Der Grand Prix von Japan zeigte eines: die Formel 1 ist spannend gestartet – auch, weil die Favoriten bereits zauderten. Das McLaren-Duo Norris/Piastri belegte nur die Plätze hinter Weltmeister und Sieger Verstappen (Foto).
Wenn die ersten Sechs in der exakt gleichen Reihenfolge vom Start bis ins Ziel fahren, dann ist das in der Grand-Prix-Geschichte ein Novum für permanente Rennstrecken. Das klingt nicht besonders abwechslungsreich, und so war er auch nicht, der Grand Prix von Japan. Bezeichnend, dass das spektakulärste Manöver in der Boxengasse stattfand, und dass der Angriff von Lando Norris auf Max Verstappen zum Scheitern verurteilt worden war. Der Triumph des Niederländers in Suzuka unterstreicht aber auch eins: Drei unterschiedliche Sieger in drei Rennen, damit scheint im letzten Jahr des aktuellen Formel-1-Reglements tatsächlich alles möglich. Nuancen entscheiden, die Verhältnisse ändern sich schnell – was Zögerlichkeiten des McLaren-Kommandostandes bei der richtigen Taktik künftig verbietet.
McLaren ist gewarnt
Wer hätte angesichts der technischen Überlegenheit von McLaren schon gedacht, dass Red Bull so schnell wieder an die Spitze zurückkehren kann? Und sei es nur der überragenden Tagesform des Titelverteidigers und einem die Reifen schonenden neuen Asphalt geschuldet – das traditionell zur leichten Arroganz neigende britische Team ist gewarnt. Es braucht alle Anstrengung von Lando Norris und Oscar Piastri, um Verstappen in Zaum halten zu können. Auf der Fahrerstrecke in Suzuka ist der Niederländer jetzt der erste Pilot, der viermal in Folge gewinnen konnte.
Max Verstappen: Der 64. Sieg schmeckte dem Niederländer besonders.
McLaren: Lando Norris und Oscar Piastri wurden ihrer Favroritenrolle nicht gerecht.
Ferrari: Charles Leclerc (Bild) und Lewis Hamilton warten noch immer auf das erste Podium 2025.
Grundstein für den Sieg war eine Qualifikationsrunde, die aus dem
nichts kam und die ihresgleichen sucht. Beim Training noch im
Niemandsland, hatte Red Bull die Fahrzeugabstimmung komplett verändert
und mit Hugh Bird eigens einen zusätzlichen Renningenieur für das Auto
mit der Nummer Eins eingesetzt. «Wir haben alles auf den Kopf gestellt»,
bestätigt Teamchef Christian Horner. Mit einer Ausnahmeleistung hatte
Verstappen am Ende um zwölf Tausendstel die Fahrzeugnase vor Norris
vorn. Die Überraschung des noch jungen Rennjahres wirkte auf die Gegner
offenbar demoralisierend. McLaren hat weiterhin das stärkste Auto, aber
Red Bull hat den derzeit besten Fahrer der Welt, wie es Horner
unbescheiden ausdrückt. In jedem Fall irrt der Brite nicht, wenn er
seinem Schützling «eines der besten Wochenenden seiner Karriere»
bescheinigt.
Alonsos Worte
Der Teamchef ist natürlich voreingenommen, weshalb wir zu der Frage
nach dem berühmten «Max-Faktor» besser einen kompetenten Kritiker hören –
Fernando Alonso ist voll des Lobes über den Niederländer: «Er zeigt an
jedem Wochenende, was für ein aussergewöhnlicher Fahrer er ist. Sein
Auto ist im Prinzip nicht gut genug für die Poleposition, manchmal nicht
für die ersten Fünf. Aber er schafft immer wieder diese magischen
Runden. Deshalb ist er der Massstab für uns alle.»
Da fühlt sich einer sichtlich wohl in der Rolle des underdogs. Was
den 27-Jährigen keineswegs dazu verleitet, übermütig zu werden. Das
Comeback von Suzuka ist noch kein Durchbruch, wie er warnt: «Das
Ergebnis war grossartig, aber wir rufen nicht plötzlich 'Hosianna'. Es war
schwierig zu überholen und das Qualifying-Ergebnis war wichtiger als
sonst.» Glücklich war er trotzdem, um den Motivationseffekt für seine
Mannschaft wissend.
Fernando Alonso: Der zweifache Weltmeister lobte Max Verstappen.
Andrea Kimi Antonelli: Der Mercedes-Youngster ist der jüngste GP-Pilot, der eine schnellste Runde holte und einen GP anführte.
McLaren hatte mit der schwächeren Qualifying-Leistung und der
üblichen Inkonsequenz bei der Rennstrategie die Tür zum Sieg nur einen
Spalt breit offengelassen, und schon stürmte der Champion hindurch.
«Tunnelblick bis zur Zielflagge», attestierte die «Daily Mail». Die
spanische «Marca» erhöhte das Lob noch: «Verstappen ist ein Monster.»
McLaren-Teamchef Andrea Stella muss sich daher fragen, wie lange die so
hoch gehaltene Harmonie in seinem Team noch hält. Oscar Piastri war
sichtlich schneller in Suzuka, durfte aber nicht an Norris vorbei,
obwohl er mehrfach anfragte. Die Techniker rechtfertigten den
verweigerten Platztausch damit, dass es auch dem Australier an der
nötigen Power für einen Angriff gefehlt hätte. Aber wenigstens probieren
hätte man es können. Im umgekehrten Fall wäre das sicher die
Red-Bull-Mentalität gewesen.
«Max hat den Unterschied gemacht»
Seine beiden drängelnden Piloten über die Saison bei Laune und in
Schach zu halten wird für Stella bei allen Absprachen namens «Papaya
rules» zunehmend schwerer sein. Schon mault auch Norris über die
Strategie. Doch als gelernter Ingenieur konzentriert sich der Italiener
mehr auf die Entwicklung des Autos. Es gehe um jede Millisekunde, das
vor allem zeige Verstappens grosser Leistungssprung. «Max hat den
Unterschied gemacht an diesem Wochenende. Aber es wird auch für ihn
schwierig sein, das über eine ganze Saison durchzuhalten, wenn er nicht
im besten Auto sitzt.» Mensch gegen Maschine, das ist vielleicht das
spannendste Wettrennen überhaupt.
Resultate
Grand Prix von Japan. Suzuka, 3. Lauf (von 24): 1. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 53 Runden, 1:22:06.983 Stunden (=224.659 km/h). 2. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 1.423 Sekunden zurück. 3. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 2.129. 4. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 16.097. 5. George Russell (GB), Mercedes, 17.362. 6. Kimi Antonelli (I), Mercedes, 18.671. 7. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, 29.182. 8. Isack Hadjar (F), Racing Bulls-Honda, 37.134. 9. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 40.267. 10. Oliver Bearman (GB), Haas-Ferrari, 54.529. 11. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 57.333. 12. Yuki Tsunoda (J), Red Bull-Honda, 58.401. 13. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1:02.122 Minuten zurück. 14. Carlos Sainz (E), Williams-Mercedes, 1:14.129. 15. Jack Doohan (AUS), Alpine-Renault, 1:21.314. 16. Nico Hülkenberg (D), Sauber-Ferrari, 1:21.957. 17. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls-Honda, 1:22.734. 18. Esteban Ocon (F), Haas-Ferrari, 1:23.438. 19. Gabriel Bortoleto (BR), Sauber-Ferrari, 1:23.897. 20. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Runde zurück. – 20 Fahrer gestartet und klassiert.