannen und fahrerische Mängel erinnern an längst überwunden geglaubte alte Ferrari-Probleme, vor allem bei Pechvogel Charles Leclerc. Einen Designer wie Adrian Newey, der Red Bull nach dieser Saison verlassen wird, als genialen Ruhepol könnten sie in Maranello gut gebrauchen.

Sergio Pérez

Auch die Vertragsverlängerung hat nicht geholfen, der Mexikaner fährt Max Verstappen und seinen eigenen Ansprüchen weit hinterher. Die Geduld von Red Bull Racing ist fast am Ende. Vielleicht schon im Sommer. WM-Platz sechs mit weniger als der Hälfte von Verstappens Punkten ist auf Dauer einfach zu wenig. Fraglich ist nur, wen man holen oder aus dem Bullen-Umfeld befördern soll, um in der Konstrukteurswertung vorn zu bleiben.

Aston Martin

Genug Geld, ein motivierter Fernando Alonso, alle technischen Möglichkeiten – aber das Momentum aus der Vorsaison mit acht Podestplatzierungen ist verpufft. Der Druck auf die Grünen durch Rennstallchef Lawrence Stroll wird immer grösser. Aber der Boss hat bereits durchgegriffen und mit Enrico Cardile von Ferrari und Andy Cowell von Mercedes zwei weitere Top-Leute verpflichtet.

Sauber

17 Rennen in Folge ohne Punktgewinn – zählt man die Sprintrennen dazu, sind es 21 –, das ist eine ziemlich traurige Bilanz. Und so wirken Valtteri Bottas und Guanyou Zhou auch. Für einen Rennstall, der bald zum Audi-Werksteam werden soll, ist das Niveau zu niedrig und das Entwicklungstempo zu langsam. Der Umbau der Truppe in Hinwil parallel zum laufenden Rennbetrieb scheint zu anspruchsvoll zu sein. Trotzdem muss bald etwas passieren, selbst Williams punktet wieder. 

Resultate

Grand Prix von Grossbritannien. Silverstone, 12. von 24 Läufen: 1. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 52 Runden zu 5.891 km (=306.198 km), 1:22:27.059 Stunden (=222.821 km/h). 2. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 1.465 Sekunden zurück. 3. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 7.547. 4. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 12.429. 5. Carlos Sainz (E), Ferrari, 47.318. 6. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 55.722. 7. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 56.569. 8. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1:03.577 Minuten zurück. 9. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 1:08.387. 10. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1:19.303. 11. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 1:28.960. 12. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:30.153. 13. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 1 Runde zurück. 14. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1 Rd. 15. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 16. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 2 Runden zurück. 17. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 2 Rdn. 18. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 2 Rdn. – Ausfälle: George Russell (GB), Mercedes (33. Runde, Wassersystem); Pierre Gasyl (F), Alpine-Renault (1., Getriebe). – 20 Fahrer gestartet, 18 klassiert. – Schnellste Runde (+1 Punkt): Sainz, 52. Runde, 1:28.293 Minuten (=240.195 km/h). – Poleposition: Russell, 1:25.819 Minuten (=247.120 km/h).

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 255 Punkte (7 Saisonsiege). 2. Norris 171 (1). 3. Leclerc 150 (1). 4. Sainz 146 (1). 5. Piastri 124. 6. Pérez 118. 7. Russell 111 (1). 8. Hamilton 110 (1). 9. Alonso 45. 10. Stroll 23. 11. Hülkenberg 22. 12. Tsunoda 20. 13. Ricciardo 11. 14. Oliver Bearman (GB), Ferrari, 6. 15. Gasly 6. 16. Magnussen 5. 17. Albon 4. 18. Ocon 3.– Konstrukteure: 1. Red Bull-Honda 373 (7). 2. Ferrari 302 (2). 3. McLaren-Mercedes 295 (1). 4. Mercedes 221 (2). 5. Aston Martin-Mercedes 68. 6. Racing Bulls-Honda 31. 7. Haas-Ferrari 27. 8. Alpine-Renault 9. 9. Williams-Mercedes 4.

Nächster Lauf: Grand Prix von Ungarn, Budapest, 21. Juli 2024.

Die Sauber-Statistik

Valtteri Bottas (Foto) GP: 15. Platz (saisonübergreifend 17. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 14. Platz (34.–49. Runde). – Qualifikation: 16. Platz.

Guanyu Zhou GP: 18. Platz (saisonübergreifend 17. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 14. Platz (1.–6. Runde). – Qualifikation: 14. Platz (bestes Resultat seit Mexiko-GP am 29. Oktober 2023, 10. Platz).

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Fotos: Mercedes, McLaren, Haas, Sauber, Aston Martin

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