Elmar Brümmer | 08.09.2025
Ziemlich viel Action, ziemlich hohes Tempo, ziemlich viel Emotionen, ein ziemlicher starker Sieger Max Verstappen (Bild). Der Formel-1-Grand-Prix von Italien in Monza bot viel. Was will man mehr? Der langjährige Formel-1-Fan ist zufrieden. Der Tik-Tok-Generation könnte es zu viel sein, mutmasste am Wochenende Stefano Domenicali, der Geschäftsführer der Formel 1.
Die schnellste Runde der Formel-1-Geschichte, Schnittgeschwindigkeit
264.682 km/h. Das schnellste Rennen der Historie, in einer Stunde,
dreizehn Minuten und 23 Sekunden. Max Verstappen hat bei seinem
sensationellen Comeback im Königlichen Park von Monza sogar jene der
130'000 Zuschauer verzaubert, die nur wegen Ferrari gekommen waren. Ein
besseres Europafinale als diesen Grand Prix von Italien hätte es kaum
geben können, die internen Streitigkeiten bei McLaren inklusive. Sogar
das Titelrennen ist wieder deutlich spannender geworden. Verstappen als
grosser Aussenseiter, der das Zünglein an der Waage im Zwist zwischen dem McLaren-Duo Lando
Norris und Oscar Piastri spielen könnte. Ziemlich viel Action, ziemlich
hohes Tempo, ziemlich viel Emotionen. Monza, der ewige Tempel der
Geschwindigkeit. Was will man mehr?
Gelangweilte Tik-Tok-Generation?
Doch, da gibt es einen, der zum Spielverderber taugt. Stefano
Domenicali, der als Geschäftsführer der Formel 1 einen hohen Anteil am
florierenden Unternehmen Königsklasse besitzt, hat ausgerechnet an einer
der traditionsreichsten Rennstrecken im Kalender laut darüber
nachgedacht, ob es der so genannten Tik-Tok-Generation auf Dauer nicht
ein bisschen langweilig werden würde, wenn die Rennen sich weiterhin
über die gelernte Distanz von 300 Kilometer plus einer Runde ziehen.
Eine gezielte Provokation des cleveren Italieners: «Wir sehen auf
vielen unserer Kanäle, dass Highlight-Ausschnitte sehr beliebt sind –
ein grosser Teil des Publikums möchte nur die Schlüsselmomente sehen.» Der Generationskonflikt also. Denn für alle, die mit dem klassischen
Grand-Prix-Format aufgewachsen sind, ist das immer noch völlig in
Ordnung. Mehr noch, sie empfinden die zusätzlich eingeführten
Sprint-Rennen nicht als jenen grossen Zugewinn, den Promotor Liberty
Media sieht, der die Veranstalter dafür extra zur Kasse bittet.
Weiterdenken ist prinzipiell gut, kein Vorwurf deshalb. Auch
Domenicali weiss: «Die Dinge laufen heute sehr gut, aber genau deshalb
sollten wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen.» Die beste Show
aber, die turbulenten Auftaktrunden von Monza haben das ebenso bewiesen
wie der missratene Boxenstopp von McLaren mit anschliessendem Platztausch
zugunsten von Norris, ist immer noch der Sport. Die Geschehnisse vor
den Toren von Mailand waren ein kollektives Votum für hochklassigen
Motorsport. Max Verstappen mit einem wiedererstarkten Red-Bull-Rennwagen
bei seinem Tun zuzusehen, das hatte die Klasse aller grossen Champions,
selbst wenn er dreiviertel des Rennens einsam vorne weg fuhr. Langweilig
war das jedenfalls nicht. Domenicalis Wunschvorstellungen waren von der
Realität in etwa so weit entfernt wie Monza von Hollywood, also gut
9400 Kilometer.
Unnötige Zeit auf der Strecke
Wo er Recht haben mag, sind die Trainingssitzungen am Freitag, die
tatsächlich nur etwas für Strategen sind, in denen oft viel zu wenig
gefahren wird. Sich dafür etwas zu überlegen, ist sicher nicht falsch.
Aber diese Diskussion gibt es schon, seit der Autor dieses Textes mit
der Formel 1 mitreist, also seit drei Jahrzehnten. Fahrergewerkschafter
George Russell spricht von «unnötiger Zeit auf der Strecke», und ihm
sind auch die Nachtrennen in Singapur, die an der Zwei-Stunden-Grenze
kratzen, zu lang. Mag beides stimmen. Aber es ist auch die Abwechslung,
die ein auf 24 Rennen ausgedehnter Kalender braucht.
Monza-Triumphator Max Verstappen, trotz seiner erst 27 Jahre ein
Verfechter des klassischen Motorsports, warnt: «Mir ist klar, dass sich
der Sport weiterentwickeln muss, aber wir sollten es nicht übertreiben.
Ich finde, dass Sprintrennen schon verrückt genug sind.» Langweilige
Grand Prix wird es trotzdem weiterhin geben, aber das ist besser, als
wenn alles nur aus dem Netflix-Drehbuch stammt. Lieber ein ehrlicher
Aufschrei von Norris im Duell gegen Verstappen («Was macht der Idiot?»)
samt rundenlangem Gerangel, als die verrücktesten Szenen im
Schnelldurchlauf. Fahrer, die menschlich bleiben und Fehler halten auf
Dauer das Interesse höher als die Künstliche Intelligenz.
«Ein generelles Problem der Gesellschaft»
Abgesehen von der Frage, wer auf den Tribünen bleibt, wenn sich der
Hype um die Formel 1 einmal legen sollte: es werden, wie schon oft
erlebt, jene sein, die in die Gene des Motorsports vertrauen. Fernando
Alonso, der Grand-Prix-Senior, zieht geschickt einen Vergleich: «Manche
Fussballspiele sind auch ein bisschen lang. Wenn ich vor dem Fernseher
sitze, schaue ich mir nicht die gesamten 90 Minuten konzentriert an, es
gibt immer Momente der Ablenkung. Aber niemand spricht davon,
Fussballspiele auf 60 Minuten zu verkürzen. Es ist also eher ein
generelles Problem der Gesellschaft und nicht des Sports. Deshalb
braucht es keine Änderung.» Mit Rennen wie am Sonntag behält die Formel 1
ihr Format, ohne altmodisch zu wirken.
Resultate
Fahrer-WM
Konstrukteurs-WM
Fotos: Red Bull, Sauber, McLaren, Ferrari, Aston Martin