Die Mutmassung passte: Ob die Piloten vor dem Grand Prix wohl Chili con Carne gefuttert hätten? Der Lauf in Mexiko hatte in der Tat viel Würze, die Fans dürfen in den kommenden Wochen davon zehren.
Der Kaffeemaschinen-Faktor, jener Moment, an dem die Menschen Montagmorgens in der ersten Arbeitspause über das Rennen vom Sonntag diskutieren, der war während der jahrelangen Dominanzen ein wenig abhanden gekommen. Aber jetzt ist er wieder da – und wie. Vier Rennen vor Schluss ist das Titelrennen der Formel 1 nicht nur auf der Strecke ultraspannend. Auch das Drumherum stimmt, denn da geht es auch ordentlich zur Sache. Der Prix von Mexiko bot einen höheren Unterhaltungswert als den parallel laufenden Sonntagskrimi im TV und hatte mit Max Verstappen auch einen Übeltäter. Das sind vor dem Grand Prix von Brasilien am kommenden Wochenende die fünf Themen mit dem höchsten Unterhaltungswert:
1. Ferrari-Comeback
Ferrari ist wieder da, und wie (Mexiko-Sieger Carlos Sainz, Gr. Foto). Vielleicht ein bisschen spät, aber fast wäre der zweite Doppelerfolg in einer Woche gelungen. In der Konstrukteurs-WM wurde Red Bull überholt, jetzt wird McLaren gejagt. Das Team in Maranello arbeitet endlich so zusammen wie es sein soll. Und Carlos Sainz wollte vor seinem Zwangsabschied unbedingt noch einen Sieg. Damit düpiert der Spanier natürlich Teamchef Frédéric Vasseur und auch seinen Kollegen Charles Leclerc. Der Monegasse hätte sein Auto fast ausgangs des Stadions von Mexiko weggeworfen. Trotz drittem Platz und theoretischer Titelchancen würden viele Ferraristi lieber Sainz behalten.
Ferrari, hier Charles Leclerc, bestimmt in der Formel 1 gegenwärtig das Tempo.
2. Überregulierte Formel 1
Einfach nur überholen geht nicht mehr in dieser überregulierten
Formel 1. Dem Funktionärs-Zirkus um die ausgeuferten Rad-an-Rad-Duelle
von Austin folgte nun nach zwei weiteren Verstappen-Verdrängungsmanöver
das Exempel von Mexiko. 20 Strafsekunden sollen dem Niederländer, der
damit auf Rang sechs fiel, klar machen, wo die Grenzen liegen. Aber die
bleiben unklar. Jetzt will der Automobilweltverband FIA zusammen mit den
Fahrern neue Richtlinien aufstellen, wann wem welche Kurve gehört. Es
wäre schlimm, wenn diese graue Theorie die so spannende Praxis zerstören
würde. Doch Sündenbock Verstappen bleibt unbeeindruckt: "Es geht nicht
darum, ob man mit der Strafe einverstanden ist oder nicht. Ich gebe
nicht so einfach auf. Und werde so fahren, wie ich fahren muss."
In der Fahrer-WM schmilzt der Punktevorsprung von Max Verstappen (v.) auf Lando Norris, weshalb sich die beiden Titelkonkurrenten in Mexiko bedrängten.
3. Die Fahrer-WM
Das Titelrennen bleibt Nervensache. Mittlerweile herrscht im
Fahrerlager wieder eine vergiftete Stimmung wie Ende 2021 zwischen Red
Bull und Mercedes. Nur dass McLaren die Rolle der Silbernen übernommen
hat. Lando Norris, der Zweiter wurde, will es sich nicht ganz mit seinem
Kumpel Max Verstappen verderben, obwohl er tobte: "Der Typ ist
gefährlich!" Der Brite, der im Qualifying und beim Kampf um die
Startkurve patzte, möchte allseits fair fahren. Allerdings ist noch
selten ein Fahrer mit bescheidenem Härtegrad Champion geworden. Das hat
Norris inzwischen auch festgesellt: "Manchmal habe ich wahrscheinlich
Punkte verloren, weil ich nicht aggressiv genug gewesen bin. In dieser
Hinsicht muss ich eine bessere Balance finden." Aber mit 47 Punkten
Rückstand muss er weiter vorsichtiger fahren als Verstappen.
4. Die Konstrukteurs-WM
Die Konstrukteurs-WM ist abgesehen davon, dass sie als
Geldmeisterschaft ohnehin die Wichtigere für die Teams darstellt, die
noch spannendere. 29 Punkte Vorsprung hat McLaren auf Ferrari. Derzeit
ist besonders gut zu besichtigen, warum Motorsport immer auch
Mannschaftssport ist. Erfolgreich wird in dieser Wertung sein, wer ein
echtes Fahrer-Duo beschäftigt. McLaren scheint das bessere Auto zu
haben, aber mit Lando Norris/Oscar Piastri auch die unerfahrerene
Paarung. Ferrari muss das Ego-Rennen zwischen Sainz und Leclerc managen,
aber die Aussicht auf den Titel setzt offenbar neue Energie und
Motivation in Maranello frei. Damit hatte man nach einer durchwachsenen
Europasaison nicht mehr gerechnet.
In der Konstrukteurs-WM ist Ferrari nun erster Verfolger von McLaren (im Bild Lando Norris vor Charles Leclerc).
5. Die Personalie Pérez
Sergio Pérez dürfte trotz frischem Vertrag nicht mehr lange
Red-Bull-Fahrer sein. Ausgerechnet beim Heimspiel, das die Wende in
einer völlig verkorksten Saison bringen sollte, ging alle schief:
Ausgeschieden in der ersten Qualifikationsrunde, dann ein Fehlstart,
schliesslich eine Kollision mit seinem potenziellen Nachfolger Liam
Lawson aus dem Schwesterteam Racing Bulls. Pérez ist mental durch den
Wind, und die Geduld von Teamchef Christian Horner offenbar am Ende:
"Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem einfach nichts mehr geht. Dann
müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden."
Sergio Pérez (l.), hier im Gespräch mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner…
…kämpft um sein Cockpit, unter anderem gegen die Red-Bull-Junioren Liam Lawson (l.)…
…und Yuki Tsunoda, der in Mexiko allerdings früh ausfiel.
Fotos: Ferrari, Red Bull, McLaren
Grand Prix von Mexiko. Mexiko-Stadt, 20. von 24 Läufen: 1. Carlos Sainz (E), Ferrari, 71 Runden zu 4.304 km (=305.354 km(, 1:40:55.800 Stunden (=181.524 km/h). 2. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 4.705 Sekunden zurück. 3. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 34.387. 4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 44.780. 5. George Russell (GB), Mercedes, 48.536. 6. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 59.558. 7. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:03.642 Minuten zurück. 8. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 1:04.928. 9. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1 Runde zurück. 10. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 11. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 12. Franco Colapinto (RA), Williams-Mercedes, 1 Rd. 13. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 14. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 15. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 16. Liam Lawson (AUS), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 17. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 1 Rd. – Ausfälle: Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes (15. Runde, Kühlung); Alexander Albon (T), Williams-Mercedes (1., Unfall); Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda (1., Unfall). – 20 Fahrer gestartet, 17 klassiert. – Schnellste Runde (+1 Punkt): Leclerc, 71. Runde, 1:18.336 Minuten (=151.737 km/h). – Poleposition: Sainz, 1:15.946 Minuten (=204.018 km/h).
Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 362 Punkte (7 Saisonsiege). 2. Norris 315 (3). 3. Leclerc 291 (3). 4. Piastri 251 (2). 5. Sainz 240 (2). 6. Hamilton 189 (2). 7. Russell 177 (1). 8. Pérez 150. 9. Alonso 62. 10. Hülkenberg 31. 11. Stroll 24. 12. Tsunoda 22. 13. Magnussen 14. 14. Albon 12. 15. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls, 12. 16. Gasly 9. 17. Oliver Bearman (GB), Ferrari und Haas-Ferrari, 7. 18. Colapinto 5. 19. Ocon 5. 20. Lawson 2. – Konstrukteure: 1. McLaren-Mercedes 566 (5). 2. Red Bull-Honda 537 (7). 3. Ferrari 512 (5). 4. Mercedes 366 (3). 5. Aston Martin-Mercedes 86. 6. Haas-Ferrari 46. 7. Racing Bulls-Honda 36. 8. Williams-Mercedes 17. 9. Alpine-Renault 14.
Nächster Lauf: Grand Prix von Brasilien, Sao Paulo, 3. November 2024 (18.00 Uhr/MESZ).