Formel 1 – Es ist angerichtet

Elmar Brümmer | 28.10.2024

Die Mutmassung passte: Ob die Piloten vor dem Grand Prix wohl Chili con Carne gefuttert hätten? Der Lauf in Mexiko hatte in der Tat viel Würze, die Fans dürfen in den kommenden Wochen davon zehren. 

Sainz

Der Kaffeemaschinen-Faktor, jener Moment, an dem die Menschen Montagmorgens in der ersten Arbeitspause über das Rennen vom Sonntag diskutieren, der war während der jahrelangen Dominanzen ein wenig abhanden gekommen. Aber jetzt ist er wieder da – und wie. Vier Rennen vor Schluss ist das Titelrennen der Formel 1 nicht nur auf der Strecke ultraspannend. Auch das Drumherum stimmt, denn da geht es auch ordentlich zur Sache. Der Prix von Mexiko bot einen höheren Unterhaltungswert als den parallel laufenden Sonntagskrimi im TV und hatte mit Max Verstappen auch einen Übeltäter. Das sind vor dem Grand Prix von Brasilien am kommenden Wochenende die fünf Themen mit dem höchsten Unterhaltungswert:

1. Ferrari-Comeback

Ferrari ist wieder da, und wie (Mexiko-Sieger Carlos Sainz, Gr. Foto). Vielleicht ein bisschen spät, aber fast wäre der zweite Doppelerfolg in einer Woche gelungen. In der Konstrukteurs-WM wurde Red Bull überholt, jetzt wird McLaren gejagt. Das Team in Maranello arbeitet endlich so zusammen wie es sein soll. Und Carlos Sainz wollte vor seinem Zwangsabschied unbedingt noch einen Sieg. Damit düpiert der Spanier natürlich Teamchef Frédéric Vasseur und auch seinen Kollegen Charles Leclerc. Der Monegasse hätte sein Auto fast ausgangs des Stadions von Mexiko weggeworfen. Trotz drittem Platz und theoretischer Titelchancen würden viele Ferraristi lieber Sainz behalten.

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Ferrari, hier Charles Leclerc, bestimmt in der Formel 1 gegenwärtig das Tempo.

2. Überregulierte Formel 1

Einfach nur überholen geht nicht mehr in dieser überregulierten Formel 1. Dem Funktionärs-Zirkus um die ausgeuferten Rad-an-Rad-Duelle von Austin folgte nun nach zwei weiteren Verstappen-Verdrängungsmanöver das Exempel von Mexiko. 20 Strafsekunden sollen dem Niederländer, der damit auf Rang sechs fiel, klar machen, wo die Grenzen liegen. Aber die bleiben unklar. Jetzt will der Automobilweltverband FIA zusammen mit den Fahrern neue Richtlinien aufstellen, wann wem welche Kurve gehört. Es wäre schlimm, wenn diese graue Theorie die so spannende Praxis zerstören würde. Doch Sündenbock Verstappen bleibt unbeeindruckt: "Es geht nicht darum, ob man mit der Strafe einverstanden ist oder nicht. Ich gebe nicht so einfach auf. Und werde so fahren, wie ich fahren muss."

Verstappen Norris

In der Fahrer-WM schmilzt der Punktevorsprung von Max Verstappen (v.) auf Lando Norris, weshalb sich die beiden Titelkonkurrenten in Mexiko bedrängten.

3. Die Fahrer-WM

Das Titelrennen bleibt Nervensache. Mittlerweile herrscht im Fahrerlager wieder eine vergiftete Stimmung wie Ende 2021 zwischen Red Bull und Mercedes. Nur dass McLaren die Rolle der Silbernen übernommen hat. Lando Norris, der Zweiter wurde, will es sich nicht ganz mit seinem Kumpel Max Verstappen verderben, obwohl er tobte: "Der Typ ist gefährlich!" Der Brite, der im Qualifying und beim Kampf um die Startkurve patzte, möchte allseits fair fahren. Allerdings ist noch selten ein Fahrer mit bescheidenem Härtegrad Champion geworden. Das hat Norris inzwischen auch festgesellt: "Manchmal habe ich wahrscheinlich Punkte verloren, weil ich nicht aggressiv genug gewesen bin. In dieser Hinsicht muss ich eine bessere Balance finden." Aber mit 47 Punkten Rückstand muss er weiter vorsichtiger fahren als Verstappen.

4. Die Konstrukteurs-WM

Die Konstrukteurs-WM ist abgesehen davon, dass sie als Geldmeisterschaft ohnehin die Wichtigere für die Teams darstellt, die noch spannendere. 29 Punkte Vorsprung hat McLaren auf Ferrari. Derzeit ist besonders gut zu besichtigen, warum Motorsport immer auch Mannschaftssport ist. Erfolgreich wird in dieser Wertung sein, wer ein echtes Fahrer-Duo beschäftigt. McLaren scheint das bessere Auto zu haben, aber mit Lando Norris/Oscar Piastri auch die unerfahrerene Paarung. Ferrari muss das Ego-Rennen zwischen Sainz und Leclerc managen, aber die Aussicht auf den Titel setzt offenbar neue Energie und Motivation in Maranello frei. Damit hatte man nach einer durchwachsenen Europasaison nicht mehr gerechnet.

Piastri Leclerc 2

In der Konstrukteurs-WM ist Ferrari nun erster Verfolger von McLaren (im Bild Lando Norris vor Charles Leclerc).

5. Die Personalie Pérez

Sergio Pérez dürfte trotz frischem Vertrag nicht mehr lange Red-Bull-Fahrer sein. Ausgerechnet beim Heimspiel, das die Wende in einer völlig verkorksten Saison bringen sollte, ging alle schief: Ausgeschieden in der ersten Qualifikationsrunde, dann ein Fehlstart, schliesslich eine Kollision mit seinem potenziellen Nachfolger Liam Lawson aus dem Schwesterteam Racing Bulls. Pérez ist mental durch den Wind, und die Geduld von Teamchef Christian Horner offenbar am Ende: "Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem einfach nichts mehr geht. Dann müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden."

Perez Horner

Sergio Pérez (l.), hier im Gespräch mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner…

Lawson Perez

…kämpft um sein Cockpit, unter anderem gegen die Red-Bull-Junioren Liam Lawson (l.)…

Tsunoda

…und Yuki Tsunoda, der in Mexiko allerdings früh ausfiel.

Fotos: Ferrari, Red Bull, McLaren

Grand Prix von Mexiko. Mexiko-Stadt, 20. von 24 Läufen: 1. Carlos Sainz (E), Ferrari, 71 Runden zu 4.304 km (=305.354 km(, 1:40:55.800 Stunden (=181.524 km/h). 2. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 4.705 Sekunden zurück. 3. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 34.387. 4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 44.780. 5. George Russell (GB), Mercedes, 48.536. 6. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 59.558. 7. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:03.642 Minuten zurück. 8. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 1:04.928. 9. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1 Runde zurück. 10. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 11. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 12. Franco Colapinto (RA), Williams-Mercedes, 1 Rd. 13. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 14. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 15. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 16. Liam Lawson (AUS), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 17. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 1 Rd. – Ausfälle: Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes (15. Runde, Kühlung); Alexander Albon (T), Williams-Mercedes (1., Unfall); Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda (1., Unfall). – 20 Fahrer gestartet, 17 klassiert. – Schnellste Runde (+1 Punkt): Leclerc, 71. Runde, 1:18.336 Minuten (=151.737 km/h). – Poleposition: Sainz, 1:15.946 Minuten (=204.018 km/h).

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 362 Punkte (7 Saisonsiege). 2. Norris 315 (3). 3. Leclerc 291 (3). 4. Piastri 251 (2). 5. Sainz 240 (2). 6. Hamilton 189 (2). 7. Russell 177 (1). 8. Pérez 150. 9. Alonso 62. 10. Hülkenberg 31. 11. Stroll 24. 12. Tsunoda 22. 13. Magnussen 14. 14. Albon 12. 15. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls, 12. 16. Gasly 9. 17. Oliver Bearman (GB), Ferrari und Haas-Ferrari, 7. 18. Colapinto 5. 19. Ocon 5. 20. Lawson 2. – Konstrukteure: 1. McLaren-Mercedes 566 (5). 2. Red Bull-Honda 537 (7). 3. Ferrari 512 (5). 4. Mercedes 366 (3). 5. Aston Martin-Mercedes 86. 6. Haas-Ferrari 46. 7. Racing Bulls-Honda 36. 8. Williams-Mercedes 17. 9. Alpine-Renault 14.

Nächster Lauf: Grand Prix von Brasilien, Sao Paulo, 3. November 2024 (18.00 Uhr/MESZ).

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