Formel 1 Erst gab es Stress wegen des überbordenden Glamours und des Strassenkurses. Am Ende aber war der Grand Prix eine grossartige Show. Las Vegas liess keinen kalt.
Der 18. Sieg in diesem Jahr: Max Verstappen vor dem Sphere-Dom in Las Vegas.
Ein Rennen, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte, sollte der erste Las-Vegas-Grand-Prix werden. Die typische Unbescheidenheit US-amerikanischer Veranstalter hatte im Vorfeld des vorletzten WM-Laufs dazu beigetragen, die Formel-1-Gemeinde zu spalten: Die einen sehnten die Zeit der beiden Parkplatzrennen rund um das Caesars Palace zurück (s. AR 46/2023), die anderen freuten sich auf die Neuinterpretation als Massstab für eine glorreiche – kommerzielle – Zukunft des Grand-Prix-Sports.
Sind wir nach dem 18. Grand-Prix-Sieg von Max Verstappen, der ihn mit Sebastian Vettel zur Nummer drei der ewigen Bestenliste der Formel 1 macht (beide je 53 Karriereerfolge), schlauer? Das ist Ansichtssache. Aber sicher ist, dass das Rennen über den legendären Strip mit grossartigen Fernsehbildern beide Fraktionen versöhnlicher stimmte. Die Traditionalisten konnten sich dank des minimalen Grips und des rasanten Tempos über eines der spannendsten Rennen der Saison freuen, der eher der Unterhaltung zugeneigte Teil des Publikums kam durch das Rahmenprogramm und die Streckenaction ebenfalls auf seine Kosten. Permanente Positionskämpfe und Verschiebungen quer durchs Feld – die allerbeste Show ist eben doch immer noch guter Motorsport.
Viel Show: Sieger Max Verstappen (Mitte) im Elvis-Overall mit Sergio Pérez (l.) und Charles Leclerc.
Monaco, lange die Glamour-Metropole der Formel 1, muss aufholen,
seit sich Miami und Las Vegas mit dem Drumherum, dem Staraufgebot und der
Qualität der Rennstrecke gegenseitig überbieten – und dafür maximale Preise
aufrufen. Das Safety-Car spielte eine Rolle, warum Charles Leclerc mit dem
erstaunlich starken Ferrari zum fünften Mal in dieser Saison eine Poleposition
verzockte, aber auch ein sichtlich motivierter Verstappen. Der Niederländer war
der grösste Kritiker des Auftriebs neben der Strecke. Er habe sich wie ein
Clown gefühlt, fand, das Schönste am Glitterrennen sei sein Hotelzimmer
gewesen, und konnte diese Abneigung, die ihn zum Feind Nummer eins vieler
Zuschauer machte, auch begründen: «Die Emotionen und die Leidenschaft, die ich
auf den klassischen Rennstrecken spüre, gibt es hier nicht. Das ist im
Vergleich nicht Champions League, sondern Nationalliga.»
Aber dann singt derselbe Verstappen nach der Zieldurchfahrt:
«Viva, Las Vegas!» Der Sinneswandel hatte damit zu tun, dass ihm das Racing und
die Rad-an-Rad-Duelle mit Leclerc ungeheuren Spass machten, obwohl zuvor fast
alle Piloten das Streckenlayout nicht richtig für voll genommen hatten. Doch
der mangelnde Grip und die erkaltenden Reifen sorgten für unfreiwillige Ausrutscher,
der schwere Crash von Lando Norris war nur ein Beispiel dafür. Eine echte
Herausforderung für die Fahrer nach einer chaotischen
Qualifikationsreihenfolge.
Ein Fehlstart
Der grosse Ärger, mit dem alles begann, war fast vergessen. Las
Vegas schrieb mit dem spätesten Training der Geschichte unfreiwillig
Rennhistorie. Start um 2.30 Uhr morgens! Dann löste sich eine Ventilabdeckung
im Asphalt und durchschlug drei Unterböden, worauf 30 Schächte auf der
zweitlängsten Piste der Saison kontrolliert und zugeteert werden mussten. Wie
peinlich angesichts des eigenen Anspruchs! Das Publikum, das ausharrte, wurde
zum Teil mit Polizeigewalt nach Hause geschickt. Was für ein Fehlstart, was für
eine Peinlichkeit. Schadensersatzklagen sind hängig.
Genervt: Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Grösster Leidtragender war Carlos Sainz, der die vom Gullydeckel
zerstörte Batterie am Ferrari wechseln musste und bei den Kommissaren keine
Gnade fand: Zehn Startplätze Rückversetzung, obwohl er ohnehin schon den
Schaden hatte. Nur wenn alle Teams einer Amnestie zugestimmt hätten, wäre die
Startreihenfolge fairer gewesen. Aber Mercedes und Ferrari kämpfen noch um
Platz zwei in der Konstrukteurs-WM und damit um viel Geld. Der Zwischenfall
sorgte für heftige Emotionen, Mercedes-Teamchef Toto Wolff wollte sich den
Spass nicht von kritischen Journalisten kaputtreden lassen.
Fortan war das Fahrerlager erst recht gespalten. Im Rückblick
hatte der Österreicher Recht mit seiner Relativierung. Aber es hätte auch
anders ausgehen können. Und die nach einem halben Jahr Bauarbeiten genervten
Anwohner hatten schon Stimmung genug gegen das Rennen gemacht, bei dem Liberty
Media selbst als Veranstalter auftrat. Für eine halbe Milliarde Dollar wurde
ein gigantischer Boxenpalast geschaffen, der künftig Hauptquartier der
Formel-1-Aktivitäten in den USA sein wird. Insgesamt rechnet die Veranstalterorganisation,
zu der auch alle grossen Casinos zählen, mit 1.3 Milliarden Umsatz über das
Wochenende. Ein gutes Geschäft, und deshalb war ein gutes Rennen auch so
wichtig. Denn jeder Hype braucht am Ende eine echte Grundlage. Sie müssen
weiter dran arbeiten in der Wüste von Nevada. Zum Wohl aller. Denn so leicht
sind die Hardcore-Fans nicht zu überzeugen. Vorfahrt für gute, sportliche
Unterhaltung!
Beim Poker leer ausgegangen: Alfa Romeo
mit spezieller Spielkarten-Lackierung.
Alfa Romeo F1-Team
Valtteri Bottas
17. Platz (vierter Nuller in Serie; schlechtestes Resultat seit Rang 19
beim Spanien-GP im Juni). – Beste Platzierung im GP: 12. Platz
(18. Runde). – Qualifikation: 8. Platz (von Position 7 gestartet nach
Strafrückversetzung von Sainz; bestes Resultat seit Rang 7 beim
Ungarn-GP im Juli). – Besonderes: Nach Auffahrunfall von Pérez nach dem
Start auf Platz 20 zurückgefallen; in den drei Trainings immer in den
Top Ten (zweites Training mit fünftbester Rundenzeit). – WM: 15. Platz,
10 Punkte.
Guanyu Zhou
15. Platz (vierter Nuller in Serie, schlechtestes Resultat seit Rang 16
beim Ungarn-GP im Juli). – Beste Platzierung im GP: 7. Platz
(17./18. Runde). – Qualifikation: 18. Platz (von Position 17 gestartet
nach Strafrückversetzung von Stroll). – WM: 18. Platz, 6 Punkte.
Resultate
Grand Prix von Las Vegas (USA).
21. von 22 Läufen: 1. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 50 Runden zu
6.201 km (=309.958 km), 1:29:08.289 Stunden (=208.636 km/h). 2. Charles
Leclerc (MC), Ferrari, 2.070 Sekunden zurück. 3. Sergio Pérez (MEX),
Red Bull-Honda, 2.241. 4. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 18.665. 5.
Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 20.067. 6. Carlos Sainz (E),
Ferrari, 20.834. 7. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 21.755. 8. George
Russell (GB), Mercedes, 23.091 (inkl. 5 Sekunden Strafe für Verursachung
einer Kollision). 9. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes,
25.964. 10. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 29.496. 11. Pierre
Gasly (F), Alpine-Renault, 34.270. 12. Alexander Albon (T),
Williams-Mercedes, 43.398. 13. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari,
44.825. 14. Daniel Ricciardo (AUS), Alpha Tauri-Honda, 48.525. 15.
Guanyu Zhou (CHN), Alfa Romeo-Ferrari, 50.162. 16. Logan Sargeant (USA),
Williams-Mercedes, 50.882. 17. Valtteri Bottas (FIN), Alfa
Romeo-Ferrari, 1:25.350 Minuten zurück. – Ausfälle: Yuki Tsunoda (J),
Alpha Tauri-Honda (46. Runde, Getriebe); Nico Hülkenberg (D),
Haas-Ferrari (45., Motor); Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes (2.,
Unfall). – Schnellste Runde (+1 Punkt): Piastri, 47. Runde, 1:35.490 Minuten (=233.779 km/h). – Poleposition: Leclerc, 1:32.726 Minuten (=240.748 km/h).