Piloten wollen keine Synfuels

Werner J. Haller | 01.02.2024

Heisse Diskussion Warum verzichten viele Schweizer Piloten auf ­synthetischen Treibstoff? Die AUTOMOBIL REVUE hörte sich im ­Fahrerlager um.

93978

Abwarten: Viele Piloten wollen noch keine grüne Startnummer an ihrem Rennwagen.

Schon in der vergangenen Saison starteten erste Piloten bei Schweizer Meisterschaftsrennen mit synthetischem Treibstoff im Tank. Marcel Steiner gewann so Bergrennen und schliesslich auch den Titel. Trotz bester Werbung tut sich aber in Sachen Synfuels auf die kommende Saison hin kaum etwas in der nationalen Rennszene. Viele Fahrer haben viele Gründe, weshalb sie auf synthetischen Treibstoff verzichten – auch wenn sie mehr oder weniger geschlossen der Meinung sind, dass die Zukunft der Mobilität auch am Rennsport nicht vorbeigehen werde.

Die Ambitionen und Ziele in einer Schweizer Meisterschaft können ein Grund sein, weshalb sich Fahrer zurückhalten. Roger Schnellmann, 2023 Gesamtzweiter der Tourenwagenwertung der Schweizer Bergmeisterschaft, gehört mit seinem Mitsubishi Lancer Evo 8 stets zu den Titelanwärtern: «Die PS-Einbusse wäre in meinem Fall schlicht zu gross. Ein Motorenexperte riet mir vom Gebrauch von synthetischem Treibstoff ab. Einen Leistungsverlust kann man sich nicht leisten, wenn man wie ich Rekorde brechen will.» Ambitionen auf den Titel hat auch Robin Faustini, 2023 Dritter der Gesamtwertung Rennsportwagen: «Ich habe mich unter anderem mit meinem Tuner unterhalten. Er stellte fest, dass mein Auto mit synthetischem Treibstoff zu viel Leistung verlöre.»

94271

Roger Schnellmann im Mitsubishi Lancer Evo 8.

94280

Robin Faustini im Osella FA30.

Ähnlich äussert sich Joel Bur­germeister, der zuletzt am Berg die Formelklassen bis zwei Liter Hubraum dominierte: «Ich habe mich mit dem Thema noch nicht umfassend auseinandergesetzt. Ich weiss aber, dass der Leistungsverlust mit meinem Auto zu gross wäre.»

Fehlender Wettbewerb

Lukas Eugster, in den vergangenen Jahren stets erster Herausforderer von Philip Egli im Kampf um Slalom-Tagessiege, nennt die fehlende sportliche Motivation als Grund: «In der Meisterschaft gibt es noch keinen sportlichen Anreiz. Es gibt keine Wertung für Synfuel-Fahrzeuge.» Patrick Falk, Direktor des Verbandes Auto Sport Schweiz (ASS), gibt sich zurückhaltend: «Wir haben uns in der Geschäftsführung intensiv über einen Cup unterhalten, um die Piloten zur Nutzung von synthetischem Treibstoff zu animieren, haben bis jetzt aber noch kein entsprechendes disziplinenübergreifendes Reglement zur Hand.»

94278

Joel Burgermeister im Tatuus-Formel 4.

94279

Lukas Eugster im Ligier JS53.

Der Preis des synthetischen Treibstoffs ist ein weiteres Argument. Natürlich könnte man anführen, dass rund 1000 Franken mehr pro Saison wie im Fall von Synfuel-Pionier Simon Wüthrich (s. AR 4/2023) im teuren Motorsport ein Tropfen auf den heissen Stein seien. «Wir haben ein Limit erreicht. Alles wird immer nur teurer, auch die Fahrerlizenz dieses Jahr. Synthetischer Treibstoff ist mir in diesem Fall zu teuer», begründet Bruno Ianniello seine Ablehnung. Auch Eugster erklärt: «Für mich ist es eine Kostenfrage. Zudem habe ich noch rund 60 Liter Rennbenzin an Lager.»

«Ist das nachhaltig?»

Viele Piloten sehen ein, dass auch sie für die Umwelt einen Beitrag leisten müssen. Synfuels allein seien aber noch nicht nachhaltig, meint Philipp Krebs, Meister des Renault-Clio-Cups 2019: «Sie werden mir noch als zu grün verkauft. Ich weiss, dass Rallyefahrer in der Weltmeisterschaft öfter als üblich Öl wechseln müssen, weil das Öl sich beim Einsatz von Synfuels verdünnt. Synfuels funktionieren, aber es gibt noch Luft nach oben.» Bergmeister Marcel Steiner pflichtet ihm bei: «Unter dem Strich mussten wir das Öl öfter wechseln.» Und für Roger Schnellmann ist klar: «Führe ich mit synthetischem Treibstoff, verbrauchte ich pro Rennwochenende rund 30 Liter Öl. Ist das nachhaltig? Und überhaupt: Wenn ich zu einem Rennen fahre, verbrauche ich beim Transport mehr Treibstoff als am Rennen selbst.» Bruno Sawatzki, Schweizer Bergmeister bei den Tourenwagen, setzt noch tiefer an: «Weshalb müssen wir von Rennen zu Rennen stets die Startnummern wechseln? Warum haben wir keine Einheitsnummern wie beispielsweise der Clio-Cup? Auch das wäre Nachhaltigkeit.» Das weiss auch ASS-Direktor Falk: «Wir sind in Diskussion zur Erstellung eines Umweltleitfadens für Veranstalter sowie zur Schaffung 
einer Gruppe für Umwelt, Nachhaltigkeit und 
Inklusion.»

94287

Bruno Sawatzki im Porsche 911 Cup.

94290

Philipp Krebs im Renault Clio 3.

94277

Bruno Ianniello im Lancia Delta S4.

Welche Meinung vertritt Avenergy, der Verband der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe in der Schweiz, zum Thema Synfuels im Autorennsport? Auf Anfrage der AUTOMOBIL REVUE schrieb Geschäftsführer Roland Bilang: «Für den Transport schwerer Lasten und für lange Betriebszeiten sind flüssige Treibstoffe unersetzlich. Auch zum Rennsport gehört Sprit einfach dazu. Um dem Klimaschutz gerecht zu werden, vertrauen viele auf klimafreundliche Synfuels oder E-­Fuels. Diese haben klare Vorteile: Sie sind vergleichbar mit fossilen Treibstoffen hinsichtlich der Qualität und des Anwendungsbereichs, sie können mit diesen problemlos gemischt werden, und sie schützen das Klima. Der Nachteil ist ihr Preis, der bis zu fünfmal höher sein kann als für fossile Treibstoffe. Denn die Produktion von Synfuels erfordert einen komplizierten und energieintensiven Indus­trieprozess. Grosse Produktionsanlagen brauchen Zeit, um gebaut zu werden. Auch die Beschaffung der Ausgangsstoffe – CO2, Wasserstoff, Prozessenergie aus erneuerbaren Quellen – stellt ­eine technische und logistische Herausforderung dar. Aber Synfuels sind alternativlos, sie werden sich durchsetzen, etwas Geduld lohnt sich.»

Fotos: Werner J. Haller, Christian Eichenberger

Kommentare

Keine Kommentare