Grand Prix von Österreich Für das Topteam Red Bull wird die Luft an der Spitze dünner. Weltmeister Max Verstappen nützt sein Können immer weniger, weshalb er auf der Piste unberechenbar wird.
Kampf um den Sieg: Weltmeister
Max Verstappen (l.) und Lando Norris
gerieten beim GP von Österreich aneinander.
Freunde zu sein neben der Rennstrecke und Gegner auf der Piste, das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Lando Norris und Max Verstappen, die beiden Kumpel mit Wahlwohnsitz in Monaco, haben das bisher gut hinbekommen. Bis zur 64. Runde im Grand Prix von Österreich. Da endete der elfte WM-Lauf mit einem Crash der beiden – mit Ansage. Seit Verstappen seinen Vorsprung wegen eines seltenen Fehlers von Red Bull Racing beim Boxenstopp eingebüsst hatte, hing ihm der McLaren am Heck. Runde für Runde auf dem mit drei DRS-Zonen ausgestatteten Red-Bull-Ring kam es zu heiklen Angriffsversuchen samt heftiger Abwehr. Verstappen machte immer wieder in den Kurven die Türe zu, Norris ritt mehrfach über die Streckenbegrenzung aus. Begleitet wurde das dramatische Duell jeweils von wütenden Funksprüchen.
Just in dem Augenblick, als die Rennkommissare Norris fünf Strafsekunden für das Überschreiten der Tracklimits aufbrummten, wagte der Brite den entscheidenden Angriff – und schlitzte die Reifen seines und des Autos seines Gegners auf und ruinierte Flügel und Unterboden. Verstappen schleppte sich erfolgreicher an die Box, holte frische Reifen, fuhr die schnellste Rennrunde und konnte als Fünfter seinen Gesamtvorsprung weiter ausbauen. Die zehn Sekunden, die ihm die Stewards für seinen Schlenker beim Bremsmanöver gaben, kann er verkraften.
Eine Frage des Respekts
George Russell im Mercedes war als lachender Dritter zur Stelle, doch fast hätte ihm der Australier Oscar Piastri im zweiten McLaren den ersten Erfolg seit November 2022 noch abgejagt. Zusammen mit dem Sprintrennen, in dem Norris anfänglich Verstappen erfolgreich überrumpeln konnte, verfestigen sich die Trends in der Königsklasse: Red Bull schwächelt, McLaren ist auf jedem Streckentyp ein Siegesanwärter, Mercedes hat trotz eines noch nicht ganz optimalen Silberpfeils die Rolle der dritten Kraft von der einmal mehr unglücklichen Scuderia Ferrari übernommen. Das verspricht in der zweiten Saisonhälfte, die diesen Sonntag nach dem Grand Prix von Grossbritannien beginnt, interessant zu werden.
Noch Kumpels oder schon Rivalen: Weltmeister Max Verstappen vom Team Red Bull...
…und Lando Norris aus dem McLaren-Rennstall.
Vielmehr als die Frage, ob sich der Champion und sein
Team auch ohne den Zauber von Designer Adrian Newey wieder fangen
können, beschäftigt die Fans der Beziehungsstatus zwischen Verstappen
und Norris. Spontan wollten sie sich nicht versöhnen, was vielleicht
auch besser so war. Es ist eine Frage des Respekts. Norris lamentierte,
dass dieser ohne Entschuldigung verloren gehe. Verstappen analysierte,
dass die beiden noch nie vorher in so einer Situation gegeneinander
Rennen gefahren seien und dass sie Wege finden könnten, sich weiter mit
einem Mindestmass an Vertrauen in ihre Zweikämpfe zu stürzen.
Ein schmutziger Trick
Die Spur während des Bremens zu wechseln, ist in der
Formel 1 kein Kavaliersdelikt mehr. Es gilt als schmutziger, weil höchst
gefährlicher Trick. In seiner wilden Aufstiegsphase in der Königsklasse
versuchte sich der damalige Kronprinz Verstappen gern auf diese
unberechenbare Art Respekt zu verschaffen, ehe er lernen musste, dass
eine Grand-Prix-Piste keine Kartbahn ist. McLaren-Teamchef Andrea Stella
geisselt das Verhalten Verstappens als höchst unsportlich und sieht die
Störtaktik des Titelverteidigers in jenem Rennjahr 2021 begründet, als
er mehrfach mit Lewis Hamilton aneinandergeraten war: «Wenn solche
Probleme nicht geklärt werden, dann kommen sie irgendwann wieder
zurück.» Den Italiener störte am Wiederholungstäter am meisten, dass es
keine sofortige Entschuldigung vonseiten des Verursachers gab: «Alle
haben grossen Respekt vor den Leistungen von Max und Red Bull, aber so
etwas beschädigt die Reputation.» Man muss die Sache aber auch nicht
höher hängen als nötig. Denn solche Aktionen machen den Motorsport aus,
selbst wenn sie einmal schiefgehen.
Norris, der ohnehin weit zarter besaitet wirkt als sein
Kumpel Verstappen, war sichtlich zum Heulen zumute, sicher auch aus
Wut: «Wenn ich nicht mehr so angreifen kann, wie ich es getan habe, dann
wird es weiter Kollisionen geben. Es gibt Regeln, und Max hat Dinge
getan, die nicht erlaubt sind.» Die sportliche Auseinandersetzung ist
das eine, die menschliche Komponente das andere: «Ich bin enttäuscht.
Ich habe mehr von Max und seinem Verhalten erwartet. Am Ende war es
einfach nur ein bisschen dumm und leichtsinnig.» Die wahre Enttäuschung
ist noch einmal eine andere: «Nur wenn Max zugibt, dass er zu
rücksichtslos war, geht nicht viel von meinem Respekt für ihn verloren.»
Der Weltmeister, gestählt in vielen hitzigen Duellen, die meist auch
persönlich wurden, bleibt weit gelassener: «Es ist schade, dass es so
passiert ist. Nicht nur Lando ist sauer, ich bin es auch. Wir waren
immer am Limit und hatten es manchmal nicht mehr unter Kontrolle.»
Fortsetzung folgt.
Kritisiert Verstappens Verhalten: McLaren-Teamchef Andrea Stella.
Die Sauber-Statistik
Valtteri Bottas (Foto) GP: 16. Platz (saisonübergreifend 16. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 12. Platz (13.–18. und 40./41. Runde). – Sprint: 19. Platz. – Qualifikation: 18. Platz (schlechtestes Resultat der Saison).
Guanyu Zhou GP: 17. Platz (saisonübergreifend 16. GP ohne Punkte). – Beste Platzierung im GP: 13. Platz (13.–17. Runde). – Sprint: 20. Platz. – Qualifikation: 20. Platz (zum vierten Mal 2024 Letzter).
Resultate
Grand Prix von Österreich. 11. von 24 Läufen: 1. George Russell (GB), Mercedes, 71 Runden zu 4.318 km (=306.452 km), 1:24:22.798 Stunden (217.908 km/h). 2. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 1.906 Sekunden zurück. 3. Carlos Sainz (E), Ferrari, 4.533. 4. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 23.142. 5. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 37.253 (inkl. 10 Sekunden Strafe für Verursachung eines Unfalls). 6. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 54.088. 7. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 54.672. 8. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 1:00.355 Minuten zurück. 9. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 1:01:169. 10. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1:01:766. 11. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:07.056. 12. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1:08.325. 13. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Runde zurück. 14. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 15. Alexander Albon (T), Williams-Mercedes, 1 Rd. (inkl. 5 Sekunden Strafe wegen Vergehens bei Einfahrt zu Boxenstopp). 16. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 17. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 18. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 19. Logan Sargeant (USA), Williams-Mercedes, 2 Rdn. 20. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 7 Rdn. (inkl. 5 Sekunden Strafe wegen Übertretung der Streckenbegrenzung). – 20 Fahrer gestartet und klassiert. – Schnellste Runde: Alonso, 70. Runde, 1:07.694 Minuten (=229.633 km/h). – Poleposition: Verstappen, 1:04.314 Minuten (=241.701 km/h).