Mercedes-Fahrer George Russel fehlen eineinhalb Kilogramm, um seinen Sieg beim Grand Prix von Belgien in Spa-Franchorchamps feiern zu können. Aber nicht nur auf der Strecke ging es dramatisch zu, auch hinter den Kulissen brodelt es.
Lewis Hamilton feierte in Spa seinen 105. Sieg in der Formel 1.
Die Räder in der Formel 1 mögen jetzt für drei Wochen stillstehen, aber die Rädchen drehen sich unvermindert schnell weiter. Der Grosse Preis von Belgien mit seinen Dramen auf und neben der Strecke hat diese Saison in einem Schnelldurchlauf wunderbar zusammengefasst: Plötzlich scheint ungeachtet eines davongeeilten WM-Tabellenführers Max Verstappen nichts mehr vorhersehbar, und bei den ausstehenden zehn Rennen noch alles möglich. Drei Fahrer in der Schlussrunde innerhalb von einer Sekunde zeigen: Das Rennen ist noch lange nicht gelaufen.
Ach, George Russell. Mercedes konnte sich nur drei Stunden über den ersten Doppelerfolg seit 2022 freuen. Nach der Fahrt des Siegers auf die Waage in Spa war klar, dass eine Disqualifikation folgen und Teamkollege Lewis Hamilton seinen 105. Formel-1-Sieg erben würde. Der Silberpfeil war anderthalb Kilo zu leicht. Die Techniker hatten sich verrechnet, vermutlich aber wurde ausgerechnet die siegreiche Taktik zum Stolperstein. Der Brite war als einziger mit einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs, dementsprechend runtergefahren waren seine Pneu. Dass auf der sieben Kilometer langen Piste auch keine Auslaufrunde gefahren wird, in der die Reifen bis zu 1,2 Kilogramm Gummiabrieb von der Piste aufsammeln, kam noch hinzu. „Mir bricht das Herz", teilte Russell mit, Teamchef Toto Wolff entschuldigte sich öffentlich und nahm alle Verantwortung auf seine Kappe.
Es lässt sich trefflich spekulieren, ob Max Verstappen und Red Bull Racing zurück in die Erfolgsspur finden, ob Lando Norris mal weniger Nerven zeigt oder Oscar Piastri der neue Shooting Star bei McLaren wird, oder Ferrari seine launische Diva immer so gut im Griff hat wie beim letzten Grand Prix vor der Sommerpause. Unabhängig auch von der Frage, ob Sergio Perez beim Neustart immer noch dabei ist, wird sich bis Zandvoort Ende August einiges tun.
Konnte sich über den Sieg nicht lange freuen: George Russel vom Mercedes-Team wurde disqualifiziert, weil sein Rennwagen zu leicht war.
Personalrochaden bei Audi und Alpine
Hinter den Kulissen ist es nicht minder dramatisch. Ein Anruf von Audi-Vorstand Gernot Döllner in der vergangenen Woche beim künftigen Werksfahrer Nico Hülkenberg kündigte den Austausch des kompletten Managements bei Sauber in Hinwil an. CEO Andreas Seidl und Beirat Oliver Hoffmann hatten sich konzerntypisch in einem Machtkampf aufgerieben, beide beschwerten sich darüber beim obersten Chef – und der tauschte das nicht harmonierende Duo gegen den ehemaligen Ferrari-Mann Mattia Binotto aus. Der Italiener kennt sich aus im Sport und mit Intrigen, vor allem aber soll er jetzt parallel beschleunigen.
Die desolate Form von Team und Rennwagen bislang ist wohl auch der kompletten Ausrichtung der Rennfabrik auf 2026 geschuldet, sogar die braven Fahrer Valtteri Bottas und Guanyu Zhou klagen jetzt darüber. Binotto bekommt alle Macht, wird aber kein Alleinunterhalter. Der in Lausanne geborene Italiener sucht in seiner CEO-Rolle nun einen Teammanager. Neben Mike Krack von Aston Martin ist auch Red-Bull-Urgestein Jonathan Wheatley im Gespräch, nachdem dieser mit seinen Ambitionen gescheitert war, Red-Bull-Teamchef Christian Horner abzulösen.
Nirgendwo aber sind die Rochaden so gross wie bei Alpine, wo seit diesem Wochenende der Teamchefposten wieder vakant ist. Genau ein Jahr, nachdem er aus dem Nichts Otmar Szafnauer an der Spitze des französischen Teams abgelöst hatte, verabschiedet sich der loyale Ingenieur Bruno Famin wieder. Desillusioniert, dass seine harte Aufbauarbeit nun von Renault-Berater Flavio Briatore weggewischt wird.
Der Vertraute von Konzernlenker Luca di Meo hat geraten, die stolze Formel-1-Motorenabteilung in Viry-Chatillon zu schliessen. Von 2026 an sollen billigere Mercedes-Leihmotoren in die Autos kommen, obwohl der eigene Elektroantrieb schon längst konstruiert ist. Alles Geld soll in das Chassis und die veraltete Rennfabrik in Oxford gesteckt werden. Neuer Teamchef soll der Brite Oliver Oakes aus der Formel 2 werden. Das sind Anzeichen, dass Alpine seine Braut hübsch macht, um den Rennstall eventuell bald abzustossen.
Resultate
Grand Prix von Belgien. Spa-Francorchamps, 14. von 24 Läufen: 1. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 44 Runden zu 7.004 km (=308.052 km), 1:19:57.566 Stunden. 2. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 0.647 Sekunden zurück. 3. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 8.023. 4. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 8.700. 5. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 9.324. 6. Carlos Sainz (E), Ferrari, 19.269. 7. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 42.669. 8. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 49.437. 9. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 52.026. 10. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 54.400. 11. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1:02.485 Minuten zurück. 12. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 1:03.125. 13. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1:03.839. 14. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:06.105. 15. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1:10.112. 16. Yuki Tsunoda (J), Racing-Bulls, 1:16.211. 17. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 1:25.531. 18. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1:28.307. – Ausgefallen: Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari (5. Runde, Hydraulik). – Disqualifiziert: George Russell (GB), Mercedes (zu leichtes Auto). – Schnellste Runde (+1 Punkt): Pérez, 44 Runde, 1:44.701 Minuten. – Poleposition: Verstappen, 1:53.159 Minuten.