«Lernen kannst du immer»

Werner J. Haller | 19.10.2023

Léna Bühler Kann die Waadtländerin in den USA den ersten Titel in der Geschichte der F1-Academy holen? Und die andere Frage ist: Was ist diese neue Rennserie für Frauen wert?

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Es werde schwierig werden, den Titel noch zu holen, sagt Léna Bühler. Vor dem siebten und letzten Lauf der F1-Academy-Meisterschaft trennen sie als Gesamtzweite 48 Punkte von der Leaderin Marta García. Aber bei einem Lauf dieser neuen Rennserie für Frauen kann die Ausbeute mit zwei Rennen (je 25 Punkte) und einem Sprint (10) maximal 60 Zähler betragen. Dennoch, García ist die Favoritin, die Spanierin hat von bisher 18 Rennen sechs gewonnen, Bühler siegte je einmal in Barcelona (E) und Monza (I). «Die Chance ist klein, aber sie existiert», gibt sich die 26-jährige Schweizerin kämpferisch.

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In der Rennfahrerschule: Léna Bühler fährt in der F1-Academy, trainiert bei Sauber, triftt aber auch Formel-1-Pilot Valtteri Bottas.

Beweisen muss sich in ihrer Premierensaison auch die Rennserie, in der Frauen Formel-4-Rennwagen pilotieren. Die F1-Academy ist Nachfolgerin der W-Series. Diese wurde 2019 vom British Racing and Sports Car Club lanciert, aber schon 2022 musste die Serie für Formel-3-Autos aus finanziellen Gründen frühzeitig beendet werden. Es sei ein Schock gewesen, meinte die Liechtensteinerin und W-Series-Pilotin Fabienne Wohlwend damals zur AUTOMOBIL REVUE (AR 47/2022). Der Autoweltverband FIA wollte am Konzept ­einer Rennserie für Frauen im Rahmenprogramm eines Formel-1-Rennens festhalten und präsentierte keinen Monat später die F1-Academy.

Mit professionellsten Ressourcen

Die Möglichkeiten, die sich aus der F1-Academy ergeben, schätzt Léna Bühler sehr. Einerseits ist da die grosse Bühne der Formel 1. Im GP-Zirkus sind alle wichtigen Leute vor Ort. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Person zu treffen, hat schon viele Karrieren in die Gänge gebracht. «Marketing ist wichtig, aber letztlich drehe ich an einem Rennwochenende Runden auf der Strecke oder stecke in der Box mit meinen Technikern die Köpfe zusammen», sagt Bühler. Sie gehört auch zur Sauber-Academy. Beim Rennstall aus Hinwil ZH hält sie zum Beispiel Kontakt mit Formel-1- Teammanager Beat Zehnder oder trifft sich mit den anderen Rennfahrerschülern zweimal im Jahr während vier- bis fünf Tagen im Trainingslager. Kurz, im Motorsportteam mit über 30 Jahren Formel-1-Erfahrung hat sie Zugang zu den professionellsten Ressourcen. Bühlers Leben ist auf das Rennfahren ausgerichtet, obwohl sie nebenbei auch einer herkömmlichen Arbeit nachgeht.

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Es wird mit einheitlichen Formel-4-Fahrzeugen gefahren.

Weil die F1-Academy mit einheitlichen Formel-4-Auto gefahren wird, ist sie in der Karriere für Bühler auch ein Rückschritt. Nachdem die Waadtländerin und Motorsport-Spätstarterin in der Schweizer Kartmeisterschaft 2018 Gesamtvierte und 2019 Gesamtdritte in der Kategorie X30-Challenge war, stieg sie 2020 in Spanien in die Formel 4 ein und war im Jahr darauf die erste Frau in der Formel 3 Regional und fuhr auch in der asiatischen Meisterschaft. Insofern fahre sie in Bezug auf das Auto in der F1-Academy zwar eine Stufe tiefer einen Formel-4-Boliden, «aber lernen kannst du in einer neuen Rennserie immer, zum Beispiel, wenn du erstmals auf einer Rennstrecke fährst».

Von Lombardi bis Amati

Schon Wohlwend war von den W-Series begeistert: «Natürlich wollen wir uns auch mit Männern messen. Aber: In einer solchen Serie geht es darum, dass wir als Rennfahrerinnen dazulernen können. Und es geht auch darum, dass wir uns zeigen können. Und das funktioniert! Viele Frauen, die in den W-Series waren, kamen auch in anderen Rennserien unter.» Aber nicht in der Königsklasse des Automobilrennsports. Fünf Frauen sind bisher einen Grand Prix gefahren, Lella Lombardi war 1975 die bisher einzige, die in die Punketränge fuhr, und Giovanna Amati war 1992 die bisher letzte, die an einer Qualifikation zu einem GP teilnahm.

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Das Training ist hart.

2024 wird jedes Formel-1-Team eine Fahrerin für die F1-Academy nominieren, und die Autos erhalten die Lackierungen der Boliden von Max Verstappen und Konsorten. Die Begründung von Formel-1-Chef Stefano Domenicali für diesen nächsten Schritt: «Wir haben die F1-Academy ins Leben gerufen, um einen echten und dauerhaften Wandel herbeizuführen und sicherzustellen, dass junge weibliche Talente über das richtige System verfügen, um ihre Träume zu verfolgen und zu verwirklichen.» Ob Titelaspirantin Léna Bühler 2024 noch zur F1-Academy gehört, ist derzeit noch offen. 

Fotos: Sauber Academy, Archiv Léna Bühler

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