Formel 1 – Verstappen mehr als nur verstimmt

Elmar Brümmer | 23.09.2024

Lando Norris auf McLaren gewann souverän den Grand Prix von Singapur. Weltmeister Max Verstappen gab anderweitig Gas – neben der Strecke.

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Mohammed bin Sulayem, der Präsident des Internationalen Automobil-Verbandes, ist immer wieder für Überraschungen gut. Meist gehen die aber für ihn selbst nicht gut aus. Das neueste Projekt des umstrittenen Funktionärs aus den Arabischen Emiraten: Sprecherziehung für Formel-1-Fahrer. Damit sorgte er für einen Eklat beim Grand Prix von Singapur, denn Max Verstappen wurde mit der Ableistung von Sozialstunden dafür bestraft, dass er über sein eigenes Rennauto geschimpft hatte. Es ist eine Posse, ausgerechnet Rennfahrer einen Maulkorb verpassen zu wollen, wo an jeder Schweizer Strassenkreuzung die Menschen mehr über das Fluchen erfahren können. Aber der Eingriff der Regelhüter in die Redefreiheit könnte Folgen haben – Max Verstappen kokettiert mit einem frühzeitigen Ende seiner Karriere.

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Mohammed bin Sulayem (r., mit Max Verstappen), der Präsident des Autoweltverbandes FIA, ist immer wieder für Überraschungen gut.

Über ein britisches Fachportal hatte der FIA-Präsident, der immer eine Möglichkeit sucht, sich zur Geltung zu bringen, die Wortwahl der Rennfahrer angemahnt: «Rapper benutzen das F-Wort mehrmals in der Minute. Aber wir sind keine Rapper.» Man stelle sich vor, Eltern würden mit ihren Kindern vor dem Fernseher sitzen, und jemand sage all diese schmutzigen Worte. Die Erklärung, um Sprachpolizist zu spielen, ist etwas scheinheilig: denn die besagten Kraftausdrücke werden, da Funksprüche zeitversetzt ausgestrahlt werden, mit einem Piepton belegt. Max Verstappen fragte daher zurecht zurück: «Kommt schon, aber was sind wir eigentlich? Fünfjährige, Sechsjährige?» Kein Fan dürfte auf das Mithören des Boxenfunks verzichten wollen, es ist oft das spannendste Element, häufig wird dadurch auch die Taktik eines Teams plastisch. Und im Übrigen: wer eine hyper-politisch korrekt Welt sucht, war in der Formel 1 noch nie richtig am Platz. Denn die ist nur am Rande Show, aber hauptsächlich harter Sport.

Einsilbige Medienrunde

Max Verstappen war mehr als verstimmt. In den Medienrunden am Samstag und Sonntag, die er besuchen muss, bleib er einsilbig. Erst ausserhalb des FIA-Hoheitsbereichs im Fahrerlager machte er seinem Frust Luft. Unter dem Riesenrad verknüpfte der 26-Jährige sein persönliches Schicksal mit den Eingriffen in die Redefreiheit: «Ich befinde mich jetzt in einer Phase meiner Karriere, in der man sich nicht ständig mit albernen Dingen herumschlagen will. Das ist wirklich anstrengend. Und für mich ist das keine Art, den Sport weiter auszuüben, soviel ist sicher.»

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Die neue Spitze: Lando Norris im McLaren führt den GP von Singapur nach dem Start an,…

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…am Ende hatte der Brite auch Max Verstappen (hinten) im Griff.

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Am Ende stand das McLaren-Duo Lando Norris (Mitte) und Oscar Piastri (r.) wieder auf dem Podest.

Der Red-Bull-Pilot, der zum vierten Mal in Folge Weltmeister werden kann, hat schon immer betont, nicht ewig weiterfahren zu wollen, nur um Rekorde zu brechen – Vertrag bis Ende 2028 hin oder her. Die Ereignisse von Singapur haben offenbar zu tiefer Nachdenklichkeit geführt: «Wenn es genug ist, ist es genug. Die Formel 1 wird auch ohne mich weitergehen, damit habe ich kein Problem.» Das klingt bedrohlich, ist aber vor allem ein gezielter Hinweis an die Funktionäre und auch an das Formel-1-Management, den Fahrern wieder mehr Freiheit zu lassen. Das Jahrtausendtalent Verstappen weiss genau um seine Ausnahmestellung und will sie in dieser Posse nutzen. Für sich, seine Kollegen und den gesamten Sport.

Karten werden neu gemischt

Die Formel 1 wird prima auch mit dieser Kontroverse leben, wenn es in vier Wochen in Texas weitergeht. Vielleicht geht es dann weniger um den Macht- und Freiheitskampf und wieder mehr ums Titelrennen. Verstappen war am Äquator in einem endlich wieder starken Rennen auf Rang zwei gefahren, aber Norris war mit dem McLaren deutlich stärker. So ist der Vorsprung des Niederländers bei sechs noch ausstehenden Rennen auf 52 Punkte geschrumpft. In Austin werden die Karten neu gemischt. Red Bull Racing kommt mit einem neuen Unterboden, McLaren wurde der flexible Heckflügel verboten. Manchmal tut es einfach gut, einfach ein paar mehr Worte über den Sport zu verlieren.

Resultate

Grand Prix von Singapur. Marina Bay, 18. von 24 Läufen: 1. Lando Norris (GB), McLaren-Mercedes, 62 Runden zu 4.94 km (=306.143 km), 1:40:52.571 Stunden (=182.090 km/h). 2. Max Verstappen (NL), Red Bull-Honda, 20.945 Sekunden zurück. 3. Oscar Piastri (AUS), McLaren-Mercedes, 41.823. 4. George Russell (GB), Mercedes, 1:01.040 Minuten zurück. 5. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:02.430. 6. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:25.248. 7. Carlos Sainz (E), Ferrari, 1:36.039. 8. Fernando Alonso (E), Aston Martin-Mercedes, 1 Runde zurück. 9. Nico Hülkenberg (D), Haas-Ferrari, 1 Rd. 10. Sergio Pérez (MEX), Red Bull-Honda, 1 Rd. 11. Franco Colapinto (RA), Williams-Mercedes, 1 Rd. 12. Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 13. Esteban Ocon (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 14. Lance Stroll (CDN), Aston Martin-Mercedes, 1 Rd. 15. Guanyu Zhou (CHN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 16. Valtteri Bottas (FIN), Sauber-Ferrari, 1 Rd. 17. Pierre Gasly (F), Alpine-Renault, 1 Rd. 18. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls-Honda, 1 Rd. 19. Kevin Magnussen (DK), Haas-Ferrari, 5 Rdn. (nicht im Ziel, aber gewertet). – Ausfälle: Magnussen (57. Runde, Reifen); Alexander Albon (T), Williams-Mercedes (15., Kühlung). – 20 Fahrer gestartet, 19 klassiert. – Schnellste Runde: Ricciardo, 60. Runde, 1:34.486 Minuten (=188.218 km/h). – Poleposition: Norris, 1:29.525 Minuten (=198.648 km/h).

Stände. Fahrer: 1. Verstappen, 331 Punkte (7 Saisonsiege). 2. Norris 279 (3). 3. Leclerc 245 (2). 4. Piastri 237 (2). 5. Sainz 190 (1). 6. Hamilton 174 (2). 7. Russell 155 (1). 8. Pérez 144. 9. Alonso 62. 10. Hülkenberg 24. 11. Stroll 24. 12. Tsunoda 22. 13. Albon 12. 14. Ricciardo 12. 15. Gasly 8. 16. Oliver Bearman (GB), Ferrari und Haas-Ferrari, 7. 17. Magnussen 6. 18. Ocon 5. 19. Colapinto 4. – Konstrukteure: 1. McLaren-Mercedes 516 (5). 2. Red Bull-Honda 475 (7). 3. Ferrari 441 (3). 4. Mercedes 329 (3). 5. Aston Martin-Mercedes 86. 6. Racing Bulls-Honda 34. 7. Haas-Ferrari 31. 8. Williams-Mercedes 16. 9. Alpine-Renault 13.

Nächster Lauf: Grand Prix der USA, Austin, 20. Oktober 2024.

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