Raffaele Marciello – Der entscheidende Faktor

Werner J. Haller | 14.12.2023

Raffaele Marciello Mit Mercedes-AMG hat er in ­sieben Jahren viele Rennen und Titel gewonnen. Weshalb
also setzt der Schweizer ab kommendem Jahr auf BMW?

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Das wars: Raffaele Marciello verlässt Mercedes-AMG mit der letzten grossen Trophäe für den GT-Sieg beim Grand Prix von Macau 2023.

Wie soll man diese Erfolgsstory von Raffaele Marciello und Mercedes-AMG erzählen? Zahlen sprechen Bände. Der gebürtige Zürcher, der am 17. Dezember 29 Jahre alt wird, bestritt seit 2017 232 Rennen auf fünf Kontinenten mit dem Mercedes-AMG GT3. Davon gewann er 35, 21-mal von der Poleposition aus. Er stand 102-mal auf dem Podium. Das ergibt eine beeindruckende Podestquote von 44 Prozent. Dazu kommen viele Titel: 2018 Meister der Blancpain-GT-Serie und Gewinner des Sprintcups, 2022 Meister im ADAC-GT-Masters, 2022 und 2023 jeweils Meister der GT-Challenge und der Endurance-Wertung.

Es geht weiter mit Rennsiegen: 2018 Sieger bei den 10 Stunden von Suzuka (Japan), 2022 Gewinner bei den 9 Stunden von Kyalami (Südafrika), den 8 Stunden von Indianapolis (USA) und natürlich den 24 Stunden von Spa-Francorchamps (B) sowie 2019 und 2023 Sieger des GT-Cups beim Grand Prix in den Strassenschluchten von Macau (China). Mit dieser Bilanz endet nach sieben Jahren die einzigartige Erfolgsgeschichte von Raffaele Marciello bei Mercedes-AMG.

Die Aussichten mit BMW

«Es ist schwierig, den grössten Erfolg zu nennen, es gab schlicht zu viele davon. Vielleicht beginne ich beim letzten Sieg in Macau, aber auch der Triumph in Spa im letzten Jahr war grandios», sagt Raffaele Marciello im Gespräch mit der AUTOMOBIL REVUE. «Mit Mercedes-AMG verbinden mich sehr viele schöne Erinnerungen – aber nur sehr wenige, die schlecht sind. Ich werde diese sieben Jahre nie vergessen.» Die Erfolge sind es letztlich, die Marciello nun zu BMW getrieben haben. Genug hat er nämlich noch lange nicht.

Da ist zum Beispiel die Langstrecken-WM, in welcher ab kommendem Jahr GT3-Autos anstelle der bisherigen LMGTE-Klasse fahren werden. «Dass ich Mercedes-AMG verlasse, hat vor allem damit zu tun, dass die Marke nicht in der Langstrecken-WM antritt. BMW hingegen schon – und ich hoffe, dass mir BMW diese Gelegenheit gibt», sagt Marciello. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass die Bayern auf Mister GT aus der Schweiz setzen. Es sei an der Zeit, neue Ziele ins Auge zu fassen: «BMW fährt in vielen tollen Rennserien wie beispielsweise der DTM. Die Langstrecken-WM hat dabei aber in Bezug auf die Fahrer und Marken die besten und härtesten Gegner. Deshalb hat die WM Priorität für mich.»

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Auf Titeljagd: 2019 sicherte sich Raffaele Marciello mit Mercedes-AMG beispielsweise den Titel in der Meisterschaft Blancpain.

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2022 gewann das Erfolgsduo die Titel der GT-Challenge...

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... und des ADAC-GT-Masters.

Der Erfolgsgarant BMW

Marciello und der AMG GT3 (6.3-Liter-V8-Saugmotor) waren ein sehr gut eingespieltes Team. Den BMW M4 GT3 (Dreiliter-Turbo) muss der Erfolgspilot aber erst kennenlernen. Ende November beim Gespräch mit der AUTOMOBIL REVUE hatte er den BMW noch keinen Meter bewegt. «Ich denke aber, dass sich dieses Auto nicht sehr vom Mercedes-AMG unterscheidet. Beide sind Autos mit Frontmotor. Ich hätte wohl mehr Mühe, mich anzupassen, wenn ich zuvor ein Auto wie einen Ferrari mit Heckmotor gefahren wäre. Der BMW wird kaum nervöser auf der Strasse liegen als der AMG», sagt Marciello. «Sicher, es gibt Unterschiede zwischen den GT3-Autos von Mercedes-AMG und BMW. Aber mit meiner Erfahrung sollte ich keine allzu grossen Probleme haben, den BMW in den Griff zu bekommen.»

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Blick in die Vitrine: Raffaele Marciello hat für Mercedes-AMG in sieben Jahren viele Pokale gewonnen.

Der Mercedes-AMG GT3 stammt aus dem Jahr 2015. Der BMW M4 GT3 ist wesentlich jünger, er wurde im Sommer 2021 vorgestellt. Ende 2022 gewann Sheldon van der Linde damit bereits den Titel in der DTM. Da war längstens klar, dass der dreimalige DTM-Champion René Rast Audi nach zwölf Jahren Richtung BMW verlassen würde. Anfang Juli stand der Deutsche erstmals nach einem Rennen auf dem Podest, Ende September dann auch als Sieger. Mit anderen Worten: Der BMW M4 GT3 ist bereits ein Erfolgsgarant – und offenbar ist er für Routiniers wie van der Linde und Rast, aber auch Marciello, unkompliziert. «2025 will BMW eine erste Evo-Stufe zünden», weiss Marciello. «Auf dem Weg dahin gebe ich gerne mein Feedback, um das Auto weiter zu entwickeln.» Er sei nicht nur ein Siegfahrer, er sei auch ein Entwicklungsfahrer, sagt Marciello.

Die Möglichkeit Hypercar

Aber da bleibt noch eine Frage zum Markenwechsel von Raffaele Marciello. BMW verfügt auch über ein Hypercar, den M Hybrid V8. Dieses Jahr wurde er in der US-Meisterschaft Imsa eingesetzt, 2024 fährt er auch in der Langstrecken-WM – vielleicht dereinst auch mit dem Schweizer am Lenkrad? «BMW wird sich entscheiden. Grundsätzlich ist aber alles möglich im Leben», sagt Marciello lächelnd. 

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Langstreckenklassiker: Die 24 Stunden am Nürburgring gewann Marciello in einem AMG nie... 

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... dafür 2022 jene von Spa-Francorchamps.

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Ab 2024 fährt er einen BMW M4 GT3 (im Bild Sheldon van der Linde, DTM 2023).

Fotos: Mercedes, BMW

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