Formel 1 – Kimi hier, Kimi da

Elmar Brümmer | 19.05.2025

Ausgerechnet Imola, ausgerechnet beim Heim-GP: Andrea Kimi Antonelli, der die Formel-1-Welt immer noch mit seinen grossen Jungenaugen sieht, ist in der rauhen Wirklichkeit gelandet.

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Fast war es so, als wollte die schicksalsträchtige Rennstrecke von Imola sich noch einmal aufbäumen, wo sie doch jetzt vermutlich für immer aus dem Formel-1-Kalender fallen könnte. Beim Grand Prix der Emilia-Romagna stimmte jedenfalls kaum eine der Prognosen.

Die Sicherheit der Strategen bei McLaren war abhanden gekommen, die Fahrer am Start überrumpelt. Der Triumphator Max Verstappen überraschte von Start bis Ziel mit einem stärker gewordenen Rennwagen. Die dramatischen Qualifikationsunfälle von Yuki Tsunoda und Franco Colapinto waren schnell verdaut. Alex Albon stahl George Russell die Show als unauffälliger aber konsequenter Punktesammler. Sogar Ferrari schaffte nach einem desaströsen Samstag auch ohne Podiumsplatz wieder eine kleine Wiedergutmachung bei den enttäuschten Fans. Sauber blieb zwar erneut punktlos, durfte sich aber für den 600. Grand Prix feiern lassen. In einem kurzen Satz also: Die Königsklasse sorgte selbst für einen würdigen Abschied.

Der erste Ausfall

Fehlt da nicht einer? Aber natürlich, ausgerechnet der Lokalmatador und Shooting Star. Andrea Kimi Antonelli, der bisherige Glückspilz von Mercedes, erwischte zum zweiten Mal bei einem Heimspiel in Italien einen sportlich rabenschwarzen Tag. Bei seinem Debüt in Monza im letzten Herbst hatte das Wunderkind den Silberpfeil auf dem Weg zur schnellsten Trainingsrunde gleich zerstört. Anschliessend bekam er trotzdem seinen Vertrag für die Formel 1. Diesmal, wo es wirklich um etwas ging, lief es im Qualifying für ihn noch schlechter als bei den gestrauchelten Ferrari, nur der 13. Startplatz. Im Rennen war dann nach 44 Runden vorzeitig Schluss, der Sensor am Gaspedal spielte verrückt, der erste Ausfall im siebten Rennen.

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Andrea Kimi Antonelli: Der Mercedes-Jüngling stand beim Heim-GP wie Ferrari im Fokus.

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Andrea Kimi Antonelli: Der Mercedes-Jüngling stand beim Heim-GP wie Ferrari im Fokus.

Im Umgang mit den Medien ist Antonelli schon so gut geschult, dass er zunächst fast wie ein Politiker bilanziert: «Es war ein sehr intensives Wochenende.» Dann gibt er zu: «Beim ersten Heimrennen ist ein Ausfall natürlich besonders bitter.» Selbstkritisch fügt er an: «Ich habe gemerkt, dass ich manches nicht so gut gehandhabt habe.» Die komplizierte Nutzung der Reifen, in Imola einmal mehr eine Wissenschaft für sich, zum Beispiel. Der 18-Jährige glaubt, dass er sich nicht genügend Zeit genommen habe, um sich auf seinen Job zu fokussieren: «Wegen des Drumherums habe ich mir wirklich sehr viel Druck selbst gemacht.»" Seine alten Schulkameraden hatte er eingeladen, Netflix widmete ihm eine eigene Doku («The Seat»), Kimi hier, Kimi da

Zu Ferrari – nach zwei Lehrjahren

Viele Ferrari-Fans halten es mit ihrem alten Firmenpräsidenten Luca di Montezemolo: «Kimi ist ein erstklassiger Junge. In seinem ersten Formel-1-Jahr macht er nur wenige Fehler und ist wirklich schnell. Ich bedaure wirklich sehr, dass Kimi bei Mercedes gelandet ist. Ich hätte ihn zwei Jahre in die Lehre geschickt bei einem kleineren Team und ihn dann zu Ferrari geholt.» Tatsächlich bleibt er trotz Imola die grosse Hoffnung Italiens, das seit den Anfangsjahren der Formel 1 keinen Champion mehr hatte. Den letzten Podiumsplatz gab es 2009 für Jarno Trulli, letzter Sieger war Giancarlo Fisichella, das ist jetzt 19 Jahre her. Alle Hoffnungen liegen jetzt auf den eher schmächtigen Schultern. «Ich will meine eigene Geschichte schreiben», sagt Antonelli tapfer.

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Max Verstappen: Der Weltmeister zeigte in Imola vor unzähligen Ferrari-Fans eine beeindruckende Vorstellung.

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Oscar Piastri (l.): Der Australier musste sich in Imola mit Platz drei begnügen, bliebt aber WM-Leader.

Weder Schadenfreude noch Mitleid sind angebracht, alle Rookies spüren die ganze Brutalität der Formel 1. Von denen ist Kimi Antonelli mit weitem Abstand der Beste, immer noch Gesamtsiebter, auch wenn Vorgänger Lewis Hamilton jetzt an ihm vorbeigezogen ist. Sein Idol konnte er in der ersten Phase des Rennens überholen und immerhin hinter sich lassen. Als Neunter von Imola hat Isack Hadjar von den Racing Bulls zum dritten Mal Punkte geholt, Oliver Bearman im Haas ging wieder leer aus. Liam Lawson, Imola-Debütant Colapinto und Sauber-Azubi Gabriel Bortoleto haben noch nie punkten können, Jack Doohan ist nicht mehr dabei. Kein Grund zur Panik also bei der grossen Mercedes-Hoffnung. Aber der Schmerz sitzt tief. Ist Warnung und Ansporn zugleich.

Es fehlte das Tempo

Sich als Verlierer fühlen, weil er ob seines Autos die italienischen Fans enttäuscht, darin hat der als Ferrari-Pilot adoptierte Charles Leclerc inzwischen die weit grössere Routine. Für Kimi Antonelli, der die Formel-1-Welt immer noch mit seinen grossen Jungenaugen sieht, ist ein Aufprall mit der rauhen Wirklichkeit natürlich erstmal deutlich härter. Dem Silberpfeil fehlte es diesmal einfach an Tempo. Auch er muss sich erst an die Launen der Rennwagen gewöhnen, die in dieser Saison jeden Rennstall scheinbar aus dem Nichts treffen. Der Jüngste im Feld sollte da mal den Branchensenior Fernando Alonso fragen. Der Spanier tobte nach dem nächsten Desaster für Aston Martin: «Ich bin der unglücklichste Fahrer der Welt.»

Resultate

Grand Prix der Emilia-Romagna, Imola (I). 7. Lauf. Gesamtklassement: 1. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 63 Runden, 1:31:33.199 Stunden (=202.538 km/h). 2. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 6.109 Sekunden zurück. 3. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 12.956. 4. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, 14.356. 5. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 17.945. 6. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 20.774. 7. George Russell (GB), Mercedes, 22.034. 8. Carlos Sainz (E), Williams-Mercedes, 22.989. 9. Isack Hadjar (F), Racing Bulls-Honda, 23.586. 10. Yuki Tsunoda (J), Red Bull-Honda, 26.446. 11. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 27.250. 12. Nico Hülkenberg (D), Sauber-Ferrari, 30.296. 13. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 31.424. 14. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls-Honda, 32.511. 15. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 32.993. 16. Franco Colapinto (RA), Alpine-Renault, 33.411. 17. Oliver Bearman (GB), Haas-Ferrari, 33.808. 18. Gabriel Bortoleto (BR), Sauber-Ferrari, 38.572. – Ausfälle: Andrea Kimi Antonello (I), Mercedes (44. Runde); Esteban Ocon (F), Haas-Ferrari, 27.). – 20 Fahrer gestartet, 18 klassiert.

Schnellste Runde: Verstappen, 58. Runde, 1:17.988 Minuten (=226.604 km/h).

Poleposition: Piastri, 1:14.670 Minuten (=236.673 km/h).

Stände. Fahrer: 1. Piastri, 146 Punkte (4 Saisonsiege). 2. Norris 133 (1). 3. Verstappen 124 (2). 4. Russell 99. 5. Leclerc 61. 6. Hamilton 53. 7. Antonelli 48. 8. Albon 40. 9. Ocon 14. 10. Stroll 14. 11. Sainz 11. 12. Tsunoda 10. 13. Gasly 7. 14. Hadjar 7. 15. Hülkenberg 6. 16. Bearman 6. – Konstrukteure: 1. McLaren 279 (5). 2. Mercedes 147. 3. Red Bull 131 (2). 4. Ferrari 114. 5. Williams 51. 6. Haas 20. 7. Aston Martin 14. 8. Racing Bulls 10. 9. Alpine 7. 10. Sauber 6.

Nächster Lauf: Grand Prix von Monaco, 25. Mai 2025.

Fotos: Mercedes, Red Bull

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