Elmar Brümmer | 08.02.2024
Formel 1 So aggressiv startete der Rennstall Sauber, der sich jetzt Stake nennt, noch nie in eine Formel-1-Saison: Das Giftgrün als neue Hausfarbe im zürcherischen Hinwil ist ein Signal.
Das Signal, das der Sauber C44 mit der neuen Hausfarbe aussendet, ist eines, das notwendig ist. Denn der vorletzte Platz in der Konstrukteurswertung im Vorjahr war ein Alarmsignal. Weiter abrutschen, das darf auf keinen Fall passieren. Deshalb ist der C44 ein Neuanfang, konzipiert vom neuen, aber altbekannten Technikdirektor James Key. Er orientiert sich an den Besten, wie es viele Designabteilungen über den Winter getan haben. Anleihen bei den Dauersiegern von Red Bull können ja nicht schaden. Teamrepräsentant Alessandro Alunni Bravi formulierte bei der Präsentation im historischen Londoner Rathaus die Minimalanforderung: «Einen Platz besser werden, mindestens.» Er ruft sogar eine «neue Ära» aus.
Diskussionen um den Teamnamen
Die Farbwahl, die dem Kohlefaserchassis zumindest im Scheinwerferlicht etwas Dramatisches verleiht, soll die Diskussionen über den veränderten Teamnamen übertünchen. Das Wortungetüm aus der Nennliste heisst: Stake F1 Team Kick Sauber. Ganz korrekt müsste es noch um den Motorenhersteller Ferrari ergänzt werden. Wer soll sich das merken? Und warum? In zwei Jahren wird daraus ohnehin der Audi-Werksrennstall. Weshalb Fasnächtler als alternativen Teamnamen «Sau-Di» vorgeschlagen hatten. So richtig zum Lachen ist das aber nicht, die Identität des viertältesten Rennstalls der Formel 1 droht durch die Sponsorenspielchen verloren zu gehen.
Gewählt wurde die obskure Namenskombination, damit nach
dem Weggang des reinen Marketingpartners Alfa Romeo weiterhin eine
zweistellige Millionensumme in den Teametat fliesst. Hinter Stake
verbirgt sich ein australisches Onlinecasino samt Sportwettenangebot,
Kick ist die dazu gehörende Streamingplattform. Die braucht es auch auf
der Rennstrecke, denn in einigen Grand-Prix-Ländern gelten Werbeverbote
fürs Zocken. Da ist der C44 dann als Kick-Sauber unterwegs.
Das Unding ist der Name
Der Neuanfang wird nicht einfach werden, aber das passt
immerhin zum neuen Namen. Stake ist die englische Übersetzung von
Einsatz, at stake bedeutet, dass etwas aufs Spiel gesetzt wird. Sauber
trug, wie viele andere Rennställe auch, in den Vergangenheit
unterschiedliche Namen. Man erinnere sich an «Concept by Mercedes» beim
Einstieg der Deutschen 1993 und an die Jahre darauf mit Red Bull und
Petronas. Doch noch nie war der Namenswechsel so radikal. Auch wenn das
im Trend zu liegen scheint, die Red-Bull-Filiale Alpha Tauri nennt sich
ja neu auch Visa Cash App RB Formula 1 Team.
Für die Fans und die AUTOMOBIL REVUE wird es beim Namen
Sauber bleiben, und der generelle Wandel in Hinwil ZH ist ohnehin zu
begrüssen. Die Belegschaft der Rennfabrik soll spürbar wachsen, von gut
500 auf 900 Mitarbeiter bis zum Ende der kommenden Saison. Darum kümmert
sich Audi-Statthalter Andreas Seidl. Das Tagesgeschäft verantwortet
weiterhin Alessandro Bravi, der den Kampf gegen die Unbeständigkeit
aufnehmen und das Tempo der Teileproduktion erhöhen muss, denn das waren
die grossen Schwächen im letzten Jahr. Deshalb rief der Italiener auch
einen «Neustart» aus.
Aus demselben Grund konzipierte Rückkehrer James Key
einen komplett neuen Rennwagen und schreckte auch vor extremen Lösungen
nicht zurück. «Verbesserungen in jedem Detail» versprächen die
Windkanalwerte, erklärte er. Die Richtigkeit dieser Aussage können erst
die Tests in der letzten Februar-Woche in Bahrain und der Auftakt-GP am
ersten März-Wochenende aufzeigen. 2024 soll die Entwicklungskurve nicht
wieder abfallen wie im vergangenen Jahr. Ein Problem, das alle Teams
plagt, bei dem die Hinwiler 2023 aber die grössten Schwankungen
erlebten, wird auch in der neuen Saison mitentscheidend sein: die
Verträglichkeit der Reifen mit dem Chassis.
Kein Aufbruch – ein Neustart
Die Orientierung an Weltmeister Max Verstappens
Wunderauto kann also nicht falsch sein, und sie fällt schon beim ersten
Blick auf das Sauber-Chassis auf, das unten abgerundet ist. Auch das
Flügelwerk vorn ist deutlich konturierter, die Nase spitzer als bisher.
Dazu kommen die neue Vorderachse, veränderte Seitenkästen und die ovale,
jetzt einteilige Airbox. Die Heckpartie ist weit kompakter geworden. In
manchen Details erscheint der C44 tatsächlich sogar radikaler zu sein
als der – bisherige – Red Bull. Key ist noch vorsichtig, aber er spricht
zumindest von «ambitioniert». Bravi lässt schon mehr Optimismus
durchscheinen: «Wir müssen unseren Fahrern nur die richtigen Werkzeuge
in die Hand geben, dann werden sie auch die Ergebnisse liefern, die wir
von ihnen erwarten.» Valtteri Bottas und Guanyu Zhou, seit 2022 das
Fahrerduo von Sauber, müssen aber auch aus eigenem Antrieb zulegen, es
geht in dieser Saison um ihre Zukunft in der Formel 1.