Formel 1 – Hat McLaren seinen Vorteil mit dem Titelgewinn verspielt?

Elmar Brümmer | 06.10.2025

McLaren (Foto) tat sich schwer beim Grand Prix von Singapur. Zum vorzeitigen Gewinn des Konstrukteurstitels reichte es trotzdem. Zum letzten? Denn nächste Saison kommt das neue Motorenreglement. Nach der letzten Triebwerkreform dominierte jahrelang Mercedes. Dessen Pilot George Russell lenkte seinen Silberpfeil am Sonntag souverän zum Singapur-Sieg.

Norris Piastri

Das Rennen, das McLaren zum zehnten Mal zum Konstrukteurs-Weltmeister macht und damit zum erfolgreichsten Rennstall nach Ferrari in der Formel 1, war eins zum Vergessen für Lando Norris und Oscar Piastri. Die beiden Favoriten um den Fahrertitel landeten beim Grand Prix von Singapur hinter George Russell (Mercedes) und Max Verstappen (Red Bull-Honda) auf den Plätzen drei und vier. Aber das reichte natürlich locker, um die lediglich 13 erforderlichen Punkte einzufahren und die Titelverteidigung in der lukrativen Mannschaftswertung perfekt zu machen – sechs Rennen vor Saisonschluss.

Auf eigene Rechnung

Ein deutliches Zeichen für die Überlegenheit von McLaren, auch wenn die Truppe von Andrea Stella ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Saison die Leichtigkeit verloren zu haben scheint, und sich bei der Fahrzeugabstimmung wie beim Handling der Fahrer schwerer tut als gedacht. Das Norris nach der entscheidenden ersten Kurve auf dem Marina Bay Street Circuit in seinen Kollegen Piastri rutschte, dürfte ein Ausblick darauf sein, wie es jetzt weitergehen könnte, wenn die beiden nur noch auf eigene Rechnung fahren und den Einzeltitel unter sich ausmachen: Die Gangart wird härter, die Rücksichtnahme geringer. Stella, der grosse Harmoniker unter den Teamchefs, ist wahrscheinlich jetzt schon angst und bange. Denn die als «papaya rules» bekannten Absprachen untereinander scheinen nicht mehr so zu wirken wie noch zu Saisonbeginn, als das Auto auch weit überlegener war.

Verstappen Norris Piastri

Nur im Windschatten des Weltmeisters: Die McLaren von Lando Norris und Oscar Piastri jagen Max Verstappen.

Norris 1

Lando Norris: Dank Rang drei wieder ein Stückchen näher an WM-Leader Oscar Piastri.

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Oscar Piastri: Der WM-Leader wirkt weniger cool als auch schon.

Piastri wirkt plötzlich fahriger, und er lamentiert über Funk auf einem Klageniveau, das bislang nur von Norris bekannt war. Es ist der alte Zwist zwischen erforderlicher Rücksichtname aus Teamräson heraus und der nötigen Rücksichtslosigkeit beim persönlichen Interesse. Das zwischen den beiden nur 22 Punkte liegen, hält die Saison spannender als noch vor der Sommerpause gedacht. Max Verstappen, der im wiedererstarkten Red-Bull-Honda konstant erfolgreichste Fahrer der letzten Wochen, lauert doch nur auf einen Crash der «Big Mcs». Und mal ehrlich: wer ausser den McLaren-Fans würde sich eine solche Zuspitzung nicht wünschen?

Russell ist bereit

Mag die Sauna-Rundfahrt in Singapur auch bis auf ein paar Manöver ereignisloser gewesen sein als gedacht, so hat sie doch mal wieder einen anderen Sieger hervorgebracht. Das erstaunliche Comeback von Mercedes auf einer Strecke, die wegen der grossen Hitze grundsätzlich als Silberpfeil-unfreundlich galt, spielt George Russell in die Karten, der nach Montreal zum zweiten Mal auf einem Stadtkurs gross punkten kann. Der eigentliche Lohn für den souveränen Sieg von der Poleposition mit Streckenrekord aus war nicht das stattliche Feuerwerk über der Marina Bay, sondern der verbale Ritterschlag durch Teamchef Toto Wolff beim Fernsehsender Sky: «Wir sind supernah dran an der Vertragsverlängerung mit ihm und Kimi Antonelli und werden das bald verkünden.» Der 27 Jahre alte Russell hatte keine grosse Wahl, das Team aber auch nicht. Interessant wäre nur die tatsächliche Laufzeit und die Art der Ausstiegs- und Leistungsklauseln – falls im kommenden Jahr Max Verstappen tatsächlich Red Bull verlassen könnte und damit die gesamten sorgfältigen Personalplanungen der Top-Teams über den Haufen werfen würde.

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George Russell: Zweiter Saisonsieg für den Mercedes-Piloten.

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George Russell: Der Mercedes war der Konkurrenz in Singapur klar überlegen.

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Max Verstappen: Der Weltmeister liefert und liefert und liefert…

Die kommende Saison ist die grosse Unbekannte, mit dem radikalen Wechsel des Motorenreglements. Auch deshalb war McLaren froh, noch einmal den Titel eingefahren zu haben, reiben sich Piastri und Norris so auf. Wer weiss schon, wer beim technischen Neu-Start den grossen Wurf landen wird – wieder Mercedes wie beim letzten Mal, als die Hybrid-Ära dem Konzernrennstall acht Konstrukteurstitel in Folge einbrachte? Russell hofft jetzt natürlich darauf, dann wäre seine eigene Position noch sicherer. In Singapur gab er seine Ambitionen zu Protokoll: «Ich bin bereit, um die Weltmeisterschaft zu fahren. Ich fühle, dass ich den nächsten Schritt machen kann.»

Resultate Grand Prix Singapur

Stände Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft

Fotos: McLaren, Red Bull, Mercedes

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