Jean-Claude Schertenleib | 15.02.2024
Langstreckenrennsport Die Freiburgerin Karen Gaillard ist neu
Pilotin der Iron Dames im Le-Mans-Cup. Gaillard
hat es in kurzer Zeit zu sehr viel gebracht.
Der Karriereweg von Karen Gaillard an die Spitze des Motorsports ist aussergewöhnlich. Anders als Mitkonkurrenten entdeckte sie den Kartsport nicht schon in Kinderjahren, bei ihrem Einstieg war sie bereits eine 15-jährige Teenagerin, und es dauerte zwei weitere Jahre, ehe sie eine Meisterschaft bestritt. Gaillard stieg später auch nicht vom Kart in den Formelrennsport um. Ihre ersten Meter in einem Auto fuhr sie in der Cupra-Young-Driver-Challenge, die sie schliesslich gewann und damit gleich über 1500 Bewerberinnen und Bewerber schlug. Da fiel wohl den ersten Beobachtern auf, dass diese Karen Gaillard Talent besitzt.
In der Rennfahrerschule
Die Freiburgerin nimmt auf der Karriereleiter Sprosse um Sprosse. Selbst während der Pandemiejahre, die für viele andere junge Pilotinnen und Piloten auf dem Weg nach oben zur Herausforderung wurden, schlug sie sich durch. 2021 lernte Karen Gaillard den Langstreckenrennsport kennen. Sie gehörte zur Rennfahrerschule La Filière Endurance in Le Mans (F) und bestritt in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) und Barcelona (E) ihre ersten 24-Stunden-Rennen. 2022 fuhr sie im GT-Sprintwettbewerb der französischen Meisterschaft Mitjet 2L mit, einem Wettbewerb, in welchem Nachwuchsfahrer zu günstigen Konditionen einheitliche Sportwagen lenken. Die Freiburgerin belegte im Gesamtklassement den 18. von 58 Plätzen – dabei verpasste sie wegen einer Handverletzung sogar ein paar Rennen. Doch sie fiel einem gewissen Olivier Panis auf. Der französische Rennstallbesitzer war einst Formel-1-Pilot, seinen einzigen Grand Prix gewann er 1996 in Monaco.
2023 meldete sich Karen Gaillard im
Langstreckenrennsport zurück – und machte neue Erfahrungen. In den
Ultimate Cup Series teilte sie sich mit dem Freiburger Grégory de
Sybourg, dem Enkel der Schweizer Motorsportlegende Jo Siffert, das
Cockpit eines Prototyps. In einem Nova NP02 fuhr sie schneller denn je,
und sie entdeckte die Geheimnisse der Aerodynamik. Sie machte ihre Sache
ausgezeichnet, am Ende der Saison belegte sie zusammen mit ihrem
Landsmann den zweiten Gesamtrang hinter dem Auto des Schweizer Teams
Racing Spirit of Léman, das unter anderem vom Genfer Nicolas Maulini
gefahren wurde.
Das Weihnachtsgeschenk Iron Dames
So kommt es, dass Karen Gaillard keine zehn Jahre nach
ihrem ersten Kontakt mit dem Motorsport ab dieser Saison in einem
Lamborghini Huracán GT3 des Teams Iron Dames rund um die Solothurnerin
und Teammanagerin Rahel Frey sitzt und damit im Le-Mans-Cup, der zweiten
Liga der European Le Mans Series, debütiert. Alle Achtung, Karen
Gaillard! Es war quasi ein Weihnachtsgeschenk, als sie im vergangenen
Dezember von den Iron Dames nach Spanien zu einer Testfahrt eingeladen
wurde. Eingefädelt wurde dieser Test, der sehr gut verlief, aber schon
im Juni bei den 24 Stunden von Le Mans. Gérard Vallat, ehemaliger
Mitarbeiter der AUTOMOBIL REVUE, und Jean-Denis Delétraz, der Vater von
Renn-Ass Louis Delétraz, hatten die Finger im Spiel. «Gérard kümmert
sich seit Jahren um mich. Bei den 24 Stunden von Le Mans hat Jean-Denis
mich Andrea Piccini, dem Chef von Iron Lynx, dem das
Frauenförderprogramm Iron Dames angehört, vorgestellt. Wir sind in
Kontakt geblieben. Im Motorsport muss man eben zur richtigen Zeit am
richtigen Ort sein», sagt Gaillard schmunzelnd.
Der Le-Mans-Cup startet
dieses Jahr am 13. April mit dem Lauf in Barcelona. Zuvor finden
gleichenorts die offiziellen Testfahrten statt. «Die Rennen dauern in
der Regel eine Stunde und 50 Minuten. Beim Lauf in Le Mans stehen zwei
Rennen zu je 55 Minuten an. Ich kann den Saisonstart kaum erwarten»,
sagt Gaillard. Abschrecken, wir wissen es nun, lässt sie sich nicht. Im
Gegenteil, sie wirkt entschlossener denn je. «Mein Ziel? Eines Tages
professionelle Rennfahrerin zu sein und 24-Stunden-Rennen zu fahren. Und
natürlich will ich gewinnen!»
Die richtigen Personen
Um so weit zu kommen, hat Karen Gaillard nicht allein
auf ihr Talent vertraut, sie hat sich auch mit den richtigen Personen
umgeben. So wird ihre Zusammenarbeit mit der Dimab-Gruppe, einer
Händlerkette in der französischen Schweiz, fortgesetzt: «Ein Team von
Enthusiasten, deren Ziel es ist, mich eines Tages bei den 24 Stunden von
Le Mans zu sehen. Mit den Leuten von Dimab habe ich letztes Jahr in den
Ultimate Cup Series viel gelernt. Ich ziehe Prototypen definitiv vor,
eine Karriere in einem Monoposto konnte ich mir nie wirklich vorstellen,
weil es finanziell schlicht nicht machbar gewesen wäre.» Karen Gaillard
geht ihren Weg zielstrebig weiter, nun als Iron Dame.
Fotos: Iron Dames, Imsa, Archiv Karen Gaillard