Elmar Brümmer | 10.11.2025
Lando Norris ist in einer bestechenden Form. Nachdem der McLaren-Pilot in Mexiko die WM-Führung erobert hatte, enteilte er am Wochenende mit einer dominanten Vorstellung in Brasilien der Konkurrenz. Man fragt sich: Haben wir in Sao Paolo den nächsten Weltmeister gesehen?
Die Casting-Show um den Weltmeistertitel in der Formel 1 geht weiter. Und auch, wenn das Publikum in Interlagos Lando Norris, den grossen Triumphator des viertletzten Rennwochenendes ausbuht, hat dieser nun die allerbesten Chancen, der nächste britische Champion nach Lewis Hamilton zu werden. 24 Punkte Vorsprung auf den direkten Rivalen und McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri, das ist zwar noch nicht beruhigend, aber es ist ein Polster. Im entscheidenden Abschnitt der Saison hat sich Norris von seinem Durchhänger in der Mitte des Rennjahres befreit und wirkt plötzlich auf den Punkt mental gerade besonders stark.
Tunnelblick, bloss nicht in Euphorie verfallen
Die Gegner helfen ihm dabei: Piastri crashte seinen McLaren im Sprint, Max Verstappen verlor sich in der Qualifikation. Allein Norris blieb im kurzen wie im langen Rennen fehlerlos. Auf Titelverteidiger Verstappen hat er nun sogar 49 Zähler Vorsprung, aber was den Gesamtsieg angeht, blockt der 24-Jährige ab: «Darüber denke ich ganz und gar nicht nach.» Tunnelblick, bloss nicht in Euphorie verfallen, schon gar nicht wieder die Selbstzweifel aufkommen lassen.
Innerhalb von sieben Rennen hat er die Machtverhältnisse im McLaren-Rennstall und in der gesamten Formel 1 umgedreht. Wie er das gemacht hat? «Meine Mentalität hat sich verbessert, meine Herangehensweise hat sich verbessert, meine Vorbereitung hat sich verbessert», sagt Norris in Sao Paulo, «vor allem aber habe ich immer konstant punkten können. Das ist eigentlich das, was mir in den letzten Wochen den grössten Schub gegeben hat.»
Ein bisschen also die Taktik von Piastri über das Rennjahr hinweg,
bis der Australier in den letzten sieben Rennen einen Patzer nach dem
anderen gemacht hat, und sich auch vom Team nicht genügend respektiert
fühlt. Ein bisschen aber auch die Angriffslust, die Verstappen bei
seinem grossartigen Comeback in den letzten Monaten an den Tag gelegt
hat. Der Niederländer bleibt trotz seines vermeintlich grossen
Rückstandes im Augenwinkel von Norris.
Eine ziemlich gute Saison
Der grandiose dritte Platz Verstappens nach
seinem Start aus der Boxengasse von Interlagos sagt schon alles
darüber, was in dem Champion steckt. Der vierfache Weltmeister kann
angesichts seiner Dompteurfähigkeiten gegenüber einem weiterhin zickigen
Red-Bull-Honda voller Überzeugung von sich behaupten: «Selbst wenn ich
den Titel nicht gewinnen sollte, weiss ich doch, dass ich eine ziemlich
gute Saison fahre. Das zeigt sich doch allein schon dadurch, dass ich
weiterhin im Gespräch bin.»
Ob es Max Verstappen gelingen wird, über Interlagos hinaus dem
WM-Spitzenreiter die Schau zu stehlen? Er hat von nun an genauso wenig
zu verlieren wie Oscar Piastri, dessen Aggressivität ihn bei einem
frühen Überholmanöver gegen den zweitplatzierten Kimi Antonelli eine
Zehn-Sekunden-Zeitstrafe und dadurch nur den fünften Rang eingebracht
hatte. Lando Norris weiss, dass es keine leichte Aufgabe ist, im
Schlussspurt gleich zwei Optimisten der Rennstrecke hinter sich zu
halten. Er tut gut daran, seinen beschleunigten Reifeprozess weiter zu
verfolgen, der ihm mittlerweile sogar gute Starts beschert: «Ich habe gelernt, mir selbst treu bleiben, auf mich selbst zu vertrauen, und an mich selbst zu glauben.»
Resultate (Grand Prix, Sprint)
WM-Stände (
Fahrer,
Konstrukteure)
Fotos: McLaren, Red Bull, Mercedes