Christian Eichenberger | 02.05.2024
Kart-SM 2023 waren die Abstände in der Schweizer Kartmeisterschaft knapp. Nach dem Auftakt zur Saison 2024 im italienischen Lonato kommt man zum Schluss: In diesem Jahr ist die Luft an der Spitze noch dünner geworden.
Ganze 6.2 Sekunden betrug der Vorsprung von Alexis Genolet auf Chiara Bättig im ersten Vorlauf bei den Junioren. Zwei Sekunden waren es im zweiten Vorlauf. Alle anderen Zieleinläufe bei der Schweizer Kartmeisterschaft Lonato (I) waren sehr viel knapper. Was von blossem Auge sichtbar war, bestätigen die Zeiten: Die Spitze der nationalen Elite rückt noch näher zusammen, als sie es 2023 schon war. Für den knappsten Zieleinlauf bei der SM-Premiere in Lonato sorgten die Superminis. Bei den Jüngsten, den Acht- bis Zwölfjährigen, lagen im ersten von drei Rennen zwischen Sieger Albert Tamm und dem Zweitplatzierten Aurelio Longhitano nur 66 Tausendstelsekunden.
Der elfjährige Tamm, Titelverteidiger bei den Superminis, war von den 95 eingeschriebenen Piloten der einzige, der sich in allen drei Rennen durchzusetzen vermochte. Dank der zwei Zusatzpunkte für die Poleposition und der drei Extrazähler für die schnellste Rennrunde sicherte sich das Nachwuchstalent am ersten Rennwochenende das Punktemaximum – und als einziger Fahrer einen sogenannten Grand Slam. Doch dem international erfahrenen Tamm fielen die Siege in Lonato alles andere als in den Schoss: «Ich musste hart kämpfen. Aurelio und die anderen haben mir das Leben nicht leicht gemacht.» Auf die Frage, ob er sich mehr unter Druck gefühlt habe als noch 2023, setzt Tamm sein Pokerface auf und antwortet wie ein Profi: «Wenn du an der Spitze fährst, ist es nie einfach.»
Hinter Tamm fiel aber nicht nur Spirit-Fahrer
Longhitano positiv auf. SM-Neuling Nicola Mateo Frigg, der in den beiden
Vorläufen aufs Podest fuhr, gab in Lonato eine durch und durch starke
Figur ab. Obs für Tamm erneut zum Titel reicht, wird sich zeigen. Nach
heutigem Stand wird der Blondschopf beim dritten Lauf in 7-Laghi (I)
fehlen. Das führt beim gewieften Tessiner aber nicht zu schlaflosen
Nächten. Schon im Vorjahr absolvierte Tamm nur vier von fünf Läufen. Am
Ende reichte es dennoch zum Titel.
Sorgen bei der Vorjahresmeisterin
Mehr Abwechslung als im Vorjahr gab es auch bei den
OK-Junioren. Titelverteidigerin Chiara Bättig musste beim ersten SM-Lauf
des Jahres alle Register ziehen, um im Finale als Siegerin vom Platz zu
gehen. Im Qualifying kam die Wettswilerin nur auf Platz vier. Der
Rückstand von fast einer halben Sekunde machte sogar ihrem Teamchef Kurt
Wenger Sorgen. Auf Startplatz eins stand Genolet. Der Genfer zeigte der
Konkurrenz in den beiden Vorläufen, wo der Hammer hängt, und fuhr allen
davon. Im Finale hatte Genolet aber Pech und musste mit einem
technischen Defekt aufgeben. Wer glaubte, dass Bättig dadurch leichtes
Spiel hatte, sah sich getäuscht. Der neu bei den Junioren startende Dan
Allemann setzte Bättig bis zum Schluss unter Druck. «Wir hatten im
Qualifying und im ersten Vorlauf ein Problem mit dem Chassis», sagt der
Sohn von Spirit-Teamchef Ken Allemann. «Das Team ist deshalb beim Set-up
viel Risiko eingegangen. Aber so konnte ich eine erfolgreiche
Aufholjagd starten.»
In der X30-Challenge Switzerland, der Kategorie mit
Iame-Einheitsmotoren, waren die Abstände in der Regel schon immer sehr
knapp. Lonato 2024 war deshalb keine Ausnahme. Im teilnehmerstärksten
Feld lieferten sich SM-Rückkehrer Tiziano Kuznini und der
Vorjahreszweite Samuel Ifrid ein verbissenes Duell. Kuznini verpasste im
Finale den Hattrick, hatte aber schon vor dem entscheidenden Lauf eine
Vorahnung: «Unser Speed gefällt mir noch nicht ganz.» Nach dem ersten
Rennwochenende liegt Kuznini gegenüber Ifrid mit 65:64 Punkten vorne.
Zurücklehnen können sich aber weder er noch der Basler mit Wohnsitz im
Elsass. Gabriel Volpe und Marlon Bayer, der in seinem ersten X30-Finale
als Dritter aufs Podest fuhr, sitzen den beiden Schnellsten der
Kategorie im Nacken.
Bei den OK-Senioren räumten beim Saisonauftakt die
üblichen Verdächtigen ab, wobei Jérôme Huber die Nase nach dem Triumph
im zweiten Vorlauf auch im Finale vorne hatte. Der erste Vorlauf ging
noch an Lyon Mathur, den Teamkollegen bei Innovate, der im Finale lange
führte, dann aber nach eigenen Aussagen «einen Anfängerfehler» beim
Verstellen des Benzingemisches machte. Dass das Team Innovate alle drei
Rennen gewinnen würde, war so nicht geplant. Samuel Schär von Ubiq sah
im zweiten Vorlauf wie der sichere Sieger aus, als in der letzten Runde
seine Membran kaputt ging und er saftlos ausrollte. Vorjahresmeister
Pascal von Allmen kämpfte wie Schär gesundheitlich angeschlagen. «Mit
den Rängen fünf, drei und sechs betrieben wir Schadensbegrenzung», sagt
von Allmen. «Beim nächsten Rennen in Franciacorta sind wir hoffentlich
wieder ganz vorne dabei.»
Dreikampf in der Königsdisziplin
Ein besonderer Genuss waren die drei Rennen der
Kategorie KZ2. Bei den Schaltkarts ist mit den beiden Luyet-Brüder und
Vorjahresmeister Ethan Frigomosca aus Locarno TI ein Dreikampf
entbrannt. «Diese drei fahren in einer eigenen Liga und müssen sich auch
international nicht verstecken», urteilt Nicolas Rohrbasser,
Ex-Schweizer-Meister bei den Schaltkarts und in Lonato Zaungast und
Coach beim Team Spirit Racing. Für das Walliser Brüderpaar war Lonato
ein erster Prüfstand für den eigens entwickelten Motor. «Wir sind noch
ganz am Anfang, aber mit dem bisher Erreichten ganz zufrieden», meint
Jean Luyet, der jüngere der beiden Brüder. An Hochspannung fehlt es also
auch in der Königsdisziplin nicht. Frigomosca führt nach dem ersten
Rennwochenende mit 67:65 Punkten – im Wissen, dass die Meisterschaft
2024 eine enge Kiste werden wird!
Fotos: Christian Eichenberger