McLaren baute in Miami (USA) den Vorsprung in der WM weiter aus, ebenso Oscar Piastri in Bezug auf Teamkollege Lando Norris. Unterhaltend war der Grand Prix trotzdem, vor allem wegen Rekordweltmeister Lewis Hamilton (Foto, mit Teamchef Fred Vasseur), der Ferrari einheizte.
Emotionen sind der wahre Treibstoff der Formel 1. Mögen auch ein siebter und ein achter Platz für Charles Leclerc und Lewis Hamilton beim McLaren-Festival von Miami den miserablen Saisonstart von Ferrari neuerlich untermalen, so leidet doch niemand so schön wie die Scuderia. Allerdings mischt sich unter den verständlichen Frust auch ein gehöriges Mass Häme.
Für gewöhnlich ist es nicht die Art von Lewis Hamilton, sich öffentlich über sein Team zu beklagen. Aber nachdem er eine gute halbe Stunde lang hinter dem Heck von Leclerc festhing, riss beim Rekordweltmeister der Geduldsfaden. Jammern war das nicht mehr, das war schon polemisch. Im Glauben, deutlich schneller als der vor ihm fahrende Monegasse zu sein, plädierte Hamilton auf freie Fahrt. Mehrfach mahnte er eine Stallorder an, aber die Mühlen am Kommandostand mahlten langsam. «Macht doch ruhig noch eine Teepause», ätzte der Brite und wies darauf hin, dass er beim Rennen in Schanghai Leclerc sogar freiwillig vorbeigelassen habe. Genervt fügte er dann an: «Leute, gutes Teamwork ist das nicht!»
«Soll ich den auch noch vorbeilassen?»
Schliesslich musste ihn der Monegasse dann doch vorbeiwinken, aber Hamilton konnte nicht mehr zum sechstplatzierten Kimi Antonelli im Mercedes aufschliessen. Die Ferrari-Bosse bestanden darauf, wieder zurück zu wechseln, wie es intern für solche Fälle vereinbart ist. Hamilton fügte sich, doch der anschliessende warnende Funkspruch seines Renningenieurs Riccardo Adami, dass der Williams von Carlos Sainz nur noch 1.6 Sekunden hinter ihm liege, brachte ihn erst richtig auf die Palme: «Soll ich den auch noch vorbeilassen?»
Ferrari: Über die Positionen von Lewis Hamilton (vorne) und Charles Leclerc wurde viel diskutiert.
Oscar Piastri: Der McLaren-Pilot feierte in Miami seinen bereits vierten Saisonsieg.
McLaren: Das Teamduell spitzt sich zu, Oscar Piastri (r.) überragt Lando Norris immer mehr.
George Russell: Bereits vierter Podestplatz in dieser Saison.
Kimi Antonelli: Beim Sprint holte der Italiener erstmals eine Poleposition.
Williams: Das Traditionsteam überzeugte mit Platz fünf für Alex Albon (Foto) und Platz neun für Carlos Sainz.
Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur nahm seinen aufgebrachten Superstar,
den er schon aus den Nachwuchsserien kennt, ins Gebet. Dem Franzosen
ging es um den Erklärungsbedarf: «Anderthalb Minuten sind keine so lange
Zeit. Wir mussten uns erst ein Bild davon machen, ob Lewis wirklich
schneller war oder nur einen Vorteil durch DRS hatte. Das ist ja nie so
einfach, einen anderen Fahrer zurückzupfeifen. Wir waren das einzige
Team in Miami, das so gehandelt hat.»
Eine fehlerhafte Tatsachenentscheidung der Taktiker also, mehr nicht.
Wirklich? Zumindest nach aussen hin gab sich Lewis Hamilton vor den
Fernsehkameras gelassener: «Ich bin mir sicher, dass den Leuten manches
nicht gefallen hat, was ich gesagt habe. Aber es war eher sarkastisch
gemeint. Andere sagen viel schlimmere Dinge als ich. Was es zu klären
gibt, werden wir intern tun.» Denn entschuldigen werde er sich nicht.
Charles Leclerc will dem Kollegen keinen Vorwurf machen: «Es ist nur
deutlich geworden, dass wir als Team besser werden müssen.»
«Ich kann den Frust der Fahrer verstehen»
Der Haussegen in Maranello hängt nicht zum ersten Mal wegen der
Unsicherheit in der Strategieabteilung schief. Allein die Anzahl der oft
diskutierten Möglichkeiten – Plan A, B, C oder D – verwirrt regelmässig
auch die Fahrer. Das Glücksspiel ist allerdings nur für das Publikum
amüsant. «Ich kann den Frust der Fahrer komplett verstehen», sagt auch
Capo Vasseur, «aber ich bin zunächst nicht dem Einzelnen, sondern dem
Team verpflichtet». Ferrari steht über allem, das wird auch
Rekordweltmeister Lewis Hamilton akzeptieren müssen.
Die Scuderia aber braucht nicht nur dringend den zum Monatsende für
den Grand Prix von Spanien angekündigten generalüberholten Rennwagen,
sondern auch dringend mehr Treffsicherheit und Entscheidungsfreudigkeit
bei der Taktik. Damit aus Frust wieder Lust wird, nicht nur beim
stänkernden Lewis Hamilton.
Resultate
Grand Prix von Miami (USA). 6. Lauf. Gesamtklassement: 1. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 57 Runden, 1:28:51.587 Stunden (=208.188 km/h). 2. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 4.630 Sekunden zurück. 3. George Russell (GB), Mercedes, 37.644. 4. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 39,956. 5. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 48.067. 6. Kimi Antonelli (I), Mercedes, 55.502. 7. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 57.036. 8. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, 1:00:186 Minuten zurück. 9. Carlos Sainz (E). Williams-Mercedes, 1:00.577. 10. Yuki Tsunoda (J), Red Bull-Honda, 1:14.434 (inkl. 5 Sekunden Strafe für überhöhte Geschwindigkeit in den Boxen). 11. Isack Hadjar (F), Racing Bulls-Honda, 1:14.602. 12. Esteban Ocon (F), Haas-Ferrari, 1:22.006. 13. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1:30.445. 14. Nico Hülkenberg (D), Sauber-Ferrari, 1 Runde zurück. 15. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 16. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. – Ausfälle: Liam Lawson (NZ), Racing Bulls-Honda (36. Runde, Kollisionsschaden); Gabriel Bortoleto (BR), Sauber-Ferrari (30., Kollisionsschaden); Olivier Bearman (GB), Haas-Ferrari (27., Kollisionsschaden); Jack Doohan (AUS), Alpine-Renault (1., Kollisionsschaden). – 20 Fahrer gestartet, 16 klassiert.