Werner J. Haller | 18.04.2024
Berg-SM Thomas Amweg steigt um. Der Aargauer fährt in der Berg-SM statt eines Formel-autos einen Sportprototyp. Dieser hat einen Turbomotor. Zwei Premieren.
An dieses Bild muss man sich gewöhnen. Thomas Amweg steht neben einem Sportwagenprototyp, nicht wie in der Vergangenheit neben einem Formelboliden. Am Samstag zeigte der 39-jährige Aargauer im Hotel Meilenstein in Langenthal BE den Nova NP01, mit dem er die Schweizer Bergmeisterschaft fährt. Gleichenorts präsentierte er im vergangenen Jahr einen Reynard 93D Formel 3000. 2022 fuhr er beispielsweise am Gurnigel BE noch einen Lola T94/50, 2021 in Oberhallau SH einen Lola B99/50 Formel 3000, mit dem er 2019 am Gurnigel seinen bisher einzigen Tagessieg im Rahmen der Schweizer Bergmeisterschaft holte.
Eine Chance auf den Sieg
Er wechsle seine Rennwagen ja fast so oft wie Unterhosen, meint die AUTOMOBIL REVUE. Thomas Amweg lacht herzlich. «Dieser Wechsel musste sein. Das Team von Phimmo Racing und ich haben letztes Jahr bald gemerkt, dass wir mit dem Reynard nicht umsetzen können, was wir uns erhofft hatten. Dazu gab es Probleme mit dem Motor. Wenn du eine Chance auf den Sieg haben willst, musst du ein solches Auto wie den Nova NP01 fahren», erklärt er den Umstieg von Formelautos auf einen Sportprototyp.
Nichtsdestotrotz hat Amweg auch schon Erfahrung mit solchen Boliden. 2016 fuhr er in der Sports Car Challenge auf Rundstrecken mit einem PRC-Honda auf Gesamtrang zwei der zweiten Division. «Ich kam mit dem Auto gut zurecht, ich hatte mich rasch daran gewöhnt. Aber im Unterschied zu damals fahre ich nicht mehr auf Rundstrecken, sondern am Berg, was immer speziell ist. Der Nova ist breiter, ich sehe die Vorderräder nicht so wie in der Vergangenheit bei den Formelautos.»
Der neue Rennwagen ist die eine Herausforderung für
Amweg. Die andere ist der Motor. «Ich bin noch nie einen Turbo gefahren.
Ich werde mich sicher darauf einstellen müssen, aber für eine grosse
Challenge halte ich das nicht.» Der 1.7-Liter-Honda-Turbomotor stammt
von Helftec Engineering in Hildisrieden LU. Dort liess auch Marcel
Steiner sein Triebwerk für den Lobart LA01 bauen – und eroberte im
vergangenen Jahr den Titel in der Berg-SM nach 2018 zurück. Der Motor im
Auto von Amweg basiere auf jenem von Steiner, sagt Flavio Helfenstein,
der zusammen mit seinem Bruder Guido das Unternehmen führt.
Mit einem Meistermotor
«Von der Charakteristik und vom Hubraum her ist er dem
Meistermotor ähnlich. Bewährtes haben wir übernommen. Das Triebwerk ist
nun aufgeräumter, kompakter, leichter. Das Drumherum gleicht dem Motor
im Auto von Michel Zemp», erklärt Flavio Helfenstein. Zemp stellte
seinen Norma M20 FC mit 1.17-Liter-Turbomotor von Helftec Engineering
Mitte März vor (AR12/2024). Dank dem Zemp-Projekt verfüge auch Amwegs
Motor neu über ein Schweizer Steuergerät. «Wir haben bei einem ersten
Test gesehen, dass dieses Motormanagement funktioniert», sagt Flavio
Helfenstein. «Ich bin sehr gespannt auf diese Kombination von Chassis
und Motor. Besser geht es derzeit wohl nicht.» PS-Zahlen will
Helfenstein keine nennen, aber es gebe Luft nach oben. «Und der Motor
schafft 10 200 Umdrehungen, so viel sei verraten», meint der Ingenieur
lachend.
Thomas Amweg hat bisher mit dem Nova NP01 ein Roll-out
in Roggwil BE hinter sich, diese Woche steht ein Test in Italien an.
Trotz Premieren mit einem Sportwagenprototyp und einem Turbomotor
spricht der Aargauer nicht von einem Lehrjahr. «Natürlich gibt es einige
Herausforderungen, denen ich mich stellen muss. Aber wenn man um den
Titel fahren will, sollte man auch parat sein. Ich erwarte nichts
anderes, als dass sich dieses Projekt Nova NP01 mit Turbomotor von
Helftec bewährt. Ich verfüge auch über das nötige Umfeld, um an der
Spitze mitfahren zu können. Und natürlich traue ich mir das in meiner
Rolle als Pilot zu», sagt Amweg.
«Das ist krank!»
«Natürlich habe ich Respekt. Natürlich
ist es auch mein Ziel, dieses Auto nach jedem Bergrennen in einem Stück
an Phimmo Racing zurückzugeben. Aber bei meinem Heimrennen am 30. Juni
im Reitnau AG, dem dritten Lauf zur diesjährigen Schweizer
Bergmeisterschaft (Anmerkung der Redaktion: s. Seite 19), möchte ich
bereits ein Wörtchen um den Tagessieg mitreden können.» Einfach werde es
auch nicht, weil die Konkurrenz aufgerüstet habe, allen voran
Titelverteidiger Steiner, dessen Lobart eine neue Karosserie verpasst
bekam, und Robin Faustini, der statt eines Osella FA30 neu wie Amweg
einen Nova NP01 fährt. «Das Leistungsniveau in der Schweizer
Bergmeisterschaft ist über die Wintermonate geradezu explodiert, auch
die Gegner haben mächtig aufgerüstet. Ich möchte fast meinen: Das ist
krank!»
Aber offenbar auch nötig, wenn man wie Thomas Amweg auf Titeljagd gehen will.
Fotos: Werner J. Haller, Archiv Amweg