Werner J. Haller | 08.02.2024
Der Zuger Philip Ellis gewann in Daytona die Klasse GTD – wie schon drei Jahre zuvor. 2021 und 2024 lassen sich trotzdem nicht vergleichen. Nun seien er und das Team bereit für den Titel in der US-amerikanischen Imsa-Meisterschaft.
Natürlich sei auch ein zweiter Sieg bei den 24 Stunden von Daytona ein herausragendes Erlebnis, sagt Philip Ellis. Aber der jüngste Erfolg beim Saisonauftakt zur US-amerikanischen Imsa-Meisterschaft habe auch gezeigt, dass das Winward-Team nun bereit sei für den Titelkampf, betont der 31-jährige Zuger. Er debütierte 2021 in der US-Meisterschaft – und siegte auf Anhieb in Daytona. «Natürlich träumten wir von einem Podestplatz, aber erwartet hatten wir das als Neulinge nicht, schon gar nicht den Sieg.» 2021 startete Winward nur noch zu Saisonende beim Petit Le Mans in Braselton.
Beim zweiten Daytona-Start 2022 sei man als Sieger natürlich euphorischer angetreten. «Wir siegten nicht, sondern verrannten uns stattdessen», erinnert sich Ellis. Bei den nachfolgenden Rennen seien sie beispielsweise auf der Strecke zu viele Risiken eingegangen, aber auch bei Boxenstopps hätten Details nicht gepasst. «Es passierten Fehler, an denen wir alle Schuld hatten. Es waren unnötige Fehler.»
Zu viel auf einmal
Erst zum Saisonende 2022 hin fing sich das Team und gewann prompt zwei der drei letzten Rennen in Elkhart Lake und Alton. «Zu euphorisch gingen wir deshalb die Saison 2023 an. Wir setzten uns nun, scheinbar routinierter und gereifter, nicht nur Rennsiege, sondern den Titel zum Ziel. Wir lieferten ab, die Performance stimmte, aber wir wollten wieder zu viel auf einmal. Und weil es nicht funktionierte, wie wir uns das gedacht hatten, setzten wir uns immer mehr unter Druck.» Ellis nennt ein Beispiel: «In einem Rennen sollte ich ein überrundetes Auto überholen. Uns war ein gutes Resultat sicher, bis ich zu hektisch wurde, das Auto vor mir einen Motorschaden erlitt und ich deshalb hinten hineinknallte.»
Dies sei sein Fehler gewesen. Letztlich hätten aber
alle im Team sich wieder verzettelt, «wir machten Fehler, die wir unter
normalen Umständen nie gemacht hätten». In der Summe waren es zu viele,
Ellis gewann mit seinem langjährigen US-Teamkollegen Russell Ward spät
in der Saison nur den Imsa-Lauf in Indianapolis, was für das Ziel, den
Titelgewinn, eindeutig zu wenig war. In der Fahrerwertung der GTD-Klasse
rangierte Ellis nur auf Rang zwölf, nachdem er im Jahr zuvor noch
Fünfter geworden war, sein bisher bestes Saisonresultat.
Das Positive an der ganzen Misere: Winward hielt am
Team fest. «Mit Russell fahre ich seit 2021, Indy Donjte habe ich auch
schon das dritte Jahr an meiner Seite», sagt Ellis. Aber auch bei den
Mechanikern und den Ingenieuren sei vieles beim Alten geblieben. «Wir
sind nicht in Panik ausgebrochen und haben nicht wie wild umgestellt.
Das zahlt sich heute aus!» Mit Ward, Dontje und Daniel Morad gewann
Philip Ellis am vorletzten Wochenende zum zweiten Mal die 24 Stunden von
Daytona. «Die Truppe ist mit den Jahren zusammengewachsen. So schnell
lassen wir uns nicht mehr blenden, dass wir vom Weg abkommen. Driftet
einer von uns in Gedanken ab, hat es genug Leute, die den Mahnfinger
erheben», sagt Ellis und lächelt. «Letztlich ist es ja nur gut, wenn du
euphorisch bei der Sache bist, wenn du Leidenschaft zeigst. Aber etwas
zu überstürzen, bringt wenig, erst muss man geduldig sein und ganz
einfach lernen, lernen, lernen.»
Nicht mehr auf Biegen oder Brechen
Die Titeljagd in der Imsa-Meisterschaft ist für Ellis
und das Winward-Team eröffnet. «Der Sieg in Daytona ist schon einmal
eine steile Vorlage. Weil das Punktesystem in der Meisterschaft
eigentümlich ist, ist Konstanz sehr wichtig. Und wir können uns in einem
Rennen auch einmal einen fünften Platz leisten und müssen nicht auf
Biegen oder Brechen noch zwei, drei Positionen gutmachen.»
Amerika war für Philip Ellis 2021 noch ein Abstecher,
schliesslich gewann er im selben Jahr als DTM-Neuling das dritte Rennen
auf dem Lausitzring. Längst hat der Zuger aber in den USA Fuss gefasst,
obwohl er noch immer zwischen den Rennen in die Schweiz zurückreist und
auch in Europa Rennen fährt. Er hat es weit gebracht, er, der sich als
fünfjähriger Knirps mit dem Rennsport-Bazillus ansteckte und erst 2016
durchstartete, nachdem er sich das Geld zusammengespart hatte für eine
Saison im deutschen Audi-TT-Cup, den er schliesslich auch gewann. «Der
Imsa-Meisterschaft gilt mein Interesse.»
Er
mache auch keine überhasteten Karrierepläne. «Ich bin Werksfahrer von
Mercedes-AMG. Weshalb sollte ich also träumen und den Fokus verlieren?»
Der Mercedes-AMG GT3 debütierte 2015 im Rennsport. Er ist
vergleichsweise alt, erst recht seit diesem Jahr, in welchem der
GT3-Rennsport mit der Einführung in der Langstrecken-WM an Bedeutung
gewinnt und Hersteller entsprechend mitziehen. «Unser GT3 läuft, und er
ist noch siegfähig», sagt Ellis schulterzuckend. Im Sportprogramm von
Mercedes-AMG dominiert die Formel 1, aber danach kommt gleich der
Kundensport. Ein nigelnagelneues GT3-Auto komme, versicherte letztes
Jahr AMG-CEO Michael Schiebe. Gut Ding will Weile haben. Ellis weiss
das.