Jean-Claude Schertenleib | 21.03.2024 
                   
        
          12 Stunden von Sebring Louis Delétraz’ Finish beim US-Klassiker war atemberaubend. Das Duell mit Sébastien Bourdais ist bereits historisch.
         
        
                    
                                                                
              Die 12 Stunden von Sebring in Florida (USA) wurden 1952 zum ersten Mal ausgetragen. Die Siegerliste des Klassikers führt klangvolle Namen wie Stirling Moss und Juan Manuel Fangio. 1968 gewann Jo Siffert in einem Porsche 907 und an der Seite des Deutschen Hans Hermann als erster Schweizer das Rennen auf der damals schon sehr holprigen Piste des Luftwaffenstützpunkts. Marcel Fässler (Audi, 2013) und Neel Jani (Cadillac, 2022) sind ebenfalls Sebring-Sieger. Am Sonntag trug sich nun auch Louis Delétraz in die Siegerliste dieses prestigeträchtigen Rennens ein. Der Genfer war mit seinem Acura ARX-06 nur 891 Tausendstelsekunden früher im Ziel als der Cadillac V-Series R, der vom Franzosen Sébastien Bourdais gelenkt wurde – nach zwölf Stunden oder 333 Runden. Delétraz hatte eine Woche zuvor im Interview mit der AUTOMOBIL REVUE noch gesagt: «Rennen in Amerika ist etwas ganz Besonderes.» Wie recht er doch haben sollte.
Immer auf dem Laufenden
Im Unterschied zum ersten Lauf der US-amerikanischen Sportwagenmeisterschaft in Daytona, wo Delétraz und seine Teamkollegen bei Acura als Dritte nie um den Sieg mitfahren konnten, war der ARX-06 in Sebring vom ersten Trainingstag an Spitze. «Wir waren immer in einer guten Position», erklärte Delétraz wenige Minuten nach der Landung zurück in der Schweiz. «Trotzdem kam es am Ende des Rennens zu diesem Duell.» Es war ein atemberaubendes Spektakel für die Zuschauer vor Ort und am TV. «Ich habe unheimlich viele Nachrichten erhalten. Es gab viele Glückwünsche, aber auch Fragen zu den vielen Berührungen, die unsere Autos hatten. Man muss dazu sagen, dass die Rennkommissare in den USA den Fahrern mehr Freiheiten lassen als in Europa, was nicht heisst, dass sie grobe Vergehen nicht sanktionieren. Bei solchen Kämpfen muss ich als Fahrer erst einmal wissen, mit wem ich es zu tun habe. Bin ich erfahren genug, weiss ich auch, wie weit ich bei diesem oder jenem Gegner gehen darf. Ich habe mich nach dem Rennen bei Bourdais bedankt und ihm gratuliert, denn für ein solches Finale braucht es zwei Kontrahenten.»
             
                                                                                                              
                                      
                    
                                                                                                                                                    
                                  
              Während Delétraz im US-amerikanischen Rennsport immer 
häufiger genannt wird, ist Sébastien Bourdais dort längst eine Legende. 
Unter anderem war er zwischen 2004 und 2007 vier Mal in Serie Meister 
der Champcar-Serie, dem Vorläufer der heutigen Indycar-Meisterschaft. 
Bourdais meinte zum Duell mit Delétraz: «Die beiden Seiten des 
Unterbodens meines Cadillacs sind hinten stark beschädigt. Wir können 
beide froh sein, dass wir keine Felge zerstört haben, denn in den 
letzten Runden hätten wir wahrscheinlich vier oder fünf Reifenschäden 
haben können. Ich bin ein bisschen enttäuscht, weil der Endspurt des 
Rennens zum Autoscooter-Wettbewerb verkommen ist.»
«Das Duell blieb fair»
Wer hat denn angefangen? Louis Delétraz sieht es so: 
«Ich verstehe Sebastians Enttäuschung, aber das Duell blieb fair. Wenn 
man sich die TV-Bilder genau ansieht, gibt es wirklich keinen Grund, den
 einen mehr zur Verantwortung zu ziehen als den anderen.» Der Genfer 
bescherte Acura mit seiner beherzten Fahrweise letztlich den ersten Sieg
 bei den 12 Stunden von Sebring, das nach Meinung der Fans das 
schwierigste Rennen der Saison ist.
Louis Delétraz und seine Teamkollegen Jordan Taylor und
 Colton Herta führen nun in der Meisterschaft gemeinsam mit dem 
Porsche-Team um das Fahrertrio Cameron/Nasr/Campbell, das in Daytona 
gewann und in Sebring den dritten Platz belegte. Nach dem nächsten Lauf 
zur Imsa-Meisterschaft am 20. April könnten Delétraz und die Acura-Crew 
alleine in Führung liegen. «Beim Rennen auf den Strassen von Long Beach 
war der Acura letztes Jahr schnell», erinnert sich Delétraz. 
             
                                                                                                              
                                      
                    
                                                                                                                                                    
                                  
              Am 
Wochenende vor Long Beach steht aber in Barcelona (E) noch der Auftakt 
zu den European Le Man Series an. «Ich werde Barcelona sofort nach dem 
Zieleinlauf verlassen, weil ich noch am selben Abend nach Indianapolis 
fliege, wo sich die Basis unseres Teams befindet. Ich werde viel im 
Simulator arbeiten und die Strecke von Long Beach lernen. Mitte der 
Woche geht es dann nach Kalifornien, wo wir nicht nur wegen der 
Meisterschaft ein wichtiges Rennen bestreiten. Der Lauf in Long Beach 
ist wichtig, weil Acura und Honda in Los Angeles ansässig sind.»
Ellis gewinnt erneut
Neben Delétraz sass in Sebring ein weiterer Schweizer 
in einem Siegerauto. Der Zuger Philip Ellis holte sich in der Klasse GTD
 nach dem Auftaktsieg in Daytona auch beim zweiten Meisterschaftslauf 
den ersten Platz, obwohl er und seine Teamkollegen den Mercedes-AMG GT3 
wegen einer Strafe nach dem Qualifikationssieg auf die hinterste 
Startposition stellen mussten. Romain Grosjeans wurde bei seinem Debüt 
im Lamborghini SC63 Siebter. Der Lamborghini Huracán GT3 Evo 2 der Iron 
Ladies mit Rahel Frey musste in Sebring wegen technischer Probleme 
aufgeben.