Formel 1 – Mit dem Rücken zur Wand

Elmar Brümmer | 04.07.2024

Grand Prix von Österreich Für das Topteam Red Bull wird die Luft an der Spitze dünner. Weltmeister Max Verstappen nützt sein Können immer weniger, weshalb er auf der Piste unberechenbar wird.

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Kampf um den Sieg: Weltmeister Max Verstappen (l.) und Lando Norris gerieten beim GP von Österreich aneinander.

Freunde zu sein neben der Rennstrecke und Gegner auf der Piste, das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Lando Norris und Max Verstappen, die beiden Kumpel mit Wahlwohnsitz in Monaco, haben das bisher gut hinbekommen. Bis zur 64. Runde im Grand Prix von Österreich. Da endete der elfte WM-Lauf mit einem Crash der beiden – mit Ansage. Seit Verstappen seinen Vorsprung wegen eines seltenen Fehlers von Red Bull Racing beim Boxenstopp eingebüsst hatte, hing ihm der McLaren am Heck. Runde für Runde auf dem mit drei DRS-Zonen ausgestatteten Red-Bull-Ring kam es zu heiklen Angriffsversuchen samt heftiger Abwehr. Verstappen machte immer wieder in den Kurven die Türe zu, Norris ritt mehrfach über die Streckenbegrenzung aus. Begleitet wurde das dramatische Duell jeweils von wütenden Funksprüchen.

Just in dem Augenblick, als die Rennkommissare Norris fünf Strafsekunden für das Überschreiten der Tracklimits aufbrummten, wagte der Brite den entscheidenden Angriff – und schlitzte die Reifen seines und des Autos seines Gegners auf und ruinierte Flügel und Unterboden. Verstappen schleppte sich erfolgreicher an die Box, holte frische Reifen, fuhr die schnellste Rennrunde und konnte als Fünfter seinen Gesamtvorsprung weiter ausbauen. Die zehn Sekunden, die ihm die Stewards für seinen Schlenker beim Bremsmanöver gaben, kann er verkraften.

Eine Frage des Respekts

George Russell im Mercedes war als lachender Dritter zur Stelle, doch fast hätte ihm der Australier Oscar Piastri im zweiten McLaren den ersten Erfolg seit November 2022 noch abgejagt. Zusammen mit dem Sprintrennen, in dem Norris anfänglich Verstappen erfolgreich überrumpeln konnte, verfestigen sich die Trends in der Königsklasse: Red Bull schwächelt, McLaren ist auf jedem Streckentyp ein Siegesanwärter, Mercedes hat trotz ­eines noch nicht ganz optimalen Silberpfeils die Rolle der dritten Kraft von der einmal mehr unglücklichen Scuderia Ferrari übernommen. Das verspricht in der zweiten Saisonhälfte, die diesen Sonntag nach dem Grand Prix von Grossbritannien beginnt, interessant zu werden.

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Noch Kumpels oder schon Rivalen: Weltmeister 
Max Verstappen vom Team Red Bull...

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…und Lando Norris aus dem McLaren-Rennstall.

Vielmehr als die Frage, ob sich der Champion und sein Team auch ohne den Zauber von Designer Adrian Newey wieder fangen können, beschäftigt die Fans der Beziehungsstatus zwischen Verstappen und Norris. Spontan wollten sie sich nicht versöhnen, was vielleicht auch besser so war. Es ist eine Frage des Respekts. Norris lamentierte, dass dieser ohne Entschuldigung verloren gehe. Verstappen analysierte, dass die beiden noch nie vorher in so einer Situation gegeneinander Rennen gefahren seien und dass sie Wege finden könnten, sich weiter mit einem Mindestmass an Vertrauen in ihre Zweikämpfe zu stürzen.

Ein schmutziger Trick

Die Spur während des Bremens zu wechseln, ist in der Formel 1 kein Kavaliersdelikt mehr. Es gilt als schmutziger, weil höchst gefährlicher Trick. In seiner wilden Aufstiegsphase in der Königsklasse versuchte sich der damalige Kronprinz Verstappen gern auf diese unberechenbare Art Respekt zu verschaffen, ehe er lernen musste, dass eine Grand-Prix-Piste keine Kartbahn ist. McLaren-Teamchef Andrea Stella geisselt das Verhalten Verstappens als höchst unsportlich und sieht die Störtaktik des Titelverteidigers in jenem Rennjahr 2021 begründet, als er mehrfach mit Lewis Hamilton aneinandergeraten war: «Wenn solche Probleme nicht geklärt werden, dann kommen sie irgendwann wieder zurück.» Den Italiener störte am Wiederholungstäter am meisten, dass es keine sofortige Entschuldigung vonseiten des Verursachers gab: «Alle haben grossen Respekt vor den Leistungen von Max und Red Bull, aber so etwas beschädigt die Reputation.» Man muss die Sache aber auch nicht höher hängen als nötig. Denn solche Aktionen machen den Motorsport aus, selbst wenn sie einmal schiefgehen.

Norris, der ohnehin weit zarter besaitet wirkt als sein Kumpel Verstappen, war sichtlich zum Heulen zumute, sicher auch aus Wut: «Wenn ich nicht mehr so angreifen kann, wie ich es getan habe, dann wird es weiter Kollisionen geben. Es gibt Regeln, und Max hat Dinge getan, die nicht erlaubt sind.» Die sportliche Auseinandersetzung ist das ­eine, die menschliche Komponente das andere: «Ich bin enttäuscht. Ich habe mehr von Max und seinem Verhalten erwartet. Am Ende war es einfach nur ein bisschen dumm und leichtsinnig.» Die wahre Enttäuschung ist noch einmal eine andere: «Nur wenn Max zugibt, dass er zu rücksichtslos war, geht nicht viel von meinem Respekt für ihn verloren.» Der Weltmeister, gestählt in vielen hitzigen Duellen, die meist auch persönlich wurden, bleibt weit gelassener: «Es ist schade, dass es so passiert ist. Nicht nur Lando ist sauer, ich bin es auch. Wir waren immer am Limit und hatten es manchmal nicht mehr unter Kontrolle.» Fortsetzung folgt. 

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Kritisiert Verstappens Verhalten: McLaren-Teamchef Andrea Stella.

Die Sauber-Statistik


Valtteri Bottas (Foto) GP: 16. Platz (saisonübergreifend 16. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 12. Platz (13.–18. und 40./41. Runde). – Sprint: 19. Platz. – Qualifikation: 18. Platz (schlechtestes Resultat der Saison).

Guanyu Zhou GP: 17. Platz (saisonübergreifend 16. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 13. Platz (13.–17. Runde). – Sprint: 20. Platz. – Qualifikation: 20. Platz (zum vierten Mal 2024 Letzter).

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Resultate

Grand Prix von Österreich. 11. von 24 Läufen: 1. George Russell (GB), Mercedes, 71 Runden zu 4.318 km (=306.452 km), 1:24:22.798 Stunden (217.908 km/h). 2. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 1.906 Sekunden zurück. 3. Carlos Sainz (E), Ferrari, 4.533. 4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 23.142. 5. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 37.253 (inkl. 10 Sekunden Strafe für Verursachung eines Unfalls). 6. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 54.088. 7. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 54.672. 8. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:00.355 Minuten zurück. 9. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 1:01:169. 10. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1:01:766. 11. Charles Le­clerc (MC), Ferrari, 1:07.056. 12. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1:08.325. 13. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Runde zurück. 14. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 15. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 1 Rd. (inkl. 5 Sekunden Strafe wegen Vergehens bei Einfahrt zu Boxenstopp). 16. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 17. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 18. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 19. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 2 Rdn. 20. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 7 Rdn. (inkl. 5 Sekunden Strafe wegen Übertretung der Streckenbegrenzung). – 20 Fahrer gestartet und klassiert. – Schnellste Runde: Alonso, 70. Runde, 1:07.694 Minuten (=229.633 km/h). – Poleposition: Verstappen, 1:04.314 Minuten (=241.701 km/h).

Sprint: 1. Verstappen, 23 Runden, 26:41.389 Minuten (=222.979 km/h). 2. Piastri, 4.616 Sekunden zurück. 3. Norris 5.348. 4. Russell 8.354. 5. Sainz 9.989. 6. Hamilton 11.207. 7. Leclerc 13.424. 8. Pérez 17.409. 9. Magnussen 24.067. 10. Stoll 30.175. 11. Ocon 30.839. 12. Gasly 31.308. 13. Tsunoda 35.452. 14. Hülkenberg 38.423. 15. Ricciardo 39.397. 16. Alonso 43.155. 17. Sargeant 44.076. 18. Albon 44.673. 19. Bottas 46.511. 20. Zhou 53.143.

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 237 Punkte (7 Saisonsiege). 2. Norris 156 (1). 3. Leclerc 150 (1). 4. Sainz 135 (1). 5. Pérez 118. 6. Piastri 112. 7. Russell 111 (1). 8. Hamilton 85. 9. Alonso 41. 10. Tsunoda 19. 11. Stroll 17. 12. Hülkenberg 14. 13. Ricciardo 11. 14. Oliver Bearman (GB), Ferrari, 6. 15. Gasly 6. 16. Magnussen 5. 17. Ocon 3. 18. Albon 2.– Konstrukteure: 1. Red Bull-Honda 355 (7). 2. Ferrari 291 (2). 3. McLaren-Mercedes 268 (1). 4. Mercedes 196 (1). 5. Aston Martin-Mercedes 58. 6. Racing Bulls-Honda 30. 7. Haas-Ferrari 19. 8. Alpine-Renault 9. 9. Williams-Mercedes 2.

Nächster Lauf: Grand Prix von Grossbritannien, Silverstone, 7. Juli 2024.

Fotos: Red Bull, McLaren, Sauber

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